Deutschland läuft Gefahr, im weltweiten Wettlauf um lukrative Zukunftstechnologien und wertvolle Weltall-Ressourcen den Anschluss zu verpassen. Ausgerechnet das kleine Luxemburg möchte zum globalen Pionier des kosmischen Bergbaus werden, der sich zu einem Billionengeschäft entwickeln könnte.
„Großes entsteht immer im Kleinen": Dieses inzwischen bundesweit bekannte Saarland-Motto hat sich offenbar auch der Zwergenstaat Luxemburg zu eigen gemacht. Denn die Anfang September neu gegründete Luxembourg Space Agency (LSA) hat sich kein geringeres Ziel gesetzt, als künftig das „Silicon Valley für Weltraumressourcen" und der Pionier des kosmischen Bergbaus auf Asteroiden zu werden. Wer für diese hochgesteckten Ambitionen nur ein vorschnelles und mitleidiges Lächeln übrig haben sollte, den wird eine andere luxemburgische Erfolgsgeschichte in Sachen moderner Technologie womöglich eines Besseren belehren. Mit staatlicher Förderung war 1985 im Großherzogtum die Société Européenne des Satellites (SES) aus der Taufe gehoben worden, mit der damals noch von vielen diffamierten Idee, die Verbreitung von Fernsehprogrammen über Satellit auf den Weg zu bringen. Der Plan ging auf, SES ist heute der größte kommerzielle Satellitenbetreiber der Welt.
Mit der LSA will Luxemburg eine weltweit führende Rolle bei der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraums spielen und unter die zehn wichtigsten Raumfahrtnationen aufsteigen. Mit staatlichen Mitteln wird die Agentur private Unternehmen bei Weltraum-Forschungsprojekten fördern, wobei es kurzfristig um die Gewinnung von Rohstoffen wie Wasserstoff und Sauerstoff im All und langfristig um den kosmischen Bergbau auf Asteroiden gehen soll, bei dem dank unfassbar großer, auf oder nahe der Kleinplaneten-Oberfläche liegender und daher im Tagebau förderbarer Mengen von Edelmetallen wie Platin und Gold, Diamanten oder dringend in der modernen Industrie benötigter Elemente wie Kobalt und Lithium ein Mega-Geschäft winkt. Von den bislang mehr als 700.000 entdeckten Asteroiden befinden sich 15.000 bis 16.000 in relativer Erdnähe und könnten daher theoretisch mit Raumschiffen oder Weltraumtransportern angesteuert werden.
„Wir wollen schlaue Köpfe nach Luxemburg holen"
Wie lukrativ das Ganze sein könnte, hat die Nasa mal am Beispiel eines 210 Kilometer großen Brockens namens „Psyche 16", der zwischen Mars und Jupiter seine Bahn zieht, errechnet. Er besteht fast vollständig aus Metallen wie Eisen, Nickel und Gold. Der Wert dieser Ressourcen wurde von der Nasa auf 700 Trillionen Dollar taxiert. Was das allein für eine enorme Summe ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass bei Aufteilung des Betrags unter den rund 7,6 Milliarden Erdenbürgern jeder einzelne 92 Milliarden Dollar erhalten würde. Die Nasa plant, 2023 eine Raumsonde zu diesem Asteroiden zu schicken, um dessen chemische Zusammensetzung genauer zu analysieren. Wesentlich einfacher erreichbar wäre der zeitweise innerhalb der Erdbahn verlaufende, einen Durchmesser von 2,5 Kilometern aufweisende Asteroid „Amun 3554". Auf ihm vermuten Experten allein 10.000 Tonnen Gold und 100.000 Tonnen Platin. Deren Wert hat die 2016 gegründete privatwirtschaftliche britische Asteroid Mining Corporation (AMC), die ab 2020 zunächst mithilfe eines Teleskops und später mit Raumsonden, die Bodenproben einsammeln, weitere interessante Kleinplaneten aufspüren möchte, auf 300 Milliarden beziehungsweise 2,5 Billionen Dollar geschätzt.
„Wir wollen schlaue Köpfe nach Luxemburg holen", sagte der Sprecher des großherzoglichen Wirtschaftsministeriums, Paul Zenner, beim Start der LSA. Schon jetzt haben zahlreiche Firmen der neuen Zukunftsbranche, darunter die beiden führenden Privatunternehmen aus den USA namens Planetary Ressources und Deep Space Industries, in Luxemburg ihre Europa-Filialen eröffnet. Das dürfte ein klares Indiz dafür sein, dass sie sich nicht unerhebliche finanzielle Unterstützung ihrer Projekte erhoffen. Sie dürften zudem allesamt auch vom schnellen Tempo beeindruckt worden sein, das die Luxemburger bei ihrer Weltraummission angeschlagen haben. Denn nachdem 2016 als Vorläufer der LSA die Initiative „Space Resources" mit dem Anspruch, das „Silicon Valley für Weltraumressourcen" werden zu wollen, ins Leben gerufen worden war, wurde schon ein Jahr später per Gesetz ein rechtlicher Rahmen für den potenziellen Abbau von Rohstoffen auf Asteroiden im Weltraum abgesteckt. Demnach dürfen Firmen, die ein Büro in Luxemburg unterhalten, im All nach Rohstoffen schürfen und diese dann behalten. Nur die USA haben bereits 2015 ein ähnliches Gesetz verabschiedet. Dem Vernehmen nach wollen demnächst auch die Arabischen Emirate eine vergleichbare Regelung treffen.
