Dieter Ludewig ist Chef-Concierge mit Herz und Seele im Wiener Traditionshotel „Bristol". Er kennt sich aus mit Luxus und den Legenden eines Hauses mit wechselvoller Geschichte.
Sobald man die Lobby des Hotels „Bristol" betritt, scheint es, als sei hier die Zeit stehengeblieben. Auf dem Boden sind große Kacheln in Schwarz und Weiß, die Wände sind aus Marmor, an der Decke hängt ein Kronleuchter. Man fühlt sich für einen Moment in die elegante Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts versetzt. Das könnte auch an der alten Standuhr liegen, die einem gleich ins Auge fällt. Ein wahres Prunkstück aus Mahagoni, fast drei Meter hoch, mit Mondphasen, einem Kalendarium und einem Planetenkreis ausgestattet. Die Uhr, ein echter Hingucker, ist eine geflügelte Statue die eine Sanduhr als Allegorie der Zeit hoch hält. Ein Geschenk aus Holland aus dem 18. Jahrhundert. Dieter Ludewig, der Chef-Concierge, freut sich über die staunenden Blicke der Gäste. Wenn man Glück hat, kann man zuschauen, wie er die alte Uhr noch von Hand aufzieht. Leise tickt die alte Standuhr. Direkt gegenüber der Wiener Staatsoper liegt das exklusive Hotel „Bristol". Ein Ur-Wiener Hotel, eine der feinsten Adressen in der österreichischen Hauptstadt, das als Wahrzeichen der Wiener Eleganz gilt. Das traditionsreiche Hotel, im unverwechselbaren Art-Déco-Stil gehalten, befindet sich im Eigentum des Familienunternehmens Sacher Gruppe und wird von Marriott International unter der Marke „The Luxury Collection" geführt."
Das Luxushotel erlebte eine wechselvolle Geschichte und war unter anderem 1945 das Hauptquartier der US-amerikanischen Besatzungsbehörde. Die Einschläge im Messinggeländer des eleganten Treppenhauses würden vom Gewehrkolben eines Soldaten zeugen, heißt es. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das „Bristol" zwischenzeitlich als amerikanisches Hauptquartier genutzt. Ab dem fünften Stock wurde der Aufgang zur kunstvoll frei schwebenden Treppe, um die Jugendstil-Spiegel zu erhalten.
Die unübertroffene Lage am Opernring wurde 1892 von Andreas Kührer eröffnet, als es noch moderne Pferdekutschen gab und die damaligen Taxis, die Fiakers, vor der Tür hielten. Zu der Zeit hieß der Portier noch Wagenmeister. Doch damals wie heute ist der Concierge im vornehmen Vestibül des Hotels der wichtigste Ansprechpartner. Dieter Ludewig ist der, der die Gäste willkommen heißt, der ihnen einen ersten Eindruck, die erste Stimmung vermittelt, auf erste Erkundungen behutsam eingeht. Und das kann der aus der Steiermark stammende Concierge mit dem unverwechselbaren Wiener Charme ganz wunderbar.
Ein Mann von Welt, der die Wünsche der Gäste aus aller Welt ernst nimmt. Höflich und zuvorkommend kümmert er sich um die Fragen der Hotelgäste. Wo sie ihr Auto parken und einen Platz im Restaurant reservieren können, ein Taxi oder Theaterkarten bekommen. Er weiß, was in der Stadt gerade „in" ist, welche Ausstellungen es aktuell gibt, kennt die Tangosalons in Wien, die Spielpläne der Theater und wie man da hingelangt. Er kennt sich aus, wo man gut essen gehen kann, welches Wiener Café die besten Kaffeespezialitäten hat oder wo es einen traditionellen Afternoon Tea gibt – nämlich am offenen Kamin in der „Bristol Lounge". Kein Tag gleicht dem anderen, jeder Gast ist individuell.
„Ich bin eine Art Bot-schafter meiner Stadt"
Mit täglich neuen Fragen wird Dieter Ludewig konfrontiert. Seit über 20 Jahren ist er im „Bristol". Die Hotellerie sei „sein Ding". Nach dem Besuch der Hotelfachschule ging er zunächst nach Zürich und war dort in einem renommierten Hotel im Service tätig. Im Wiener „Bristol" arbeitete er die ersten zehn Jahre an der Rezeption. „Dann kam mein Interesse für den Concierge. Das war wie eine göttliche Berufung. Kein Beruf, sondern eine Herzensangelegenheit", sagt Dieter Ludewig überzeugt und legt die Hände mit großer Geste auf seine Brust. Der häufigste Satz am Tag, wenn er den Wiener Stadtplan vor dem Gast aufschlägt, lautet: „Wir sind jetzt hier." Dann führt er mit leicht geschwungener Hand den Stift zu den gewünschten Zielorten und kreist diese rot ein. „Als ich noch an der Rezeption stand, hatte ich nach getaner Arbeit Feierabend. Jetzt als Concierge mache ich mir dann noch Gedanken über kompliziertere Ansinnen der Gäste oder recherchiere, was es Neues in der Stadt gibt. So bleibe ich ständig am Puls der Zeit."
Das große Kulturangebot der Stadt kommt ihm in seinem Beruf zugute. „Als Concierge bin ich eine Art Botschafter meiner Stadt. Es macht mir Freude, den Besuchern geheimnisvolle Orte und die verborgenen Schätze Wiens nahezubringen."
