Kunst und Chirurgie sind einander nicht fremd, wie Barbara Veldung, Fachärztin für plastische und ästhetische Chirurgie, treffend feststellt. Dennoch plädiert die Expertin für ein natürliches Aussehen und setzt klare ästhetische Grenzen.
Frau Veldung, steigt durch die sozialen Medien der Druck, sich perfekt darzustellen?
Für manche Gebiete werden die Anfragen tatsächlich mehr. Dies gilt vor allem für Intimchirurgie und bariatrische Chirurgie, also die rekonstruktive Chirurgie nach großem Gewichtverlust. Hier nehmen die Fallzahlen zu, weil viele Patienten durch Magenverkleinerung und Ähnlichem viel Gewicht verloren haben. Intimchirurgie wiederum ist tatsächlich vor allem durch soziale Medien und Internet ein Thema.
Stand schon mal jemand mit dem Bild einer Berühmtheit vor ihnen und wünschte sich deren Lippen oder andere Merkmale?
Ja, das gibt es. Aber so etwas kann ich nicht realisieren. Ich kann nicht aus einer Lippe eine andere Lippe machen. Es gibt immer eine Basis, mit der man arbeiten muss und auf der man aufbauen kann, die kann man etwas verändern, aber nicht zu etwas anderem machen. Das Gesicht oder der Körper ist keine Skulptur, die ich aus Ton modellieren kann, keine Kopie.
Was halten Sie von dem Begriff „Schönheitswahn"?
Ich finde ihn übertrieben. Die meisten Frauen, die zu mir kommen, wollen ein ganz natürliches Aussehen, kleine Veränderungen, die so keiner bemerkt. Ich kenne keine Patienten, die im Schönheitswahn sind. Es sind alles ganz normale Menschen. Es wird aber natürlich viel mediatisiert.
Setzen Sie als Ärztin mitunter eine Grenze?
In wenigen Fällen sage ich tatsächlich: Jetzt sollte aber besser Schluss sein. Allerdings kommen die Leute dann in der Regel nicht mehr zu mir, sondern gehen wohl irgendwo anders hin (lacht). Ich sehe durchaus Beispiele, wo man früher hätte aufhören sollen, aber dann doch zu viel gemacht hat. Das ist ganz selten.
Überzeugen Sie auch Menschen davon, dass sie gar keine OP brauchen? Lehnen Sie ab?
Das gibt es auch. In den meisten Fällen kommen die Patienten mit ganz konkretem Wunsch zu mir: Sie möchten eine bestimmte Veränderung erzielen. Ich bin dann sozusagen der Handwerker, der sagt „kann man machen" oder „kann man nicht machen". Ob es also praktisch geht, ob es funktionell geht, und vor allem ob es ethisch vertretbar ist. Ich würde zum Beispiel eine Minderjährige nicht aus ästhetischen Gründen operieren. Für so etwas braucht man schon einen gewissen Reifegrad. Anders liegt der Fall, wenn das Mädchen an einer Fehlbildung leidet. Deformitäten und Hypertrophie haben ja mit ästhetischer Chirurgie nicht mehr viel zu tun … Ich habe schon 17-Jährige operiert, die eine so große Brust hatten, dass man davon zwei Drittel wegschneiden musste. Mädchen, die keinen Sport machen konnten, was den normalen Schulalltag beschränkte.
Kann das Streben nach Schönheit und Perfektion der Lebensqualität schaden?
Wenn man sein persönliches Ziel nicht erreicht und deshalb unzufrieden bleibt, kann die Lebensqualität darunter leiden. Wenn man also durch eine OP sein Ziel erreicht, gewinnt man dadurch mitunter unheimlich viel Lebensqualität. Aber es kommt vor allem auf die persönliche Erwartungshaltung an. Manchmal sind tiefer liegende Gründe oder Probleme dafür verantwortlich, dass man mit seinem Aussehen unzufrieden ist. Das lässt sich mit einer OP nicht beseitigen.
Muss man bei diesem Beruf auch Psychologe sein?
Ja, aber manche Aspekte lassen sich nicht sofort erkennen. Stutzig sollte es einen machen, wenn jemand schon bei verschiedenen Chirurgen eine Reihe von Operationen hatte und noch immer unzufrieden ist. Das betrifft aber nur wenige Patienten. Die meisten sind ganz normale Menschen mit ganz normalen Problemen – angefangen bei der Putzfrau über die Lehrerin bis hin zur Firmenbesitzerin, die mit den Oberlidern unglücklich ist oder mit den Hängebacken et cetera. Häufig treten solche Situationen nach der Geburt eines Kindes auf: Die Brust hängt plötzlich, der Bauch hat gelitten …
Was kostet es, wenn man nach einer Geburt den Bauch straffen lässt?
Das kostet etwa 5.600 bis 6.000 Euro. Für eine Brustverkleinerung muss man mit 5.700 Euro rechnen.
Ganz schön teuer für die meisten Patienten, nicht wahr?
Meine Kunden sparen. Manchmal wird es von der Krankenkasse übernommen, das ist aber selten, ein Facelift ohnehin nicht. In Frankreich wird viel mehr von der Krankenkasse getragen. Für die Franzosen ist es ein Paradies: Alle Brustreduzierungen ab 300 Gramm werden von der Krankenkasse bezahlt. Ich als Ärztin brauche keinen Antrag auf Kostenübernahme zu stellen. Abdominoplastik wird dort fast immer übernommen. Es wird davon ausgegangen, dass ein solcher chirurgischer Eingriff notwendig ist. Sobald die Scham ein wenig vom Bauch bedeckt wird, was nach einer Schwangerschaft bei jeder zweiten Frau der Fall ist, wird ein solcher Eingriff übernommen.
Wie finden Sie das deutsche System?
Im Falle der Brustverkleinerung stimme ich dem deutschen System nicht zu, weil es keine klare Regelung gibt. Der medizinische Dienst der Krankenkasse entscheidet von Fall zu Fall. Er lehnt sehr oft ab mit der Begründung, dass die Patientin Rückengymnastik machen könne. Dadurch soll sie Rückenmuskulatur aufbauen, statt sich operieren zu lassen. Aber manche Personen haben bereits alles versucht – vergeblich. Meiner Meinung nach wäre es bei der Frage der Brustverkleinerung das Beste, wie in Frankreich ein Gewicht festzulegen. Selbst wenn es 800 Gramm pro Brust wären – ein ziemlich großes Volumen –, wäre das zumindest mal eine klare Regelung. Für mich ist das deutsche System willkürlich. In Frankreich sind 300 Gramm pro Brust sicherlich sehr großzügig bemessen, aber zumindest hat das eben den Vorteil, dass es eine Regel gibt.