Klassisch französische Küche finden Florian Glauert und sein Team einfach gut. Alt oder staubig will das Team vom „Duke" darin aber keinesfalls werden. Deshalb nimmt der Küchenchef aus dem Ellington Hotel immer wieder neue kulinarische Abzweige und entführt die Gäste gern beiläufig nach Asien oder in den Orient.
Wer sich im „Duke" oder im Ellington Hotel einfindet, hatte womöglich schon einmal vorher in dem neusachlichen Bau aus den späten 20er-Jahren mit seinen charakteristischen Fensterbändern zu tun – in den 80er-Jahren als Besucher des New-Wave-Clubs „Dschungel" oder in der Landesfinanzdirektion. Doch in der Jetztzeit zollen das Hotel und das Restaurant eher dem jazzigen Teil der Vergangenheit Respekt. Im Jazzclub „Badewanne" im Haus traten in den 50er- und 60er-Jahren Größen wie Count Basie, Ella Fitzgerald und Duke Ellington auf. Und wir haben nun die Mission „Gutes Essen", die uns beim gläsernen Jazz-Radio-Studio ins Restaurant „Duke" abbiegen lässt. Wir widmen uns der klassisch französischen basierten, aber freigeistig weiterentwickelten Feinschmeckerei à la Florian Glauert.
So ist es nur „Logique", wie Glauert sein Menü bezeichnet, das uns der Spätsommer mit Kürbis und Ziegenkäse freundlich orangefarben beglückt. Das Gericht nimmt von seiner klassischen Basis ausgehend bald einen ungewohnten asiatischen Abzweig. Die Ziege wurde in ein leichtes Käse-Sorbet verwandelt und auf einen mit Koriander und Limette verfeinerten Edamame-(Bohnen-)Sockel gelegt. Ein Stängel Kai Lan, chinesischer Brokkoli, ist von Erdnuss-Miso umhüllt und verbreitet gemüsige Anmut auf einem leuchtenden, leicht gebundenen Kürbissaft-Spiegel. „Nimm von dem braunen Klecks dazu", fordert mich die Begleiterin auf, die von der in Berlin gebrauten und von der Küche nochmals einreduzierten Sojasoße als aromatischem Kontrapunkt hochentzückt ist. Ich beiße beherzt in eine kleine Kürbis-Dreiviertelkugel, tippe kurz den Tupfer Sojasoße an. Nehme einen Bissen vom Kürbis-Chip zum Käse-Sorbet und genieße das Spiel der unterschiedlichen Texturen und Aromen. „Da kommt immer wieder etwas Unerwartetes von hinten", sagt die Begleiterin. „Edamame mit Limetten, wer rechnet schon damit?" Das Gericht leuchtet in orangefarbenen Schlieren auf schlichten, sehr weißen KPM-Tellern noch länger nach. Vor nicht allzu langer Zeit fiel die Wahl auf das Geschirr aus der traditionsreichen Berliner „Königlichen Porzellan Manufaktur". „Die KPM steht für hochwertige Handarbeit, Modernität und Flexibilität gleichermaßen", sagt Glauert. „Darin finden wir uns wieder."
Freude am Sinnesverwirrspiel
Für die Farbe auf dem Teller und gebührende Theatralik sorgt das Essen selbst, wie wir beim „Meergang" deutlich sehen. Auf der Karte dezent als „Hiramasa Kingfish mit Meeresfrüchten und Pflanzen" ausgewiesen, kommt ein feinsinnig komponiertes „Korallenriff" zu uns. Der Kingfish ist das zartfarbene Grundelement, um das sich in Blau, Grün, Rot und Braun die „Korallen" drapieren. In Miesmuscheln lagern „Ocean Pearls" auf Muschelfleisch. Sie geben beim Verzehr eine kraftvolle Dashi-Brühe – und treiben Muschel, Fisch und Pulpo-Kringelchen energisch vor sich her. Passepierre-Algen halten aufrecht Wacht über Tobiko-Kaviar, getrocknete Shrimps und Krebs-Tatar. Obwohl sich Glauert und sein Team „näher am Schmorbraten als an der Espuma" sehen, hat der Chef de Cuisine ganz klar seine Freude am Ausflug ins Spät-Molekulare und am Sinnesverwirrspiel. Nichts ist so, wie es zu sein scheint: Frittierte Rotalgen enthüllen ihr wahres Ich als knuspriger „Algenspeck". Das einzige Blatt, das nicht aus dem Meer kommt, schmeckt am stärksten danach. Das bläuliche „Oyster-Leaf" ist zweifellos eine verwunschene vegetarische Auster. Dieser Teller wäre ideal zum Blindverkosten, aber viel zu schade wär’s um die feinziselierte Optik. Wir lassen die Augen lieber offen und finden uns mit den Füßen im Meer, vielleicht in der Bretagne, wieder. Selbstverliebte Spielerei ist das keineswegs – jede Komponente fügt dem Mini-Meer eine neue Nuance oder Textur hinzu.
