Nicht selten weckt genau dieser Hersteller die Faszination fürs Auto: Hot Wheels wird 50. Höchste Zeit für eine Inspektion – nicht nur im Kinderzimmer.
Nur mal so für die nächste Wette am Stammtisch: Der weltgrößte Autohersteller ist nicht Toyota. Und auch nicht VW. Keiner hat mehr Autos gebaut als Hot Wheels. Die kleinen Flitzer im Maßstab 1:64 feiern stolzen 50. Geburtstag. Mehr als sechs Milliarden Autos wurden seit 1968 produziert. Und während dieser Satz gelesen wird, laufen 30 weitere „vom Band". 16 pro Sekunde sind es, um genau zu sein. Sie entstehen in Malaysia. Die Seele der Marke aber ist sehr amerikanisch.
Das allererste Hot-Wheels-Auto war 1968 ein dunkelblauer Chevrolet Camaro. Entwickelt hatte die Idee für solche Flitzer ein Ingenieur namens Elliot Handler. Er bot seine Pläne dem Spielzeugkonzern Mattel an. Dort griff man sofort zu. Der Camaro und seine rasch erschienenen Nachfolger entsprachen exakt dem Zeitgeist, der auch ins Kinderzimmer Einzug gehalten hatte. Bunt, schrill, spaßig – so präsentierten sich die Autos. „Die Cast" nannte sich das Druckgussverfahren der Karosserieherstellung aus Zink. Hot Wheels versicherte nach allen Regeln amerikanischer Werbekunst, die schnellsten Autos der Welt zu bauen – dank der äußerst leicht und freilaufenden Räder, die als Namensgeber fungierten. In Deutschland warb Mattel in Jugendmagazinen wie „Zack" oder „Yps" mit der Botschaft, die Autos seien selbstverständlich nur was „für Höllenfahrer".
Raus aus der Packung und spielen
Die Comics sind längst Geschichte, Hot Wheels aber noch immer am Start. Trotz oder gerade weil Spielzeug immer technischer, digitaler und virtueller wird. Natürlich weiß man auch bei Mattel um die veränderten Gewohnheiten der Zielgruppe. Die Kinder verbringen heute viel Zeit an Computern, mit dem Smartphone oder am Tablet. Vermutlich aber erfüllt ein Hot-Wheels-Auto genau das, was Kinder sich trotzdem wünschen: unkomplizierten Spaß. Raus aus der Packung und spielen – so lautet das simple Erfolgsgeheimnis bis heute.
130 neue Autokreationen stellen die Designer am Hauptsitz im kalifornischen El Segundo jährlich vor, 20.000 verschiedene Modelle sind weltweit bislang bekannt. Sehr originalgetreue Miniaturen genauso wie schräge Fantasiemodelle. Das ruft Sammler auf den Plan. Einer der eifrigsten lebt an der US-amerikanischen Ostküste.
Der Immobilienmakler Bruce Pascal hat im Laufe der Jahre 3.500 Hot-Wheels-Flitzer zusammengetragen. Wert seiner Sammlung: mehr als eine Million US-Dollar. Erwachsene Enthusiasten lassen sich ihr Hobby also durchaus etwas kosten. Unter den Schätzen von Pascal befindet sich ein in der Szene „Beach Bomb" genannter, pinkfarbener und äußerst seltener VW Bus. Ein solches Exemplar hat andernorts seinem Vorbesitzer schon mal 72.000 US-Dollar eingebracht. Es ist damit die höchste Summe, die je für den Kauf eines Hot-Wheels-Autos bekannt wurde.
Das Phänomen der kleinen Flitzer hat aber auch eine tiefere, wirtschaftspsychologische Komponente. Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch, Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung in Oestrich-Winkel, beschäftigt sich häufig mit dem Imagetransfer von Produkten. Bei Spielzeug sei dies durchaus zu beobachten: „Kindheitserinnerungen schaffen eine starke Bindung zu einer Marke", erklärt Esch.
Was Spielzeugautos für Markenforscher so interessant macht, ist das frühzeitig mit ihnen verbundene Erlebnis mit der Vorbildmarke, erklärt Esch: „Für die Automobilhersteller ist das Ganze sehr spannend. Viele Minia-turautos werden im Erwachsenenalter nämlich zu begehrten Objekten beim Kauf eines Fahrzeugs."
Chevrolet als Hot-Wheels-Version
Für Automarken ist es also durchaus attraktiv, über die kleinen Flitzer ins Kinderzimmer zu gelangen. Das ist auch bei BMW nicht anders. „Die Miniaturen zeigen unsere Automobile im Kleinformat. Für uns spielen sie eine sehr wichtige Rolle. Sie sind Teil von Marketingaktionen oder dienen als Geschenk für BMW-Kunden", bestätigt Tobias Heger, Produkt- und Lizenzmanager von BMW Lifestyle. Wer dabei in Sachen Lizenz auf wen zugeht, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Mal geht der Wunsch von Mattel aus, mal von den Autoherstellern. BMW arbeitet für solche Angelegenheiten mit einer internationalen Lizenzagentur zusammen.
Solche Hot-Wheels-Lizenzen funktionieren aber auch im Maßstab 1:1. So bringt Chevrolet zum Jubiläum in den USA eine hellrote „Hot Wheels Custom"-Metallic-Version des Camaro auf den Markt. Mit an Bord: jede Menge Zierrat mit Bezug auf die kleinen Renner, beispielsweise orangene Bremsbacken, eigenes Lenkrademblem, ein spezieller Frontgrill, exklusive Sitzkreationen oder 20 Zoll große Spezial-Alus. Knapp 5.000 Dollar Aufpreis kostet das Paket. Kleiner Trost für alle, die der Marke Chevrolet in Deutschland hinterhertrauern: Den Camaro gibt es zum Geburtstag natürlich auch bei uns. 64-fach verkleinert, versteht sich.