Man muss in dieser Zeit an so manches denken, auch wenn einem noch gar nicht so recht danach zumute ist. Pflanzen winterfest machen, prüfen, ob die Winterreifen vom letzten Jahr noch taugen, bevor im November alle plötzlich dran denken. Oder an Grundsätzliches, wozu uns bevorstehende Jahrestage ermuntern sollen. Irgendwie klingt das alles anstrengend, irgendwie auch nötig. Das mit den Pflanzen und den Reifen leuchtet noch ein. Aber die Gedenktage?
Ob der doppelte Anlass zu Willi Graf und der Weißen Rose oder der vielfache und facettenreiche deutsche 9. November, es wird keine Rede geben, in der nicht die besondere Aktualität betont wird. Und die Notwendigkeit, insbesondere junge Menschen damit zu konfrontieren. Die ideenreichen Bemühungen dazu sind aller Ehren wert, auch wenn sie eine kleine Frage offen lassen: Was werden sich die jungen Menschen, die sich damit womöglich erreichen lassen, danach fragen, wenn sie sich das Verhalten ihrer Elterngeneration ansehen und viele von deren Sprüchen mitkriegen wie auch das Treiben, das sich ihnen in Schlagzeilen und Nachrichten auftut?
Mich beschäftigt seit Jahren ein Satz, der mich, was selten vorkommt, zunächst sprachlos gemacht hat: „Schafft den Geschichtsunterricht ab." Begründung: Die Menschen lernen doch nichts aus der Geschichte! Widerspruch, hätte ich gerne gerufen, und wäre schnell in die Falle eben jener Nachrichten getappt, denen man sich nicht entziehen kann. „Die Welt hat nichts dazu gelernt", wird einer der letzten Zeitzeugen aus Bergen-Belsen zitiert. „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart", sagte einst Bundespräsident von Weizsäcker. Beides stimmt. Mahnende Worte zu diesen Tagen verschwinden schnell hinter den nächsten Schlagzeilen, dem Pflanzen-Versorgen und Reifenwechsel. Ob wir aus den Erfahrungen früherer Generationen lernen oder es vorziehen, alle Fehler selbst noch einmal machen zu wollen, liegt an uns. Dass wir das frei entscheiden können, ist keine Selbstverständlichkeit. Auch nicht, ob wir diese Freiheit unseren Kindern weitergeben. Dafür, sagte Willi Graf, trägt jeder die ganze Verantwortung.