Die Schlümpfe eroberten vor 60 Jahren geradezu im Sturm das Comic-Genre. Bis zu diesem Zeitpunkt dominierte der US-Markt die Welt der gezeichneten Helden. Erstmals erschienen die blau-weißen Wesen des Belgiers Peyo am 23. Oktober 1958.
Sie einen entschließen sich eines Tages, erwachsen zu werden. Die anderen, die das nicht wollen, zeichnen Comics. Das mache ich, sehr ernsthaft ‒ aber ohne mich selbst ernst zu nehmen." Auch wenn es sicherlich noch andere Möglichkeiten gibt, sich das Kind im Manne zu bewahren, so hat Peyo, der Vater der Schlümpfe, doch damit eine einleuchtende Erklärung für seine lebenslange Leidenschaft gefunden. Die geheimnisvollen Wesen mit leuchtend-blauer Haut, weiß farbenen phrygischen Mützen und größtenteils einheitlich weißen, die Füße umschließenden Hosen, sind wohl mit die berühmtesten europäischen Comicfiguren aller Zeiten. Sie haben ihren am 24. Dezember 1992 verstorbenen Schöpfer auch dank eines genialen Merchandising-Konzeptes zu einem wohlhabenden Mann gemacht.
Seine beiden Kinder Thierry und Véronique Culliford verwalten mit ihrem südlich von Brüssel gelegenen Studio Peyo samt Vermarktungsfirma I.M.P.S. nicht nur das Erbe des Vaters, sondern sorgen dafür, dass die Begeisterung für die Geschichten rund um die Zauberwaldgeschöpfe aus Schlumpfhausen mit seinen fliegenpilzförmigen Häusern von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die drei abendfüllenden Hollywood-3D-Kinofilme – eine gelungene Mischung aus Real- und Computeranimation – aus den Jahren 2011 „Die Schlümpfe", 2013 „Die Schlümpfe 2" und 2017 „Die Schlümpfe ‒ Das verlorene Dorf", dessen Produktionskosten mit 60 Millionen Dollar angegeben wurden, haben weltweit eine neue Begeisterung für die däumlinggroßen Winzlinge entfachen können. Ein weiterer Kinostreifen ist zwar derzeit nicht in Planung, dafür arbeitet aber ein französisches Unternehmen an einer neuen Schlümpfe-TV-Zeichentrick-Serie, die in zwei Jahren produziert werden soll.
Zeichentrick-Serie soll in zwei Jahren fürs TV produziert werden
Peyo, der mit bürgerlichem Namen Pierre Culliford hieß, wurde am 25. Juni 1928 in Brüssel geboren. Der Vater war englischer Herkunft, die Mutter Belgierin. Von seiner Kindheit ist überliefert, dass er sich schon früh für das Lesen von Comics begeisterte und auch liebend gern zum Zeichenstift gegriffen hatte. Vor allem die Arbeiten seines belgischen Landmanns Hergé, der ab 1929 mit den Comicfiguren „Tim und Struppi" für Furore gesorgt hatte, und die von Walt Disney hatten es ihm besonders angetan. Nach dreimonatigem Studium an der Brüsseler Akademie der Schönen Künste fand er im Alter von 17 Jahren eine Anstellung beim Brüsseler Trickfilmstudio CBA. Ähnlich wie sein etwa gleichaltriger Landsmann und Kollege Morris, dem Schöpfer von „Lucky Luke", debütierte Culliford als Trickfilmzeichner. Neben Morris lernte er bei CBA auch seinen besten Freund und späteren Förderer André Franquin kennen, der direkt nach dem Krieg zum Star-Zeichner des beim Verlag Dupuis im französischen Charleroi erscheinenden Comic-Magazins „Spirou" werden sollte und dem die Comic-Welt Figuren wie „Spiro und Fantasio" zu verdanken hat. Da sich CBA nach Kriegsende nicht gegen die überstarke US-amerikanische Konkurrenz behaupten konnte, wechselte Culliford als Illustrator in die Werbebranche.
Nebenbei begann er erste kleine humoristische Comics in diversen Zeitungen zu veröffentlichen. Da sich Culliford für das Mittelalter interessierte, war es nicht verwunderlich, dass er im April 1946 die ersten Abenteuer seiner Figur Johann, einem seinem König treu ergebenen Pagen, in der Brüsseler Boulevard-Zeitung „La dernière heure" auf einer mittelalterlichen Burg ansiedelte. Auf das Pseudonym Peyo war er durch Zufall gekommen, weil sein englischsprachiger Neffe seinen Vornamen Pierrot nur in genau diesem Wortklang über die Lippen bringen konnte. 1949 schuf er für die auflagenstärkste belgische Tageszeitung „Le Soir" die Comic-Figur eines schwarzen Katers namens „Pussy", deren Abenteuer dort bis 1955 erschienen und später ab 1965 auch im Magazin „Spirou" eine Fortsetzung finden sollten. Auch die Episoden rund um den Pagen Johann wurden ab 1950 in „Le Soir" publiziert.
Erster Auftritt in der Erfolgsserie „Johann und Pfiffikus"
Dank der Fürsprache von André Franquin erhielt Peyo 1952 das ersehnte Engagement bei „Spirou", wo er ganz unterschiedliche Genres wie Western- oder Piraten-Comics bearbeiten musste, bevor ihm die Verlagsleitung 1954 freie Hand für seine erste richtige Erfolgsserie „Johann und Pfiffikus" erteilte. Der vormals blond gelockte Page musste allerdings nun in schwarzer Haartracht daherkommen, und ihm wurde der Hofnarr Pfiffikus an die Seite gestellt. In der neunten Episode der Serie, die am 23. Oktober 1958 unter dem Titel „La flûte à six trous" erschienen war und später in Deutschland als „Die Schlümpfe und die Zauberflöte" bekannt wurden, tauchten erstmals Schlümpfe als Nebenfiguren und Begleiter der beiden Hauptprotagonisten in einem verwunschenen Wald auf.
