In der Neuadaption des Kinderbuchklassikers befreien die Animationskünstler in „Der Grinch" das Weihnachtsmonster aus seiner Höhle. Mit überraschender Wirkung auf die Lachmuskulatur der Zuschauer.
Ein völlig verschneites St. Moritz, Kitzbühel und Davos, oder da wo es sonst noch verschwenderisch teuer ist, bieten gerade im Winter wenigen Privilegierten ein exklusives Weihnachtsidyll. In den Vereinigten Staaten stellt das christliche Event allerorten eher eine lichterfrohe und monetäre Deko- und Plastik-Popshow dar. Aber Vorsicht! Wenn dort eine maskierte Gestalt in weißer Kutte und Spitzhaube mit Sehschlitzen und einem Pferdeschlitten mit der Aufschrift „KKK Mississippi" vor der kreuzgeschmückten Haustüre steht, dann ist das nicht der vergötterte Weihnachtsmann. Das ist genauso geschwindelt wie bei den fünf alljährlich erscheinenden, wattebärtigen Superdickbäuchen, die mit 1,9-Jägermeister-Promillefahne vor dem Berliner KaDeWe vom 1. bis 20. Dezember Lebkuchenlutscher an die lieben Kleinen verschenken. Romantische Kinder- und Erwachsenenträume von Geschenken und Gänsebraten bescherten vor allem dieser perfide Paradefiesling mitnichten.
Im Kinderbestseller von Dr. Seuss ist zu erfahren: „Der Grinch hasste die Weihnacht! Die ganze Weihnachtszeit! Fragt nur nicht, warum. Das weiß niemand bis heut. Könnt sein, dass sein Kopf falsch draufgesetzt war. Könnt sein, dass die Schuhe ihn drückten sogar. Am wahrscheinlichsten aber, glaub ich, wird sein: Sein Herz war einfach zwei Nummern zu klein."
Er hegt den Traum, allen das Fest zu versauen
Klar, kein Herz, dafür krasse Heimtücke sind seine Markenzeichen. Deshalb haben sich die „Whos", jene kleinen Bewohner des Kleinkaffs Whoville, abermals viel zu früh gefreut. Im Norden der Stadt thront nämlich monolithisch der Berg Mount Crumpit. Dort, ziemlich weit oben, haust verborgen in seiner Höhle der Grinch mit Fellgesicht, grün wie Kryptonit. Als sogenannter „Grinchy Claus" zieht er camoufliert aus, um allen zum heiligen Fest den Garaus zu machen. Warum? Er (Benedict Cumberbatch/Otto Waalkes) verabscheut mit Leib und Seele das Fest der Liebe und will es ihnen mit allen Mitteln verderben. Gedacht, getan: Am Heiligabend soll es verdammt unheilig werden, der Meister-Misanthrop verbirgt sich im Weihnachtsmann-Outfit, sein getreuer Vierbeiner Max mimt das Rentier. Zusammen schleichen sie sich durch Whoville, um allen Bewohnern die Geschenke unter dem Tannenbaum zu rauben. Hämisch reibt sich dann das aus der Gemeinschaft verstoßene Monstrum in seiner Grotte die hässlichen Pranken, darauf hoffend, dass seine Opfer, vorwiegend Kinder, am nächsten Morgen den Schock ihres Lebens erleiden. Diesmal aber hat er die Rechnung ohne die kleine Cindy-Lou Who (Cameron Seely) gemacht, die den Weihnachtsmann auf seiner Heiligabend-Tour abpassen will, um ihm für die Hilfe ihrer heillos überforderten Mama zu danken. Ihre herzerwärmenden Absichten werden sich jedoch mit den sinistren Plänen des Kinderschrecks kreuzen.
Als aber der Unhold am Morgen danach das Wehklagen seiner Opfer hört und ihm seine Missetaten bewusst werden, vermag sich keine rechte Schadenfreude mehr einzustellen. Mit schlechtem Gewissen begreift er allmählich, dass Weihnachten doch etwas Schönes und Bedeutsames ist. Kann er seiner verspäteten Reue respektable Wiedergutmachungen folgen lassen? Oder ist es viel zu spät?
Sicherlich nicht verspätet, aber immerhin 18 Jahre, nachdem Superblödel Jim Carrey 2000 als Grinch in Ron Howards Real-Blockbuster große und kleine Zuschauer aus den Kinosesseln riss und dem amerikanischen Kinderbuchkönig erstmals den Erfolg in den deutschen Büchereien ebnete, begeistert nun diese erfrischende, herzige und doch knallhart sarkastisch-komische Neuverfilmung im opulenten 3D-Gewand den sprachlosen Betrachter. Carreys würdige Nachfolge tritt nun die am 19. Juli 1976 in London geborene, bekannte Film- und Theaterikone Benedict Cumberbatch an, der dem Antihelden in der Originalfassung seine synchronschauspielerischen Talente verleiht. Der „Dr. Strange"- und „Sherlock"-Interpret genießt in der Filmszene „Supertalent"-Status.
Ein familienfreundlicher Kinobrüller
Superb ist vor allem auch die rasante, trickreiche und selbstironische Animationshandschrift von Yarrow Cheney und Scott Mosier, die sich glücklicherweise eng an das Buch hielten. Dies zählt immer noch zu den Top 100 der Bestseller in den USA.
Schon 1957 erschien die erste Auflage, 1966 wurde die didaktisch wertvolle Story über Nächstenliebe, Friede und Toleranz erstmals von Chuck Jones als Zeichentrickabenteuer unter dem deutschen Titel „Die gestohlenen Weihnachtsgeschenke" adaptiert. „Frankenstein"-Ikone Boris Karloff synchronisierte einst den Weihnachtsatheisten. Jim Carrey baute diesen Erfolg maßgeblich aus. Drei lange Monate musste er im warmen Vollkörperkostüm schwitzen, um dem Fiesling mit langen Zottelpranken und gelben Drachenaugen irre Grimassen und akrobatische Zoten abzutrotzen. Nun verantwortet die französische Filmschmiede „Illumination", die mit der „Ich – Einfach unverbesserlich"-Erfolgsreihe ein perfektes Handling für familienfreundliche Kinobrüller beweisen konnten, das aktuelle Filmfeuerwerk.
Vielleicht folgen noch weitere Highlights, zumal die pittoresken Fantasien des Dr. Seuss mehrfach für die Leinwand adaptiert wurden, so grandios geschehen bei „Ein Kater macht Theater", „Horton hört ein Hu!" und „Der Lorax". Allesamt wunderbare (Kinder)-geschichten mit Herz und Hingabe. Dabei ist seine Botschaft simpel: „Für die Welt bist du nur ein einziger Mensch, aber für einen Menschen bist du die gesamte Welt." Und nach diesem Film wird vor diesem Film sein. Oder wie sagte Dr. Seuss noch: „Weine nicht, dass es vorbei ist, sondern lache, dass es so lustig war".