Der Sternekoch Christian Bau, Küchenchef und Gastgeber im Victor’s Fine Dining (Perl-Nennig), ist mit dem BundesÂverdienstÂkreuz geehrt worden. Als KulturÂschaffender. Ein Gespräch über Kochen als Kunst und das problematische Verhältnis der Deutschen zu ihrer Hochküche.
Als Meister der Kochkultur und als kulinarischer Botschafter trägt Christian Bau in herausragender Weise zu einem positiven Deutschlandbild bei", lobte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Und ehrte ihn persönlich, zusammen mit weltbekannten Künstlern, darunter der Star-Fotograf Jim Rakete, der Komiker Otto Waalkes, die Regisseurin Caroline Link, der Maler Neo Rauch, der Hollywood-Filmkomponist Hans Zimmer, die Bratschensolistin Tabea Zimmermann und die Popmusikerin Anette Humpe. „Kunst kann man nicht nur sehen oder hören, bei Christian Bau kann man sie vor allem schmecken", hieß es in der Laudatio.
Herzlichen Glückwunsch, Herr Bau! Bisher dachte jeder: Bau hat alle Preise und Auszeichnungen abgeräumt, da kann jetzt keine Steigerung mehr kommen. Und jetzt so eine große Auszeichnung außerhalb der Gastronomie. Wie bewerten Sie diesen Orden?
Danke. Ja, jetzt kommt bei mir zum Titel „Koch des Jahres" noch das Bundesverdienstkreuz hinzu. Was eigentlich eine noch größere Ehre ist. Ich sehe diese Ehrung jedoch auch als Verpflichtung. Ich wurde auserwählt für unsere Branche, weil man in meiner Person wohl auch eine Identifikationsfigur sieht.
Wann und wie erfuhren Sie, dass Ihnen das Bundesverdienstkreuz verliehen wird?
Es war, als ich aus dem Urlaub nach Hause kam und den Briefstapel durchging, der sich angesammelt hatte. Den Brief mit dem Siegel des Bundespräsidenten legte ich zuerst weg. Ehrlich – ich dachte, das sei eine Anfrage, dort bei einem Fest zu kochen.
Herrn Dr. Wirtz, der Autor meines neuen Kochbuchs, der auch zur Entourage des Bundespräsidenten gehört, hat mich dann sozusagen wachgerüttelt und herausgefunden, dass ich erst der dritte Koch bin, der diesen Orden bekommt.
Sie wurden ausdrücklich als Kulturschaffender geehrt.
Ja, ich bin der erste Koch, der das Bundesverdienstkreuz für sein Kochen als Kulturgut bekommt. Die 29 Geehrten dieses Jahr wurden auch nicht vorgeschlagen, wie sonst üblich, sondern vom Bundespräsidialamt selbst ausgesucht, unter dem Motto „Kultur verbindet". Es ehrt mich sehr, wenngleich ich sagen muss, ich nehme die Ehrung nur stellvertretend für die Branche entgegen. Ich habe in meinem Antwortschreiben an den Bundespräsidenten mich nicht nur bedankt, sondern auch darauf hingewiesen, dass wir keine Lobby haben, nicht in der Wirtschaft, in der Gesellschaft und schon gar nicht in der Politik. Dabei haben wir mit vielen Problemen zu kämpfen.
Auch der „Süddeutschen Zeitung" gegenüber haben Sie diese Kritik geäußert. Das Interview erschien mit der Überschrift „Die Politik verachtet uns".
Die Zeitung hat es etwas zugespitzt. Ich hatte gesagt: „Die Politik schenkt uns keine Beachtung".
Was bedeutet das?
Unsere Ministerpräsidenten fahren zum Beispiel große Wagen von deutschen Autoherstellern, lassen sich aber nie mit einem deutschen Spitzenkoch ablichten, weil sie Angst haben, das würde Wählerstimmen kosten. Das gilt als dekadent. Oder nehmen Sie die Wagnerfestspiele in Bayreuth. Die Karten gehen bei 300 Euro los. Das halbe Bundeskabinett ist jedes Jahr vor Ort. Wieso aber holt man dann nicht einen Spitzenkoch, wenn ein Staatspräsident zu Besuch kommt? In Paris sind die Sterneköche regelmäßig im Elysee-Palast. Ist dort ganz normal.
