Gerade mal so groß wie Bayern, aber mit einem Wirbelsturm an Literatur, Geschichte und auch an Aufbruchsstimmung im Gepäck: Georgien ist Gastland der Frankfurter Buchmesse.
Georgien also. Georgien?! Nicht wenige müssen wahrscheinlich heimlich einen Blick auf die Weltkarte werfen: Irgendwo im Osten liegt das, Richtung Schwarzes Meer – aber wo genau? Und sind die Georgier nicht die, deren Namen auf -adse oder -schwili enden? Wie sieht ihr Land aus, wie leben sie eigentlich, wie viele von ihnen gibt es überhaupt?
Ein bisschen beschämend fühlt es sich schon an, das Unwissen über ein Land, das auf der Grenze von Europa und Asien zu balancieren scheint. Aber es weckt auch Neugier: Plötzlich erzählen Freunde und Bekannte unabhängig voneinander vom Georgien-Sommerurlaub. Von Israelis und Russen, die sie auf Berghütten getroffen haben, und für die Georgien schon längst ein Ziel ist. Von puscheligen Mützen, traditionell getöpferten Krügen und dem Nachtleben in der Hauptstadt Tblissi. Und von den ganz eigenen Buchstaben, fremdartig geschwungen und wunderschön.
An den georgischen Lettern hängt sich auch ein offizielles Video auf: Unter der Überschrift „Georgia – Made by Characters", Georgien, aus Buchstaben gemacht, präsentiert sich das diesjährige Gastland selbst auf der Frankfurter Buchmesse. Ganz bewusst überschreitet schon das Motto den rein literarischen Zusammenhang: „Characters" sind natürlich auch Charaktere, Menschen mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften. Ein Wortspiel, das den Zwang weg von der eigenen, vielen nicht verständlichen Sprache und hin zum international gebräuchlichen Englisch geschickt zu seiner Stärke macht.
Mythen, Konzerte, Kunst und Wein
Und ein Motto, das zeigt, dass Georgien die Chance, sich dem Publikum auf internationalem Parkett in Europa zu präsentieren, mit beiden Händen ergreift: Im vergangenen Jahr stand Frankreich auf der Bühne, im kommenden wird es Norwegen sein – vergleichsweise „alte Bekannte" für die Besucher. Wohingegen die knapp fünf Millionen Georgier sich nach Bürgerkriegen, Gewalt und korrupten Jahren der Nach-Sowjet-Zeit immer noch weiter aufmachen, uralte Traditionen und neuen Schwung zum Gesicht ihrer eigenen, unabhängigen Nation zu formen.
Klar, es geht in Frankfurt um die Bücher. Und die Literaturszene des jungen Gastlandes boomt, auch hierzulande: Allein seit der letzten Messe und bis Ende dieses Jahres vorausgeblickt, werden 160 neue georgische Titel in den Regalen der Buchhändler stehen. Allesamt aus einem Land, das gerade mal so groß ist wie Bayern. Und nicht zuletzt steht bei all der weltweiten Konkurrenz auch eine georgische Autorin, Nino Haratischwili, mit einem Roman über den Tschetschenienkrieg auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
Gleichzeitig nimmt Georgien auch die Gelegenheit wahr, sich sowohl weit über die Lettern als auch über die Messe Frankfurt hinaus vorzustellen: Ob mit dem Tbilisi Symphony Orchestra in Potsdam, mit zeitgenössischer Literatur und moderner Poesie in Saarbrücken oder mit Diskussionen und Ausstellungen parallel zur Buchmesse in Frankfurt selbst – eine ganze Reisetasche voller Mythen, Illustrationen, Musik und natürlich vor allem Literatur ist mit nach Deutschland gekommen. Bunt genug, um einen kleinen Geschmack vom Land zu bekommen und fast ein wenig gierig auf mehr zu werden. Vielleicht ließe sich ja ein Satz aus einem Performance-Programm am Rande der Buchmesse gut auf viel mehr als diesen einen Georgien-Auftritt übertragen: „A flashbulb of musical phrases, people, events, smiles, tears and, nonetheless still hopeful about future. – Ein Aufblitzen von Musik-Fetzen, Leuten, Events, Lachen, Weinen und trotzdem immer noch voller Hoffnung für die Zukunft."
Mehr zur Frankfurter Buchmesse unter www.buchmesse.de
Georgisches Rahmenprogramm unter www.georgia-characters.com