Wie erleben US-Amerikaner in Deutschland die Midterms? Hat sich der Umgang mit deutschen Freunden verändert? Und wie nehmen sie die politische Lage weit weg von der Heimat wahr? Die Airbase Ramstein ist der größte Stützpunkt der US-Armee auf deutschem Boden. Dort über Politik zu sprechen ist seit der Wahl Trumps jedoch ein Tabu.
Ein Burgerlokal in der Kaiserslauterer Innenstadt. Menschen gehen ein und aus, sie bestellen Mittagessen und unterhalten sich. Über das Wetter. Über Sport. Doch über Donald Trump reden? Das will hier niemand. Es war der Tipp des Deutsch-Amerikanischen Bürgerbüros in der Pfälzer Großstadt, auf der Suche nach US-Amerikanern zunächst im Diner auf Spurensuche zu gehen. Doch es ist ein ungeschriebenes Gesetz, sagt ein Mann: „Wir reden nicht über Religion und wir reden nicht über Politik." Die Amerikaner gelten als Meister des Smalltalks. Doch ungezwungen über die Midterms sprechen? Das lässt man lieber bleiben. Vor allem in Zeiten, in denen Donald Trump die Vereinigten Staaten regiert. Eine Frau versucht zumindest, die Diskussion über den Präsidenten in Worte zu fassen: „Manchmal gibt es in der weiteren Verwandtschaft jemanden, der sich unmöglich benimmt", erklärt sie. „Dann wird der auf Familienfeiern totgeschwiegen und eine Zeit lang geht das gut. Aber in dem Fall hat der ‚Verwandte‘ Bedeutung und Macht und kann viel Negatives bewirken, wenn er will." Das Thema Politik – es ist und bleibt bis auf wenige Ausnahmen ein Tabuthema. Findet sich doch jemand, der etwas sagen will, tut er das anonym.
Die Soldaten bleiben im Privatleben meist unter sich
Auch beim Deutsch-Amerikanischen und Internationalen Frauenclub Kaiserslautern findet sich zunächst niemand, der offen über die aktuelle politische Lage über dem großen Teich sprechen will. Ein Ehepaar winkt ab. Man habe zu diesem Thema inzwischen längst nichts mehr zu sagen. Andere US-Amerikaner, die in der Pfalz leben, sehen die Situation ohnehin als hoffnungslos an und wüssten nicht, was sie überhaupt noch über die Politik in ihrer Heimat erzählen sollten. Im Moment sei die Lage wie ein Sturm. Man müsse sich schützen und wenn er vorübergezogen ist, könne man wieder hervorkommen und nach dem Rechten sehen.
Wer in der Nähe der Luftwaffenbasis in Ramstein unterwegs ist, fährt durch Dörfer, die mit ihren gepflegten Vorgärten an den Einfamilienhäusern wie Vororte an der US-Ostküste aussehen. In dieser Gegend bekommt man ein ungefähres Bild vom Versuch, sich vor dem Sturm zu verstecken. Viele US-Amerikaner ziehen sich in ihre Häuser zurück, wenn sie von der Arbeit in der Kaserne nach Hause kommen. „Sie bleiben meist unter sich", sagt ein deutscher Nachbar.
Der Frauenclub versucht seit vielen Jahren, genau so etwas zu vermeiden. Meist gelingt es ihm gut. Auch, wenn die Damen nicht über Politik reden wollen. Das übernimmt allein die Präsidentin des Clubs, Christine Schneider, die mit einem US-Amerikaner verheiratet ist. Die Politikwissenschaftlerin arbeitet selbst in einer Kaserne in Kaiserslautern bei den in Europa stationierten US-Streitkräften und tauscht sich viel mit ihren amerikanischen Nachbarn, Freunden und Familienmitgliedern aus. „Es hat mich gewundert, dass keiner bereit war, mit der Presse zu sprechen", gibt sie zu. „Aber natürlich verstehe ich, wenn jemand bei der Regierung beschäftigt ist und Vorbehalte hat. Donald Trump ist schließlich auch mein oberster Dienstherr." Dennoch beobachte sie, dass einige Amerikaner, die die politischen Geschehnisse in ihrer Heimat von der Pfalz aus verfolgen, die Hoffnung verloren hätten, dass die politische Lage sich ändere. Ein bisschen, sagt Schneider, fühle man sich wie in einer Winterstarre. Man erwarte den großen Knall, verbunden mit den Hoffnungen, dass sich nach den Midterms die Mehrheitsverhältnisse im Senat ändern würden. „Man geht davon aus, dass es einen ‚dirty job‘ geben wird, also einen Wahlkampf unter der Gürtellinie", sagt Schneider. Einen solchen, der seinesgleichen suche. „Das ist die Grundstimmung."