Das besagte Interview mit Ihrer Politikerschelte erschien vor der Ehrung. Wie fand der Bundespräsident Ihre Kritik an seiner Zunft?
Nach der Ordensverleihung ließ er mich zu sich bitten und sprach mich auf meine kritischen Worte an. Er sagte „Herr Bau, ich bin stolz auf Sie!" Die Damen und Herren in Berlin sollen das ruhig lesen, meinte er. Er möchte, dass ich die Auszeichnung nutze, um das Problem zu thematisieren.
Er war selbst aber auch noch nie bei Ihnen essen, oder?
Nein. Aber er hat gesagt, dass er unbedingt mit seiner Frau zu mir essen kommen möchte. Überhaupt habe ich fast ausschließlich positives Feedback auf meine Kritik bekommen. Gerade die Kollegen aus der Branche stimmen mir zu.
Mit welchen Problemen kämpft die deutsche Spitzengastronomie?
Die starre Arbeitszeitregelung seit 2015 schnürt der Gastronomie buchstäblich den Hals zu. Um die gesetzlichen Ruhezeiten einzuhalten, bräuchten wir zwei Brigaden. Das kann man wirtschaftlich gar nicht abbilden. Und es fehlt der Nachwuchs. Die neue Generation ist anders. Es wird mehr auf Work-Life-Balance geachtet. Es gibt auch einen Riesenumbruch im Anforderungsprofil unserer Gäste. Sie wollen Casual fine dining, alles auf höchstem Niveau, aber ganz locker. Sie brauchen Leute, die hochkompetent sind, aber nicht so steif rüberkommen, gleichzeitig auch den Anforderungen von konservativen Gästen entsprechen – ein Riesenspagat.
Nun sind Sie als Kulturschaffender geehrt worden. Mit Brief und Siegel des Bundespräsidenten. Sehen Sie darin eine Chance für sich und Ihre Kollegen, dass die Kochkunst nun als Kulturgut begriffen wird?
Ja klar. Ich habe immer schon gesagt: Ein Abendessen auf Schloss Berg ist gleichzusetzen mit dem Besuch einer Oper, eines Konzertes, eines Balletts. Es ist ein abendfüllendes Programm, kostet viel Geld, aber es sollte ein Bestandteil unserer Kultur sein. Viele begreifen das leider nicht. Jetzt hat es Berlin zum ersten Mal aufgegriffen.
Aber: Seit 1957 wurde das Bundesverdienstkreuz 257.000 Mal verliehen. Davon bin ich jetzt der erste Koch, der es aus den Händen des Bundespräsidenten und der es als Kulturschaffender bekommt. Es ist der erste Schritt in die richtige Richtung: dass das politische Berlin unsere Arbeit anerkennt. Das sollte eine Debatte anregen.
Was verlangen Sie von der Politik? Wie könnte eine kulinarische Kulturförderung aussehen?
Wir wollen keine Subventionen, wir wollen Akzeptanz. Und Hilfe, zum Beispiel über die Tourismusverbände. Ein Land oder eine Metropole muss doch verstehen, dass ich gewisse Magnete brauche, um Touristen anzuziehen. Im Saarland etwa haben wir nicht nur schöne Wanderwege und die Saarschleife. Wir haben hier zwei der weltbesten Restaurants.
Auch in der Bevölkerung sehen viele die Sternegastronomie als überteuerten Luxus.
Wissen Sie, es gibt Leute, die sich für 900 Euro Aufpreis einen besonderen Schlüsselanhänger für ihren Porsche gönnen, denen aber 200 Euro für ein Gourmet-Menü viel zu viel sind. Ein Geigenbauer oder ein Goldschmied wird für sein Handwerk doch auch nicht verpönt. Aber wir Köche. Als einer der ersten Facebook-Kommentare, nachdem ich die Meldung von der Ehrung verlinkt habe, schrieb eine Dame: „Da ist einer, der zieht den Leuten das Geld aus der Tasche und wird dafür noch geehrt." Das sagt alles.
Wann wird Kochen zur Kunst, ein Restaurantbesuch zum Kulturgenuss?
