Am 21. Dezember ist endgültig Schluss im deutschen Steinkohlebergbau. Um das Ende der Braunkohle wird hart gerungen. Gleichzeitig erreicht die weltweite Kohleförderung Rekordwerte, sagt Bergbau-Forscher Franz-Josef Brüggemeier.
Herr Brüggemeier, wir haben die Bilder aus dem Hambacher Forst noch im Gedächtnis. Gleichzeitig sucht die Politik nach Ausstiegswegen. Wann geht das „Kohlezeitalter" zu Ende?
Interessant ist ja, dass Kohle lange Zeit nicht benutzt wurde, weil sie Umweltschäden verursacht. Sie setzt zahlreiche Stoffe frei, die man eigentlich nicht haben will. Heute können wir die meisten schädlichen Emissionen weitgehend zurückhalten, Stickoxide, Schwefeldioxid und andere. Es gibt aber einen wichtigen Schadstoff, den wir nicht kontrollieren können, und das ist CO². Deshalb unternimmt man jetzt große Anstrengungen, die Kohle nicht mehr zu benutzen. Langfristig gibt es dazu nur einen Weg: erneuerbare Energien. Diese werfen derzeit aber das große Problem auf, dass wir sie speichern müssen, aber das noch nicht können. Kohle und andere fossile Energien hingegen liegen gespeichert vor und bieten dadurch einen enormen Vorteil. Im Moment ist schwer zu sehen, wie und vor allem wann man bei den erneuerbaren Energien das Speicherproblem lösen kann. Dazu gibt es viele Ansätze und Aushilfsstrategien, aber noch keine Lösung.
Kohle gilt deshalb als Brückentechnologie, aber keiner weiß, wie lange die Brücke halten soll. Weltweit ist jedenfalls noch nie so viel Kohle gefördert worden wie in den letzten Jahren. Um auf die Frage nach dem Ausstieg einzugehen: in Deutschland vermutlich 2040, 2050. Weltweit ist das ganz schwer einzuschätzen.
Dieses Jahr ist endgültig Schluss mit der Förderung der Steinkohle in Deutschland. War es ein Fehler, diese Reserve aufzugeben und stattdessen die klimaschädlichere Braunkohle zu nutzen?
Wir haben ja nur die Förderung der Steinkohle aufgegeben, nicht den Verbrauch in Kraftwerken und der Stahlerzeugung. Jedes Jahr werden große Mengen eingeführt, insgesamt mehr als die Förderung vor 20 Jahren. Es geht also um mehr als einen Eimer, und das wird bleiben, eben als Brückentechnologie. Das Problematische ist die Braunkohle. Deren Abbau ist ein sehr deutsches Phänomen. Generell war der Rückgang des Kohleverbrauchs in Deutschland in den letzten Jahren nicht so rasch wie allgemein angenommen. Deshalb ist bei den CO²-Bilanzen in den letzten Jahren auch so wenig passiert. Wir steigen aus der Kernenergie aus, doch der Anteil an Kohle und Braunkohle ist immer noch sehr hoch.
Was kann dann die „Kohlekommission" bewegen, wenn die technischen Rahmenbedingungen so aussehen, wie Sie es beschrieben haben?
Sie wird unterscheiden müssen zwischen Braun- und Steinkohle. Da geht es vor allem um Fragen des Strukturwandels, der Arbeitsplätze und der sozialen Sicherheit. Steinkohle wird importiert, daran hängen inzwischen relativ wenige Arbeitsplätze. Braunkohle bietet mehr Arbeitsplätze, aber auch deren Zahl ist überschaubar. Der Abschied von der Braunkohle ist, glaube ich, finanziell zu stemmen. Das sagt sich leichter als die Umsetzung, wie man hier im Saarland mit dem Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau ja weiß. Es geht ja nicht nur um Geld. Denn, ob damit die Arbeitsplätze gefördert werden, die auf Dauer eine Perspektive bieten und die für die Regionen geeignet sind – es kann ja nicht jeder, der seinen Job im Bergbau verliert, Informatiker werden – das ist die ganz große Herausforderung. Das sind mühsame und schmerzhafte Prozesse.
Sind die Proteste im Hambacher Forst Ausdruck eines Paradigmenwechsels, Symbol einer Werte-Änderung in der Gesellschaft?
Eigentlich nicht. Ein wirklich radikaler Wandel wäre: Weg von der Energiegesellschaft und hin zu einem ganz anderen Leben, wo wir weniger Energie benötigen. Was wir in der Energiewende machen ist aber: Wir suchen neue Quellen der Energie, damit alles so bleibt, wie es ist, nur eben ohne Kohle. Der Hambacher Forst ist hoch symbolisch, aber eigentlich keine grundsätzliche Abkehr. Es ist, als wollten wir weiter in dasselbe Restaurant gehen und dieselbe Menüfolge bestellen. Aber der Koch soll andere Zutaten dafür verwenden. Und das ist schwer, weil die ja noch nicht da sind oder nur in Mengen, die nicht satt machen.