Viele Wiener Sehenswürdigkeiten liegen dem „Bristol" beinahe zu Füßen. Eine perfekte Lage. Direkt hinter dem Hotel beginnt die Kärntner Straße, eine Einkaufsmeile mit zahlreichen edlen Boutiquen, traditionellen Cafés und Geheimnis umwobenen Ecken und Kanten. Am Ende ist der berühmte Stephansdom, das Wahrzeichen der Stadt. Kunstverständnis, ein gutes Netzwerk und Ortskenntnisse sind das A und O für Dieter Ludewig. Er versucht für seine Hotelgäste so gut wie alles zu ermöglichen. Professionell, diskret. Ein „Nein" gibt es für ihn nicht. Ausschlaggebend für die Wahl des „Bristol" war sein Interesse für klassische Musik. „Da war unser Haus mit dem atemberaubenden Blick auf die Staatsoper genau richtig für mich. Manche Opernsänger wohnten bei uns vor ihren Aufführungen über mehrere Monate hinweg. Das war ein wahres Privileg für mich, ihnen immer mal zwischendurch hinter geschlossenen Türen bei ihren Proben zuzuhören. Oder den Sängerinnen, wenn sie ihre Stimmübungen machten. Wo sonst kann man das noch erleben? Das berührt mich sehr." Ein eigenes Instrument spiele er leider nicht. Ein Musikanalphabet sei er, der noch nicht einmal Noten lesen könne. Aber zum Glück habe er ja seinen CD-Player. Wien, die Hauptstadt der Musik. Nein, von hier will er nicht mehr weg.
Und überhaupt, wer habe nicht schon alles in diesem Hotel residiert, schwärmt er. Viele Persönlichkeiten folgten dem Ruf des legendären Hotels zur Wiener Staatsoper. Besucher wie Leonard Bernstein, Herbert von Karajan, Giacomo Puccini, Yehudi Menuhin, Luciano Pavarotti, Artur Rubinstein, Paul McCartney, Leonard Cohen, Shakira, Kofi Annan, Catherine Deneuve, Barbra Streisand, Shirley Bassey oder Desmond Tutu und Wim Wenders.
Viele der 150 Zimmer, darunter 24 Suiten, geben den Gästen das Gefühl, in der glanzvollen „Belle Époque" mit dem eleganten Interieur-StiI einzutauchen. Besonders mit dem einzigartigen Blick auf die Staatsoper hinter plüschigen Vorhängen, die schon fast an eine Loge erinnern. Höhepunkte sind die Opern-Suiten und die Prince-of-Wales-Suite, in der König Edward angeblich – nach einer leidenschaftlichen Nacht mit der Amerikanerin Wallis Simpson – entschieden haben soll, auf die britische Thronfolge zu verzichten.
Dieter Ludewig wohnt am Rande von Wien in einem der Außenbezirke. Wenn sein Arbeitstag dann doch einmal zu Ende geht, braucht er etwas Abstand. „Im 1. Bezirk würde mein Feierabend immer mit Arbeit verbunden bleiben", da ist er sich sicher. „Reisen und Freizeit müssen ein Kontrastprogramm zum gewohnten, anspruchsvollen Luxus des Hotels sein", meint er. Urlaub in einer kleinen Berghütte oder am Kärntner Weißensee könne er sich gut vorstellen. Gern ist er auch im Wiener Wald mit dem Mountain Bike unterwegs.
Überraschen kann ihn nichts mehr
Im „Bristol" fühlt sich Dieter Ludewig angekommen. Der Concierge trägt stolz das Abzeichen „Clefs d‘Or" des berühmten Concierge-Berufsverbandes am Revers. Zuvorkommend, höflich und diskret stellt sich der Mann mit den goldenen Schlüsseln auch den seltsamsten Extrawünschen und Extravaganzen. „Besonders gefällt mir, dass ich auf die Menschen eingehen kann. Überraschen kann den Concierge nichts mehr. Verschmitzt erzählt er von seiner Begegnung mit einer berühmten Schauspielerin. „Sie logierte bei uns und äußerte die Bitte, dass wir für ihr Hündchen eine Rampe anfertigen, damit die Kleine bequem auf das Bett hochsteigen könne. Obendrein spannten meine Kollegen und ich noch eine Rasenrolle auf dem Balkon aus, sodass sie dort Gassi gehen konnte. Wir machen alles bis auf Herztransplantationen", verspricht Dieter Ludewig augenzwinkernd.
Das „Bristol" ist in einem ständigen Wandel. Auch am digitalen Zeitgeschehen kommt es nicht vorbei. Fragten früher die Gäste vor allem nach Opernkarten, buchen sie diese über das Internet heute selbst. Trotzdem seien die persönliche Beratung und das Insiderwissen eines Concierge in Luxushotels nicht wegzudenken. „Darum müssen wir smarter sein als jedes Smartphone", sagt der 50-Jährige mit seinem schönsten Lächeln.
Insbesondere die schon etwas ältere Generation brauche die persönliche Zuwendung. „Der Umgang mit ihnen führt mich zu einem anderen Blick auch auf meine eigenen Eltern. Ich kann mich besser in sie einfühlen, sehe sie mit Würde und Respekt. Das Schönste an meinem Beruf ist immer, wenn ich meinen Grips einschalten muss, denn wir sind ja nicht nur eine Art Auskunftsbüro. Je ausgefallener die Frage, desto lieber ist es mir. Und ich fühle mich wie in einem Endorphinrausch, wenn ich für unsere Gäste das scheinbar Unmögliche möglich machen konnte und sie dann hocherfreut staunen: ‚Wie Sie das wieder hingekriegt haben‘. Das macht mich glücklich, vielleicht vergleichbar mit dem Sänger auf der Bühne, wenn ihm der Applaus entgegenströmt. Nein, hier gehe ich nicht mehr weg. Hier bleibe ich bis zum Schluss."