Sönke Wortmann zelebriert einen Familienstreit auf denkbar unterhaltsame Weise: „Der Vorname" kommt am 18. Oktober in die Kinos.
Zuzuschauen, wenn sich andere Menschen streiten, kann ganz schön Spaß machen. Das zelebriert Sönke Wortmann in seinem Film „Der Vorname". Er lässt einen Professor und seine Ehefrau, seinen Bruder und ihren Quasi-Stiefbruder zu einem gemeinsamen Abendessen zusammentreffen. Doch was als nettes Beisammensein geplant ist, artet schnell zu einer Aneinanderreihung von Auseinandersetzungen aus, bei denen sich immer wieder neue Allianzen bilden. Und in deren Verlauf Geheimnisse und Jugendsünden ans Licht kommen, die besser geheim bleiben würden.
Alles beginnt ganz harmlos: In dem gutbürgerlichen Haus von Stephan (Christoph Maria Herbst) und Elisabeth (Caroline Peters) in Bonn laufen die Vorbereitungen für ein abendliches Treffen. Elisabeth kocht etwas Indisches, zwischendurch ruft noch ihre Mutter Dorothea (Iris Berben) an, die im Alter die Vorzüge des Hippie-Lebens entdeckt hat. Und dann kommen die Gäste an: René (Justus von Dohnányi), Orchestermusiker in Köln und Thomas (Florian David Fitz), der zwar von geschichtlichen Dingen keine Ahnung zu haben scheint, aber geschäftlich sehr erfolgreich ist und immer einen edlen Wein dabei hat. Später am Abend kommt dann noch Anna (Janina Uhse) dazu, Thomas‘ Ehefrau. Die beiden erwarten ein Kind, ein Sohn ist angekündigt, und ja, es gibt auch schon einen Namen. Die Anwesenden sollen doch bitte raten; ein kleiner Tipp: Der Name beginnt mit dem Buchstaben „A".
Nach erfolglosem Raten eröffnet Thomas der verblüfften Runde, dass der Junge „Adolf" heißen soll. Die Reaktion ist ungläubig und entsetzt: Das geht doch nicht, das kann man dem Kind doch nicht antun. Und während Stephan, Elisabeth und René verzweifelt versuchen, Anna und Thomas von dem Plan abzubringen, hält der dagegen: mit durchaus sehr vernünftigen Argumenten, warum ein Name nicht bestimmen muss, wie sich ein Mensch im Leben verhält.
Die entsetzte Reaktion der sich für gebildet haltenden Menschen ist entlarvend. Und führt dem Zuschauer vielleicht auch klammheimlich seine eigenen Gedanken vor Augen. Denn, Hand aufs Herz, wer würde sein Kind schon Adolf nennen.
Charakter eines Theaterstücks
„Der Vorname" hat den Charakter eines Theaterstücks. Und da hat der Film auch seinen Ursprung: Er ist eine Neuverfilmung der französisch-belgischen Komödie „Le Prénom" aus dem Jahr 2012, die wiederum die Verfilmung eines Theaterstücks aus dem Jahr 2010 ist. Wie oft bei Verfilmungen eines Bühnenstücks lebt der Film von der Kraft seiner Darsteller, die teils sehr schrägen Dialoge aus dem Drehbuch mit Leben zu füllen. Seit der Serie „Stromberg" wissen wir, dass Christoph Maria Herbst ein Talent dafür hat, die Absurditäten des Alltags überspitzt auf den Punkt zu bringen. Auch die anderen Darsteller sind in dem Film überzeugend. Die Art, wie der Streit unter den Erwachsenen zelebriert wird, wie nach und nach die Barrieren fallen – da wird unweigerlich die Erinnerung an Roman Polanskis Verfilmung des Theaterstücks „Der Gott des Gemetzels" aus dem Jahr 2011 wach.
In Sönke Wortmanns Film bleibt es nicht bei dem Streit um den Vornamen. Nachdem die Protagonisten in Fahrt geraten sind und einige Barrieren der zwischenmenschlichen Freundlichkeit gefallen sind, kommen nach und nach Vorurteile und Geheimnisse auf den Tisch, die vielleicht besser geheim geblieben wären. Der lachende Dritte ist der Zuschauer, der der Zerstörung von mühsam aufgebauten Fassaden beiwohnen darf – auch wenn er sich in dem ein oder anderen der Charaktere vielleicht dann doch ein bisschen selbst wiederfindet.
„Der Vorname" ist eigentlich ein durch und durch gelungener Film – wenn da nicht das Ende wäre, das vom Witz her im Vergleich zum Rest des Films denkbar flach ist. Man kann es verzeihen – aber ein paar Minuten früher aufzuhören, hätte dem Film gut getan.