Weltweit nimmt die Zahl derer zu, die unter den besten Kliniken auf allen Kontinenten wählen können. Medizintourismus ist ein eigener Wirtschaftszweig geworden. Berlin spielt dabei als deutsche Medizin-Hauptstadt eine immer größere Rolle.
Wer geht schon gern ins Krankenhaus? Für Otto Normalverbraucher ist so etwas immer mit gemischten Gefühlen verbunden. Dagegen gibt es eine Welt von Medizintouristen, die das nötige Kleingeld haben, um sich weltweit das Krankenhaus und die medizinische Behandlung aussuchen zu können, die sie für die beste halten. In dieser Liga spielt auch Berlin immer stärker mit. Zwar ist die Stadt noch nicht unter die Top Ten der besten Medizinstandorte aufgerückt, aber seit 2012 ist die Zahl der internationalen Gäste, die aus medizinischen Gründen nach Berlin kommen, um 15 Prozent gestiegen. Vor allem Patienten aus dem arabischen Raum, Russland und China lassen sich hier behandeln. In den Berliner Krankenhäusern und ambulanten Praxen finden sie die richtigen Ärzte, und selbst für seltene Erkrankungen stehen geeignete Spezialisten bereit.
15 Prozent mehr internationale Patienten
Immerhin: Zweifellos ist Berlin zumindest die Medizin-Hauptstadt Deutschlands mit über 130 Kliniken mit 35.000 Betten, 70 Reha-Einrichtungen und rund 9.500 niedergelassenen Ärzten. Anerkannte Spitzenleistungen in Berlins Kliniken erbringen die Fachbereiche Herzchirurgie, Kardiologie, Dermatologie, Diabetologie, Neurochirurgie, Orthopädie sowie der Fachbereich für seltene Erkrankungen.
Auf der Webseite berlin-health-excellence.com erhalten ausländische Patienten einen schnellen Überblick über die Spitzenmedizin in Berlin, über Krankenhäuser und Ärzte, aber auch über Hotels und Restaurants. Und das in fünf Sprachen: Deutsch, Englisch, Russisch, Arabisch und Chinesisch. Zusätzlich enthält die arabische Version Informationen zu Halal-Restaurants, arabischen Geschäften oder Gebetshäusern.
Auch der gedruckte Berlin Medical Tourism Guide, der von Visit Berlin in Kooperation mit Health Capital im Jahr 2015 erstmals in englischer Sprache herausgegeben wurde, bietet ausländischen Gästen Informationen über das medizinische Angebot der Hauptstadt sowie Hotelempfehlungen und Tipps zur Freizeitgestaltung.
Ein durchschnittlicher Medizintourist, so die Statistik, bleibt sechs Tage in Berlin. Er selbst und seine Begleitung nehmen in der Regel vielfältige Zusatzleistungen in Anspruch und buchen hochwertige Übernachtungen. Bereits 2015 ergab sich nach einer Studie bei rund 21.000 behandelten Gästen ein geschätzter Umsatz von 100 bis zu 150 Millionen Euro. Auf die medizinischen Einrichtungen entfielen 80 bis 102 Millionen, auf die Hotellerie elf und auf den Handel 15 Millionen Euro.
Die Hotellerie Berlins hat sich auf Kooperationen mit den Kliniken und ihren Patienten eingestellt. Jasmin Haas, Director of Sales des Waldorf Astoria Berlin betont, dass das Team des Guerlain Spa bei Bedarf mit den jeweiligen Ärzten zusammenarbeitet, um exakte Reha-Maßnahmen wie zum Beispiel Physiotherapie und Ergotherapie gewährleisten zu können. Auch Fluggesellschaften kooperieren mit Kliniken. Eine Zahnklinik ist Mobility Partner der Lufthansa. Das heißt, Patienten und Begleitpersonen erhalten besondere Konditionen.
Auch die Umgebung Berlins soll nach dem Willen der Tourismus-Werber für zahlungskräftige ausländische Patienten interessant gemacht werden. In der Potenzialstudie zum Gesundheitstourismus in Brandenburg und Berlin, in Auftrag gegeben vom Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg, heißt es: „Im Rahmen einer gemeinsamen Innovationsstrategie arbeiten die Länder Berlin und Brandenburg an der Entwicklung der Hauptstadtregion zu einem führenden Gesundheitsstandort als Health Capital Berlin Brandenburg. Dabei spielt der Gesundheitstourismus gerade für Brandenburg mit der vorhandenen Wellness-Hotellerie, Aktiv-Infrastruktur und naturräumlichen Ausstattung sowie den Heilbädern und Kurorten eine bedeutende Rolle."
Patientenorientierter Service ist gefragt
Zusätzlich zu einer hohen medizinischen Qualität ist ein besonderer patientenorientierter Service gefragt. Dazu gehören die Organisation und Koordination des gesamten Aufenthaltes der Patienten, Flughafentransfers, Hotelbuchungen, Übersetzungen und die Bereitstellung von internationaler Presse. Der Tüv-Rheinland und die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg haben, basierend auf den Erfahrungen mit mehr als 2.000 internationalen Patienten, erstmals einen gemeinsamen bundesweiten Qualitätsstandard für die Behandlung ausländischer Patienten entwickelt. Vivantes hat als erster Klinikkonzern in Deutschland das Zertifikat „Service Quality Standard für den Medizintourismus" erhalten. „Damit übernimmt Vivantes deutschlandweit eine Vorreiterrolle in der Behandlung von internationalen Patienten, die für Medizin und Service – made in Germany – steht", sagt Dr. Andreas Schmitt, geschäftsführender Direktor von Vivantes.
Aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Medizintourismus widmete sich auch die Internationale Tourismusbörse Berlin (ITB) in den vergangenen Jahren diesem Thema. Laut einem aktuellen Report von Visa und Oxford Economics besitzt 2017 die Medizintourismus-Industrie weltweit einen Wert von rund 50 Milliarden US-Dollar. Die prognostizierte Wachstumsrate liegt bei bis zu 25 Prozent jährlich in den nächsten zehn Jahren. 2016 wurden weltweit etwa 11,4 Millionen gesundheitsorientierte und medizinisch motivierte Reisen unternommen. Das entspricht einem Marktanteil von 1,4 Prozent der Gesamtanzahl von Auslandsreisen.
Die Konkurrenz ist groß und nicht nur auf der ITB informieren internationale Anbieter über ihre Gesundheitsdienstleistungen wie die Energy Klinik aus Kroatien, das King-Hussein-Cancer Center aus Jordanien, das größte seiner Art im Mittleren Osten, oder die Dünyagöz Eye Klinik aus der Türkei. Dabei ist ein großer Vermarktungsvorteil Berlins das Netzwerk von Einrichtungen innerhalb und außerhalb der Stadt, von der Charité über das Deutsche Herzzentrum, die Helios Kliniken, die Meoclinik, das Vivantes International Medicine-Zentrum bis hin zu den Dutzenden Reha-Einrichtungen in Brandenburg, die mit ihrer idyllischen Lage an Seen und Wäldern punkten können.