So wie sich Florian Glauert und seine Souschefs Marco Müggenburg und Marco Rahl ihre Ausflüge nach Asien oder in den Orient gönnen, schweift auch Restaurantleiterin und Sommelière Babette Pflügl abseits bekannter Pfade. Sie brachte ihre Leidenschaft für handgemachte Premium-Sakes ins „Duke" mit. Eine neue Welt jenseits lauwarmer Flüssigkeiten in Steinzeug-Schälchen tut sich uns in hochstieligen Gläsern auf. Zum Kürbis schenkt uns Hannes Hinz vom Service aus einer apricotfarbenen Flasche ein prizzeliges Kaltgetränk ein. Der in der Flasche gegorene „Sparkling Sake" mit seinem Litschi-Aroma und Noten von Aprikosen und Mandarine hat vom Mundgefühl her mehr mit Champagner und gehobenem Sodawasser zu tun als mit Reis-„Wein". Ja, wirklich, das ist der perfekte Aperitif. Er zeigt, wie aufregend sich Reis und Wasser miteinander verbinden können und erfreut uns auf leichtem Fuße tänzelnd. Seinen vollen Geschmack gewinnt dieses Premium-Modell durch die Verarbeitung von 75 Prozent poliertem Reis, sagt Hannes Hinz: „Je höher der Anteil des polierten Korns, desto intensiver der Geschmack."
Ein ähnliches Gaumenerlebnis bietet uns der zum Rotdessert gereichte Sake mit Yuzu. „Das ist der japanische Limoncello", meint die Begleiterin. „Auch wenn das die Japaner bestimmt nicht gern hören." Auf dem Dessert-Teller „Viele Früchte – monochrome" beweist die Küche nun ihre sinnestäuschenden Fähigkeiten auf der süßen Strecke. In Nuancen von Zartrosa bis zu dunklem Burgunder spielt ein Mix aus Beeren und Granatapfelkernen in unterschiedlichen Formen und Strukturen. Ein violetter Creme-Schwebebalken reiht sich an einen rosafarbenen Zylinder; „blutiges" Sorbet, wie der Fotograf sagt, arrangiert sich mit gelierten Streifen, Tupfen und frischen „Ribiseln", sagt die begleitende Wienerin. Boten beim Meeresteller unterschiedliche Tierchen und Blätter noch Anhaltspunkte fürs Auge, ist das Rot der Früchte so nivellierend, dass die Geschmacksknospen umso intensiver und überraschter angesprochen werden. Mit Sicherheit werden wir dem Wein, der sich vom blumig-leichten Sauvignon Blanc vom Pfälzer Weingut Hollerith über einen leicht angeholzten Chardonnay-Weißburgunder von Peth-Welz bis zum Kimeshu-Pflaumenwein vorarbeitet, an diesem Abend so gar nicht gerecht. Vor Begeisterung über die Entdeckung der großen Sake-Vielfalt haben wir sie ein wenig links liegen lassen. „Viele Gäste kombinieren die Sake- mit der Weinbegleitung", erzählt Hannes Hinz. Gut zu wissen fürs nächste Mal. Die Drei- oder Fünf-Gang-Menüs werden für 59 oder 79 Euro gereicht; die Weinbegleitung ergänzt für 26 oder 42 Euro. Bei der Sake-Begleitung müssen 34 oder 49 Euro einkalkuliert werden.
Menüs mit drei oder fünf Gängen wählbar
Der Fotograf ist sehr angetan von der nur mit geräucherter Butter und Gemüsevinaigrette warm gezogenen Bachforelle mit geräuchertem Aal. Steinpilzpüree, Kartoffelstaub und ein pfeilartiger, angebratener Steinpilz weisen den Fischen den Weg in den Herbst. „Sehr weich und mit den geräucherten Noten ein schöner Kontrast", befindet er. Mein Fall ist der Herbst eher in seiner sehr geerdeten Form. Ein Kranz von Gnocchi mit Herbsttrompeten, sous vide gegarten Rinderherz-Würfeln, Artischocken und Piemonteser Haselnüssen erfreuen mein Auge und meinen Gaumen. Sie bekommen großen Tiefgang durch eine einreduzierte Jus aus Entenfüßen, die mit Entenleber abgebunden wurde.
Ehe wir uns versehen, ist Florian Glauert mit dem Hauptgericht in den Süden abgebogen. Mit einem Streifen Presa Bellota vom Iberico-Schwein, einem Balken gebratenem Pulpo und einem Pan Tomate entführt er uns nach Spanien. Die dunkle, mit Paella-Gewürzen aromatisierte Soße lässt an „Surf ’n’ Turf" denken, wenngleich sich im Land selbst bäuerliche und maritime Tradition nicht unbedingt auf einem Teller treffen. Zitronengel, als Tupfer auf dem breiten Tellerrand dargeboten, gefällt mir besonders gut zum Schwein. Oder darf’s, etwas klassischer, vom schwarzen Knoblauch-Püree dazu sein? Vielleicht ist der Gang eine Reminiszenz an Glauerts Zeit in Barcelona. Seit sieben Jahren führt der 41-Jährige die kulinarische Regie im Ellington Hotel und ist der Herr über 40 Mitarbeiter allein in der Küche. Nachvollziehbar solle seine Küche sein, erklärbar und transparent, sagt er. Das gelingt ihm auch, wenngleich mit charmantem Verwirrspiel der Sinne – die Dinge sind nicht unbedingt das, was sie zu sein scheinen. „Wenn man die Tür zumacht und das Menü schon vergessen hat, dann war’s nicht so gut." Das ist uns nach dem Verlassen des Gebäudes definitiv nicht passiert. Dazu hat nicht nur das „Care-Paket" mit Pralinés für den süßen Nachhall für zu Hause seinen Teil beigetragen.