Unterscheiden müsse man nach wie vor zwischen Demokraten und Republikanern. Auch in Deutschland. Die meisten Amerikaner bemerkten, dass etwas im Argen sei und ihr Ansehen in der Welt derzeit stark zu leiden habe. „Eine Kollegin sagte kürzlich zu mir: Alles, was man seinen Kindern beibringt, das man nicht tun sollte, also nicht lügen, andere nicht angreifen, dafür ein respektvolles Miteinander pflegen – all das negiert der Präsident", berichtet Schneider. Die gute Kinderstube fehle, sagen viele unter vorgehaltener Hand. „Bullying" nenne man das in den USA, eine Art Mobbing, die Trump betreibe. „Interessant ist zu beobachten, dass es generell immer apolitischer wird", sagt Schneider. Es geht nicht nur um Journalistenanfragen, „man möchte auch mit Freunden gar nicht mehr darüber reden."
In Schneiders Kaserne in Kaiserslautern gibt es natürlich auch Republikaner. „Die Amerikaner sind ein stolzes Volk, sehr patriotisch und von den Grundwerten der Demokratie überzeugt", erzählt Schneider, die Anfang Oktober auf einem deutsch-amerikanischen Freundschaftskonzert war und dabei eine veränderte Stimmung feststellte. „Man redet ohnehin normalerweise nicht über Religion und Politik, das war schon vorher ein Tabu und das war es auch diesmal wieder."
Kritik nur hinter vorgehaltener Hand
Doch dann gibt es auch diejenigen US-Amerikaner, die der Meinung sind, die Politik und Rhetorik Donald Trumps sei ein gutes Zeichen dafür, dass die Welt die Größe Amerikas wieder wahrnimmt. „Das gibt es und so ehrlich sollte man sein", sagt Christine Schneider. „Schließlich wurde Donald Trump demokratisch gewählt." Wie sie mit den Befürwortern des Präsidenten umgeht? „Ich bin keine Amerikanerin und ich würde mir zweimal auf die Finger beißen, ehe ich etwas Kritisches sage."
Ein afroamerikanischer Freund von Christine Schneider äußert sich deutlicher. Nicht direkt zu Donald Trump, aber zur Lage in den Vereinigten Staaten. Er will nie wieder zurück, sagt er. In diesen ersten Jahren der Trump-Regierung hätte sich für die Afroamerikaner zu vieles zum Negativen gewandelt. In den 60er- und 70er-Jahren war es zur Öffnung der Gesellschaft gekommen. Die in Amerika sehr präsente Schwarz-Weiß-Problematik war bald ein kleineres Problem geworden. Doch inzwischen berichteten die Nachrichten jeden Tag von weißen Polizisten, die schwarze Menschen töten. In einem Land leben, in dem man täglich Angst haben muss, wegen seiner Hautfarbe niedergeschossen zu werden, das will er nicht.
Die amerikanischen Nachrichten laufen im Hause Schneider jeden Tag. Und kaum ein Tag vergehe, an dem es dort nicht zu einem politischen Kalauer komme. „Als es vor Kurzem einen großen Sturm an der Ostküste gab, ist uns aufgefallen, dass das die erste Katastrophe seit längerer Zeit war, die keine politische Katastrophe war." Doch Katastrophen hin oder her. Für die Amerikaner in der Pfalz sind die Vereinigten Staaten nach wie vor die Heimat. Klar, dass man den Bezug halten will. „Soldaten sind zwei bis vier Jahre hier, Zivilisten im Normalfall maximal sieben Jahre", erklärt Christine Schneider. „Es ist absehbar, dass sie zurückkommen. Es wäre fatal, wenn sie nicht wüssten, was in dieser Zeit in ihrer Heimat passiert."
Und so lange die Amerikaner in Deutschland sind, sollten sie versuchen, die Fahne der transatlantischen Freundschaft hochzuhalten, ist Christine Schneider überzeugt. „Wenn nicht jetzt, wann dann?", fragt sie. Sie selbst sei überzeugte Transatlantikerin. Mit der gemeinnützigen Arbeit ihres Frauenclubs in der Region zeigt sie das auch. Die Notwendigkeit eines freundlichen Umgangs miteinander – es gibt sie bei den meisten Amerikanern. In der Pfalz trägt sie Früchte.