Ich betrachte meine Arbeit zuerst als Handwerk. Was wir hier schaffen, hat eine so kurze Wertigkeit. Es hinterlässt zwar hoffentlich einen bleibenden Eindruck, aber kann höchstens durch ein Foto festgehalten werden. Und ein Restaurantbesuch wird ja nicht nur durch die Küche bestimmt. Es beginnt bei uns mit dem herzlichen Empfang. Es herrscht eine besondere Atmosphäre, in der – hoffentlich – nette Gespräche entstehen. Wir haben ein besonders stilvolles Ambiente. Und so soll ein bleibender Eindruck entstehen.
Es ist dieses abendfüllende Programm, diese Willkommens- und Gastgeberkultur gepaart mit dem Handwerk.
Schaffen Sie ein Gesamtkunstwerk?
Natürlich. Seitens der Restaurantführer wird die Auszeichnung nur für die Küche vergeben. Aber sind wir doch mal ehrlich: Wenn du einen schlechten Service hast, dann kannst du dir den Wolf kochen und hast trotzdem keine Gäste. Tatsächlich ist ein Restaurantbesuch auf diesem Niveau, wie wir es hier seit 1998 anbieten, ein Gesamtkunstwerk.
Wovon lassen Sie sich bei Ihrem kreativen Schaffen inspirieren?
Die Inspirationsquelle sind immer die Produkte. Ich freue mich, wenn ich die besten und wohlschmeckendsten Produkte der Welt hierher bekomme. Wenn ich diese vor mir liegen habe, lasse ich mich von ihnen inspirieren. Es ist ein Bauchgefühl. Ich arbeite intuitiv. Und vor allem: Ich mache nur das, was mir selber schmeckt.
Gibt es Regeln, an die Sie sich halten?
Ich möchte Spannung auf dem Teller haben und eine gewisse Dramaturgie im Menü. Das Wichtigste aber ist immer die Harmonie. Das Gericht soll sich jedem Menschen erschließen, einem Neuling ebenso wie einem erfahrenen Gourmet, einem jungen Menschen oder einem alten. Jeder soll sagen: Oh, das ist jetzt etwas ganz Neues, aber es schmeckt fantastisch. Diese Harmonie jedoch wird in unserer Branche oft missachtet. Das liegt auch an gewissen Restaurantführern und Gastro-Journalisten, die immer gewisse Dinge fordern. Aber das Wichtige sind doch nicht die Kritiker, sondern die Gäste. Für sie ist es wichtig, Harmonie zu schaffen, Harmonie auf dem Teller, in der Getränkeauswahl, in der ganzen Atmosphäre.
Sie haben eben die Vergänglichkeit ihrer Kochkunst angesprochen. Geschmacksbilder lassen sich nicht aufzeichnen. Stimmt Sie das manchmal traurig?
Nein. Wenn ich meinen Gästen beim Abschied persönlich in die Augen schaue und erfahre, dass sie glücklich und zufrieden sind, ist mir das Lohn genug.
Diesen Monat erscheint ihr viertes Kochbuch „bau.steine". Soll dieses Buch dazu beitragen, der Nachwelt etwas von Ihrer vergänglichen Kochkunst zu erhalten?
Ja natürlich. Wenn du so ein Buch aus dem Regal holst und bedenkst, was das für einen Eindruck hinterlassen hat, andere Köche beeinflusst hat, woanders nachgekocht wird, macht dich das schon stolz. Das Kochbuch ist die einfachste Art, sein Schaffen zu manifestieren. Gepaart mit den künstlerischen Fotos ist das jetzt auch wieder ein Stück Kultur, die da verankert wird. State of the art.
Durch das Preisgeben Ihrer Rezepte machen Sie es anderen leichter, Sie nachzukochen. Haben Sie keine Angst, an Exklusivität einzubüßen?
Überhaupt nicht. Kochen kann man nicht in Rezepte packen. Die Produkte, die Art der Zubereitung, das sind alles entscheidende Faktoren. Wie reif war die Tomate in der Soße? Wann hat der Fisch den perfekten Garpunkt? Man braucht viel Gefühl und Erfahrung. Es hat viel mit Souveränität zu tun. Deshalb: Es kann immer nur nach Christian Bau schmecken, wenn’s Christian Bau selbst gemacht hat.