Völkerrechtlich sind diese Vereinbarungen mehr als umstritten. Denn laut dem Weltraumvertrag der Uno aus dem Jahr 1967 darf sich kein Land die Rechte an fremden Himmelskörpern sichern. Weltraum und Himmelskörper sollen Eigentum der gesamten Menschheit sein. Da aber eine das Weltraumrecht konkretisierende Nutzungsordnung, beispielsweise bezüglich eines Asteroiden-Bergbaus, bislang fehlt, können sich Luxemburg, das auch jetzt schon zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes mit Weltraumaktivitäten erwirtschaftet (ein vergleichsweise hoher Wert), oder die USA mit ihren Gesetzen in einer Grauzone bewegen. Die LSA zieht einen Vergleich mit einem Fischer. Nur weil dieser Fische aus dem Meer ziehe, mache ihn das nicht automatisch zum Besitzer des Ozeans. Insgesamt haben schon 20 Staaten, darunter Russland, Peru und sogar die Mongolei, ein nationales Weltraumgesetz verabschiedet, allerdings ohne solche konkreten Nutzungsbestimmungen wie die USA oder Luxemburg.
Nationales Weltraumgesetz
Nur Deutschland, das in Sachen Luft- und Raumfahrt bislang weltweit eine Schlüsselposition einnimmt, ist noch im Tiefschlaf. Deshalb hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in einem im Sommer veröffentlichten Positionspapier die Bundesregierung dringend zur Erarbeitung eines Weltraumgesetzes mit einem gesonderten Kapital für den kosmischen Bergbau aufgefordert. Ohne eine solche Regelung hätten private Initiativen hierzulande keine Chance und ausländische Investoren würden deshalb um technologisch bestens ausgestattete deutsche Firmen einen Bogen machen. Immerhin waren zwischen 2000 und 2016 über 16 Milliarden Dollar in Weltraum-Start-ups geflossen, von denen heimische Unternehmen kaum etwas abbekommen haben. Wichtig sei laut BDI auch die Festlegung von Haftungsgrenzen der privaten Raumfahrt. Denn Unfälle bei Starts von Weltraumfähren, Havarien im All oder der Einschlag von Raketenteilen und geborgenen Weltraumrohstoffen könnten gigantische Kosten verursachen. Im aktuellen Koalitionsvertrag ist zwar festgeschrieben worden, ein Weltraumregelwerk auf den Weg zu bringen, doch bislang wurden noch keine hinreichenden Schritte zur Umsetzung getroffen. „Der erste Milliardär, den es je geben wird, ist eine Person, die die Ressourcen von Asteroiden ausbeutet", prophezeite der renommierte US-Astrophysiker Neil DeGrasse Tyson.
Allerdings dürfte das alles noch Zukunftsmusik sein. Zunächst einmal müssen ertragsreiche Himmelskörper registriert werden, die sich im kosmischen Maßstab gesehen nahe zur Erde befinden, also zwischen Mars und Jupiter. Dann müssen Raumschiffe, raketengetriebene Weltraumtransporter und interplanetare Minenfahrzeuge entwickelt werden. Dann müsste geklärt werden, wie Roboter oder andere Geräte auf den Gesteinsbrocken aufsetzen und tätig werden können, wo keinerlei Schwerkraft herrscht. „Man kann da ja nicht einfach eine Spitzhacke ansetzen und Gesteinsbrocken heraushacken, ohne dass alles durch die Gegend fliegt", so Klaus Jäger vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Vom Rücktransport der tonnenschweren Rohstoffe zur Erde ganz zu schweigen. Falls das tatsächlich gelingen sollte, steht zu befürchten, dass die Preise für bislang seltene und daher kostbare Edelmetalle angesichts der kosmischen Mengen gewaltig unter Druck geraten könnten. Wohl am ehesten könnte es in absehbarer Zeit gelingen, mit auf Asteroiden geborgenem Wasser Treibstoff für Raumfahrzeuge im All aus Wasserstoff und Sauerstoff zu erzeugen. Und womöglich könnte mit ausgewählten Himmelskörper-Rohstoffen direkt im Kosmos eine neue Weltraumindustrie aufgebaut werden.