Die Leser waren von den blauen Wichten so begeistert, dass der legendäre „Spirou"-Chefredakteur Yvan Delporte Peyo den Auftrag erteilte, eine eigene Schlümpfe-Serie zu kreieren. Die ersten sechs Geschichten wurden nur in „Mini-récit" getauften, vierseitigen Bastelbüchern publiziert, weil Delporte anfangs nicht glaubte, dass es eine dauerhafte Nachfrage für Schlümpfe-Geschichten geben könnte. Er sollte eines Besseren belehrt werden, weshalb die Serie ab 1962 zum festen Bestandteil des Magazins „Spirou" wurden und die Schlumpfwelt bald auch albenfüllend vermarktet wurde konnte. Bis zum Todesjahr Peyos 1992 erschienen 16 Alben, inzwischen ist die Zahl auf 36 angestiegen. Die letzten beiden trugen die Titel „Die Schlümpfe und die lila Bohnen" sowie „Die Schlümpfe und der Drache vom See", die vom Bielefelder Splitter Verlag publiziert wurden, der seit 2011 alle Alben in großformatigem Hardcovern komplett wiederveröffentlicht hat. Früher waren deutsche Linzenzausgaben von Kauka, Carlsen und Bastei herausgebracht worden. Allerdings feierten die blauen Winzlinge ihre Deutschland-Premiere 1969 in einem „Fix und Foxi"-Band des Kauka-Verlags.
Obwohl Peyo mit den Schlüpfen arbeitsmäßig voll ausgelastet war, hatte er 1960 auch noch die Superhelden-Parodie „Benoît Brisefer", die in Deutschland unter dem Titel „Benni Bärenstark" bekannt werden sollte, an den Start gebracht. Wie die Schlümpfe-Serie, so zeichneten sich all seine Comics durch einen poetisch-humoristischen Erzählstil aus. „Von allen Comic-Autoren, die ich getroffen habe", sagt Yvan Delporte, „war Peyo unbestritten der beste Geschichtenerzähler."
Alles dreht sich in der reinen Männergemeinschaft, mit Ausnahme von Schlumpfine, um den weißbärtigen Papa Schlumpf. Nachwuchs wird nicht geboren, sondern vom Storch gebracht. Die Mitglieder unterscheiden sich nur durch ihre spezifischen Fähigkeiten oder Eigenschaften, beispielsweise Brillenschlumpf, Finanzschlumpf oder Doktorschlumpf. Das größte Ungemach droht Schlumpfhausen durch den Zauberer Gargamel. Die Schlümpfe haben eine eigenartige Sprache, in der wahlweise Verben oder Substantive durch Abwandlungen des Wortes „Schlumpf" ersetzt werden. Die Storys folgen einer schlichten Konzeption und sind daher genau richtig für Kinder. Dass sich auch Erwachsene davon angesprochen fühlen, mag damit zusammenhängen, dass die Geschichten auch Allegorien für das menschliche Zusammenleben bieten.
Ende der 60er-Jahre waren Schlümpfe schon so erfolgreich, dass Peyo die Arbeit nicht mehr allein schaffen konnte, weshalb er ein eigenes Studio gründete und Nachwuchszeichnern die Umsetzung der von ihm ausgetüftelten Abenteuer überließ. Den großen internationalen Durchbruch verdankte Peyo dem 1975 erschienenen Kinofilm „Die Schlümpfe und die Zauberflöte". Vor allem, da Peyo, ganz wie sein Vorbild Walt Disney, eine clevere Merchandising-Maschinerie in Bewegung setzte, bei der die Kunststoff-Sammlerfiguren, die schon seit 1965 von der Firma Schleich aus Schwäbisch-Gemünd und ab 1973 auch vom Unternehmen Bully produziert wurden, nur die erfolgreichste von vielen Vermarktungsmöglichkeiten sein sollten.
Siegeszug der Schlümpfe in den USA
Auch der legendäre, weltweit erfolgreiche Song „Das Lied der Schlümpfe" des Niederländers Vader Abraham aus dem Jahr 1977, der sich 48 Wochen lang in der deutschen Hitparade behaupten konnte, trug zur weiteren Popularisierung der Schlümpfe bei, die als „Tekkno-Schlümpfe" musikalisch auch 20 Jahre später noch die Kinderzimmer durch schlumpfige Cover-Versionen bekannter Hits stürmen sollten. Geradezu sensationell war schließlich der Erfolg der europäischen Comic-Serie in den USA. Dort produzierte das Trickfilmstudio Hanna-Barbera für NBC zwischen 1981 und 1989 sagenhafte 272 Episoden in neun Staffeln der Serie „The Smurfs", die von über 200 amerikanischen Fernsehsendern ausgestrahlt wurden.
Natürlich waren diese auch jahrzehntelang auf verschiedenen deutschen Kanälen, beginnend mit dem ZDF im April 1983, zu sehen. Übrigens: Der Name „Schlumpf" oder ursprünglich „Schtroumpf" entstand aus einer Wortspielerei. Als Peyo bei einem gemeinsamen Urlaub an der Nordsee mit André Franquin beim morgendlichen Frühstück partout das Wörtchen Salzstreuer nicht einfallen wollte, bat er seinen Freund darum, ihm „le schtroumpf" herüberzureichen.