Neue Hoffnung für Glatzenträger: Britische Wissenschaftler haben auf der Suche nach einem effektiv wirksamen Haarwuchsmittel eine Substanz entdeckt, die womöglich dauerhaft das Problem vieler Männer lösen kann.
Drei Viertel aller Männer unseres Globus haben das gleiche Problem. Denn sie sind allesamt von Haarausfall betroffen. Der ist zwar keine Krankheit, schlägt vielen Herren aber dennoch aufs Gemüt, weil er als optischer Makel Auswirkungen auf das Selbst- oder Fremdbild haben kann. Meist fängt es mit Geheimratsecken an, die durch das Zurückweichen der Stirn-Haar-Grenze an den Schläfen gekennzeichnet sind. Mit fortschreitendem Alter lichten sich bei vielen Männern die Kopfhaare immer weiter – bis schließlich eine Glatze droht.
Die Ursachen und biochemischen Mechanismen, die hinter der „Alopezie", wie die beim Älterwerden ganz normale Ausprägung des Haarausfalls auch genannt wird, sind bislang nur ansatzweise geklärt. Unbestritten ist jedoch, dass Gene, sprich eine vererbte Veranlagung, eine wichtige Rolle spielen, ebenso eine Überempfindlichkeit der Haarwurzel gegenüber dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron vorliegen muss, dass letztlich dafür sorgt, dass die Haarfollikel gestört werden.
Haarwuchsmittel gibt es seit vielen Jahren wie Sand am Meer. Deren Wirksamkeit ist, um es vorsichtig zu formulieren, umstritten. Im günstigsten Fall wächst vielleicht etwas Flaumhaar und die Pracht wirkt womöglich etwas fülliger. Bei regelmäßigen Überprüfungen von frei verkäuflichen Präparaten durch „Öko Test" oder „Stiftung Warentest" fielen fast alle Wundermittel durch. Am ehesten helfen laut Stiftung Warentest noch Produkte, die den Wirkstoff Minoxidil enthalten, der dank einer verbesserten Durchblutung der Kopfhaut oder auch durch Neubildung von Blutgefäßen den Haarwuchs eventuell fördern könnte. Der genaue Wirkmechanismus von Minoxidil, einem Arzneistoff, der in den 70er-Jahren zur Behandlung von Bluthochdruck entwickelt wurde und der als Nebenwirkung ein verstärktes Haarwachstum erzeugt hatte, ist bei Haarausfall noch nicht bekannt.
Haarwuchs als Nebeneffekt
Wie bei Minoxidil beruht auch das neue Mittel gegen Haarausfall auf den Nebenwirkungen eines schon bekannten Medikaments. Auf der Suche nach möglichen wirksamen Substanzen gegen Haarausfall ist ein Forschungsteam rund um den Dermatologen Nathan J. Hawkshaw von der Universität Manchester auf Cyclosporin A gestoßen, das früher nach Organtransplantationen verabreicht wurde, weil es die Arbeit des körperlichen Immunsystems unterdrücken konnte. Demzufolge handelte es sich um ein immunsuppressives Mittel. Als Nebeneffekt hatte Cyclosporin A einen übermäßigen und unverhofften Haarwuchs verursacht.
Die Forscher untersuchten den genauen Mechanismus hinter dieser Nebenwirkung. Dafür behandelten sie in Kultur gehaltene Haarfollikel mit Cyclosporin A und analysierten die Auswirkungen auf die Haarwurzelzellen. Dabei zeigte sich, dass Cyclosporin A auf ein bestimmtes Gen an der Haarwurzel einwirkt und dadurch die Produktion eines Proteins namens SFRP1 unterdrückt wird. Im Verlauf weiterer Untersuchungen fanden sie heraus, dass es sich bei SFRP1 um eine natürliche Haarwuchsbremse handeln muss. Wenn dieses Protein reichlich in der Haarwurzel vorhanden ist, hemmt es das Wachstum des Haares und löst eine Pause im Wachstumszyklus der Haarwurzel aus. Durch Einsatz von Cyclosporin A kann diese Bremse ausgeschaltet und das Haarwachstum gefördert werden.
Allerdings war den Forschern klar, dass sie nach einer Alternative für Cyclosporin A suchen mussten, denn angesichts der Ausschaltung des Immunsystems konnte das Medikament nicht die Lösung des Haarwuchsproblems darstellen. Die Forscher wurden schließlich bei einem schon lange bekannten Proteingegenspieler namens WAY-31660 fündig, einem ursprünglich gegen Osteoporose entwickelten Medikament. Schon zwei Tage nach Behandlung menschlicher Haarfollikel mit diesem Wirkstoff konnte ein signifikanter Effekt festgestellt werden. Der Haarschaft der Follikel war deutlich stärker als bei unbehandelten Kontrollfollikeln gewachsen – das Wachstum übertraf sogar die Versuchsergebnisse mit Cyclosporin A. Zudem konnte ein nennenswerter Anstieg der Keratinproduktion in den Haarwurzeln gemessen werden. „Doch die größte Herausforderung bei der Therapie des Haarausfalls ist es", so Hawkshaw, „die aktive Wachstumsphase des Haarfollikels zu verlängern." Denn bei Alopezie gehen die Haarwurzeln verfrüht und dauerhaft in einen Ruhestand über.
Klinische Studie ist nächster Schritt
Sehr zur Freude der Wissenschaftler konnten sie sogar noch sechs Tage nach Versuchsbeginn feststellen, dass ein deutlich größerer Prozentsatz der behandelten Haarfollikel noch in einer aktiven Wachstumsphase war als bei den unbehandelten Kontrollfollikeln. „Das demonstriert, dass WAY-31660 ein vielversprechender Promotor des menschlichen Haarwuchses ist", so Hawkshaw. Weil dieser Wirkstoff zudem sehr selektiv auf die SFRP1-Produktion wirke, könne er relativ verträglich sein und wenige Nebenwirkungen haben. „Als nächstes ist nun eine klinische Studie nötig, die uns verrät, ob dieses Mittel und ähnliche Wirkstoffe bei Patienten mit Haarausfall sowohl effektiv als auch sicher wirken", so die Forscher aus Manchester.