Ab Januar 1919 tagten die Siegermächte in Paris, um einen Friedensvertrag mit Deutschland auszuhandeln. Im Versailler Vertrag wurde dem Deutschen Reich die alleinige Kriegsschuld zugesprochen, das somit hohe Reparationszahlungen leisten musste und ein Siebtel seines Territoriums verlor. Der Vertrag sollte Frieden stiften, schürte stattdessen neue Konflikte.
Im Schritttempo rollten die Sonderzüge mit der deutschen Delegation durch das verwüstete Nordfrankreich. Auf dem Weg nach Paris, wo die Sieger des Ersten Weltkriegs ohne deutsche Beteiligung den Versailler Vertrag ausgehandelt hatten, sollte den Deutschen noch einmal vor Augen geführt werden, was sie angerichtet hatten. So hatte es der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau verfügt, der über sich selbst einmal sagte, dass er Deutschland „abgrundtief hasse für das, was es Frankreich angetan hat". Der Kriegsgegner hatte den totalen Krieg über sein Land gebracht, Tod und Zerstörung. Jetzt konnte es aus Sicht Clemenceaus auch nur einen totalen Frieden geben. Als „Stunde der Abrechnung" bezeichnete der Franzose die Verhandlungen von Versailles.
Versailles als gezielte Demütigung gewählt
Der Krieg war am 11. November 1918 mit dem Waffenstillstand von Compiègne zu Ende gegangen. Ab Januar 1919 tagten die Siegermächte – zuallererst Frankreich, Großbritannien, die Vereinigten Staaten und Italien, aber auch 28 weitere Länder wie Panama, China oder Portugal – in der französischen Hauptstadt, um einen offiziellen Friedensvertrag mit Deutschland auszuhandeln: den Versailler Vertrag. Parallel fanden bis August 1920 weitere Verhandlungen mit Österreich, Ungarn, Bulgarien und dem Osmanischen Reich statt, die als Verträge von Saint-Germain, Trianon, Neuilly-sur-Seine und Sèvres bezeichnet werden. Schon der Ort der Unterzeichnung, der Spiegelsaal des Schlosses von Versailles, war eine Demütigung für die Deutschen. Dort waren 1871 nach dem Deutsch-Französischen Krieg das Deutsche Kaiserreich verkündet und der preußische König zum Kaiser Wilhelm I. ausgerufen worden. Erstmals in der Geschichte europäischer Friedensverträge waren die Verlierer auch nicht an den Verhandlungen beteiligt. Sie wurden erst zur Unterzeichnung dazugebeten. Die Behandlung Deutschlands sei erfolgt „nicht wie eines besiegten, aber immer noch zur Staatengemeinschaft gehörenden Kriegsgegners, sondern wie eines Angeklagten, der sein Strafurteil empfing", schreibt der Historiker Sebastian Haffner.
Dabei waren sich Franzosen, Briten und Amerikaner zunächst nicht einig gewesen, wie man mit Deutschland umgehen sollte. US-Präsident Woodrow Wilson proklamierte eigentlich das Selbstbestimmungsrecht der Völker, rückte im Verlauf der Verhandlungen aber immer mehr davon ab, um sein wichtigstes Ziel, die Gründung des Völkerbunds, nicht zu gefährden, für das er die Unterstützung der anderen Staaten benötigte. Großbritannien setzte auf ein Gleichgewicht der Mächte in Mitteleuropa und wollte keinen ungerechten Frieden, der früher oder später zu einem erneuten Krieg führen würde.
Für den französischen Ministerpräsidenten Clemenceau ging es dagegen in erster Linie um die Sicherheit Frankreichs und um eine größtmögliche Schwächung Deutschlands, damit dieses künftig nicht mehr in der Lage wäre, den Nachbarn anzugreifen. Ökonom John Maynard Keynes, damals Mitglied der britischen Delegation, notierte: „Es ist die Politik eines alten Mannes, dessen Eindrücke und Ideen der Vergangenheit angehören und nicht der Zukunft. Er betrachtet alles nur vom Gesichtspunkt Frankreichs und Deutschlands aus, und nicht von dem der Menschheit und der europäischen Kultur, die eine neue Ordnung anstreben."
