Oberst Aslak Heisner ist seit Januar 2018 deutscher Kontingentführer der UN-Mission Minusma in Mali. Der in Munster in der Lüneburger Heide geborene 56-Jährige ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit 2015 ist er in der Graf-Werder-Kaserne in Saarlouis als stellvertretender Brigadekommandeur der Luftlandebrigade 1 stationiert. Im Oktober wird er nach Ablauf seines Einsatzes dorthin zurückkehren.
Herr Oberst, im Vergleich zu früheren Einsätzen nun Mali: Stellen Sie Veränderungen gegenüber vorangegangenen Missionen fest?
Kosovo, Kuwait, Afghanistan. Jeder Einsatz ist anders, die Konflikte sind vielschichtig: Die Ursachen unterscheiden sich und natürlich auch die Herausforderungen vor Ort. Und so ist Mali nicht Afghanistan. Aber mit Blick auf meine Erfahrungen kann ich auch feststellen, dass der Einsatz der Bundeswehr in allen Einsatzgebieten den Menschen immer Perspektiven und Hoffnungen gegeben hat. Dazu haben wir gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern unseren Beitrag geleistet. Das ist eine Gemeinsamkeit, und die gilt auch für Mali und Minusma.
Was sind Ihre Aufgaben in Nordmali?
Insgesamt 12.000 Soldaten beteiligen sich an Minusma. Das Ziel dieser UN-Friedensmission ist es, die Stabilisierung des malischen Staats zu unterstützen und einem drohenden Bürgerkrieg entgegenzuwirken.
Die rund 1.000 deutschen Soldatinnen und Soldaten haben dabei die Aufgabe, der UN-Mission Aufklärungsergebnisse zur Verfügung zu stellen. Dazu fahren wir in die umliegenden Dörfer, um mit den Dorfältesten und lokalen Autoritäten zu reden. Darüber hinaus sammelt die Aufklärungs-Taskforce Informationen zur Nahrungsmittelsicherheit oder Nahrungskrise ebenso wie jene über die Infrastruktur der Dörfer, bewaffnete Gruppen, Terrormilizen und die allgemeine Sicherheitslage. All diese Informationen stellen wir Minusma zur Verfügung.
Wie ist die Sicherheitslage in Ihrem Einsatzgebiet und im Rest von Mali?
Unser Einsatz ist ohne jeden Zweifel gefährlich. Die Sicherheitslage unterscheidet sich aber landesweit. So ist es im Raum Gao, dort wo wir eingesetzt sind, derzeit relativ ruhig. Im April schlug eine Rakete in der Nähe des Super-Camps der Vereinten Nationen in Gao ein. Alle blieben aber unverletzt. Auch gibt es vereinzelt Angriffe auf Minusma-Konvois. Wir waren davon aber bisher nicht betroffen. Wir stellen derzeit fest, dass sich die Auseinandersetzung mehr und mehr in die Zentralregion, nämlich um die Gegend von Mopti, verschieben.
Gab es schon einmal einen Anschlag auf Camp Castor?
Nein. Trotzdem gilt es, wachsam zu sein. Das Lager wird von unseren hervorragend ausgebildeten Fallschirmjägern gesichert.
Haben Sie selbst Kontakt zur Zivilbevölkerung?
Ja. Bei den kürzlich erfolgten Präsidentschaftswahlen bin ich mit meinen Frauen und Männern in Gao gewesen, um ein Bild über die Lage zu bekommen. Die Wahlen verliefen ruhig, und alles schien gut vorbereitet. Das ist wirklich ein großer Erfolg für das krisengeschüttelte Land, aber auch für Minusma selbst.
Wenn Sie Familie oder Freunde hier besuchen kämen, was würden Sie ihnen raten?
Mali ist ein wundervolles Land und bestimmt jeden Besuch wert. Allerdings sind die Bundeswehr und unsere Verbündeten ja nicht ohne Grund hier in einem UN-Friedenseinsatz. Ich würde raten, Mali nach Beendigung des Minusma-Einsatzes zu besuchen.
Mittel- und langfristig: Welche Entwicklungen erwarten Sie in Mali beziehungsweise in der Sahelzone? Wird es jemals wieder Frieden geben?
Mithilfe von Minusma und der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali sehe ich gute Chancen, dass Mali sich selbst organisieren kann. Dieses wird aber viele Jahre brauchen.
Welche Konfliktlinien sehen Sie in Mali?
Das ist ein komplexer Mix verschiedenster Einflüsse und Interessen. Es reicht von der Macht der alten Eliten, über das noch immer bestehende Konfliktpotenzial der Tuareggruppen bis hin zu Kriminalität, Waffenschmuggel und Drogenhandel. Und eine zunehmende Bedeutung spielt der Generationenkonflikt in Mali. 47 Prozent der malischen Bevölkerung sind unter 14 Jahre alt. Diese Jugendlichen sind bisher politisch noch nirgendwo repräsentiert. Dieser Tatsache muss sich die malische Regierung dringend stellen.
Nach vielen Diskussionen in Deutschland um die technische Ausstattung der Bundeswehr: Wie sieht es damit im Einsatz aus?
Eine mangelnde technische Ausstattung trifft hier nicht zu. Uns steht in Mali Spitzentechnik zur Verfügung, und wir müssen den Vergleich mit anderen Staaten nicht scheuen. Zum Beispiel kann die Heron-Drohne in ganz Nordmali zur Überwachung eingesetzt werden. Oder die kleinere Aufklärungsdrohne Luna, die regional auch bei den kürzlich erfolgten Wahlen für Aufklärungsergebnisse im Raum Gao sorgte. Mit den Tiger-Hubschraubern, den NH 90-Transporthubschraubern und unserer Aufklärungssensorik hatten wir ein stimmiges Paket für unseren Auftrag. Die Fähigkeiten unserer NH90-Hubschrauber werden seit dem 1. August durch die kanadischen Streitkräfte abgebildet.
Sie leben in Saarlouis und kehren im Oktober nach Deutschland zurück. Wie geht Ihre Familie mit der langen Abwesenheit um? Gibt es vor Ort ein Betreuungsangebot für Soldatenfamilien?
Meine Frau und die Kinder kennen diese Situation. Wir haben zu Hause ein gutes Netzwerk an Freunden. Und in die Bundeswehr selbst ist die Familie gut eingebettet. In Saarlouis gibt es ein hervorragendes Familienbetreuungszentrum mit Kinderbetreuung und den neuesten Informationen über den Einsatz. Meine Kinder hatten beispielsweise die Möglichkeit, sich bei einem Besuch eines Übungsfeldlagers für die Ausbildung von Soldaten in Deutschland selbst einen eigenen Eindruck davon zu verschaffen, wie Papa oder Mama im Einsatz lebt. Mit der guten und kostenlosen Internetverbindung können wir täglich mit unseren Angehörigen zu Hause in Verbindung bleiben. Das ist wirklich klasse.