Am Ende setzte sich Frankreich mit seinen Forderungen durch. Die Bedingungen, die Deutschland schließlich akzeptieren musste, waren hart. Das Reich musste 13 Prozent seiner Gebiete und zehn Prozent seiner Bevölkerung abgeben – manche sofort, andere nach Volksabstimmungen. Elsass-Lothringen ging an Frankreich; Posen, Westpreußen und das oberschlesische Industriegebiet an Polen; Nordschleswig an Dänemark. Die deutschen Kolonien in Übersee wurden dem Völkerbund unterstellt. Gleiches galt für die Stadt Danzig und das Saargebiet, das erst 1935 wieder unter deutsche Kontrolle gelangte. Der Vertrag sah zudem eine auf 15 Jahre befristete Besetzung des linken Rheinufers sowie die Entmilitarisierung des Rheinlands vor. Der von beiden Staaten angestrebte Anschluss Deutsch-Österreichs an das Deutsche Reich wurde untersagt.
Militärisch wurde Deutschlands Streitmacht auf 100.000 Soldaten im Heer und 15.000 bei der Marine beschränkt. Der Bau von Panzern, U-Booten und Schlachtschiffen wurde verboten, ebenso der Aufbau einer Luftwaffe. Fortan durfte es auch keine allgemeine Wehrpflicht mehr geben, militärische Vereine wurden aufgelöst.
Deutschland sollte zudem Reparationen leisten, als Wiedergutmachung für die Verluste und Schäden der Siegermächte. Über die genaue Höhe gab es zunächst keine Einigung – in separaten Verträgen vereinbarte man später Leistungen in Höhe von insgesamt 132 Milliarden Goldmark, umgerechnet etwa 300 Milliarden Euro. Dabei handelte es sich zum einen um direkte Geldzahlungen, zum anderen auch um Sachgüter. Kohle gehörte dazu, aber Deutschland musste auch rund 90 Prozent seiner Handelsflotte abgeben. Die Reparationen bedeuteten eine enorme wirtschaftliche Belastung: Mehrmals musste das Reich Kredite aufnehmen, um die Zahlungen leisten zu können.
Empörung machte Aufstieg Hitlers möglich
Im „Spiegel" schrieb der Journalist und Historiker Klaus Wiegrefe: „Die Bedingungen des Versailler Vertrags waren hart genug, um Deutschland gegen den Frieden aufzubringen, aber nicht hart genug, um es dauerhaft zu schwächen." Tatsächlich waren die Bedingungen, die das Deutsche Reich 1917 im Separatfrieden von Brest-Litowsk Russland diktiert hatte, wesentlich härter. Gleiches gilt für die Forderungen Deutschlands an Frankreich nach dem gewonnenen Krieg von 1871. Dennoch war die Empörung über den Versailler Vertrag groß. Reichsministerpräsident Scheidemann sagte: „Welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns in diese Fessel legt" – und trat zurück, weil er eine Unterzeichnung des Vertrags nicht verantworten wollte. Letztlich unterschrieben am 28. Juni 1919 Außenminister Hermann Müller (SPD) und Verkehrsminister Hermann Bell (Zentrumspartei). Sie hatten eigene Füllfederhalter mitgebracht, um nicht mit französischer Tinte unterschreiben zu müssen.
Für den größten Zorn sorgte ein Passus, der im Versailler Vertrag erst relativ spät auftauchte. In Artikel 231 hieß es: „Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, dass Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges, der ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungen wurde, erlitten haben." Deutschland wurde also die alleinige Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs gegeben. Eine solche moralische Komponente bedeutete ebenfalls ein Novum in der Geschichte der Friedensverträge.
Vor allem dieser Kriegsschuld-Artikel war der Grund, weshalb sämtliche Parteien in Deutschland von Anfang an gegen den Versailler Vertrag wetterten. Deutschnationale und völkische Bewegungen erlebten einen enormen Zulauf. Ohne die deutsche Bevölkerung von ihrer Verantwortung freisprechen zu wollen: Für den Aufstieg Adolf Hitlers und der NSDAP war der Vertrag zumindest mitverantwortlich. Auch die wirtschaftliche Schwächung Deutschlands und die Hyperinflation von 1923, die ihrerseits zu einer politischen Radikalisierung führten, lassen sich darauf zurückführen.
Die Konferenz in Paris sollte Frieden stiften, schürte stattdessen aber neue Konflikte. Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und in der arabischen Welt (Palästina, Mesopotamien) wurden Grenzen ohne Rücksicht auf die jeweilige Bevölkerung neu gezogen. 1939 folgte ein zweiter, noch verheerenderer Weltkrieg. Marschall Ferdinand Foch, der letzte Oberkommandierende der alliierten Streitkräfte an der Westfront, ahnte schon: „Das ist kein Friedensvertrag, das ist ein Waffenstillstand für 20 Jahre." Der spätere französische Premierminister Maurice Couve de Murville sagte einmal: „Versailles öffnete die Pforte zum nächsten Krieg. Es war klar, dass die Deutschen diesen Vertrag nicht für alle Ewigkeit akzeptieren. Es war zu befürchten, dass dies böse endet."