Neben vollständigen Organen können einzelne Gewebestrukturen als Transplantat dienen. Solch eine Gewebespende ist auch für Skeptiker geeignet. Denn die Hirntod-Problematik wird hier umgangen. Bei der Amnionspende, die wahre Wunder bewirken kann, bleiben die Spender sogar unverletzt und quicklebendig.
Gewebespenden sind sowohl von Toten als auch als Lebendspende möglich, je nach Art des Gewebes. Blut ist die wohl bekannteste Lebendspende. Ein weniger bekanntes Beispiel ist das Amnion (von Amnios, Schafshaut). Hierunter versteht man die dünne, gefäßlose innerste Eihaut, welche Bestandteil der Fruchtblase ist. Mit der Geburt eines Kindes kann dieses Gewebe für medizinische Behandlungen zur Verfügung gestellt werden. Amnionmembranen finden nach qualifizierter Aufbereitung als Gewebetransplantate sowohl bei der Behandlung von Verbrennungswunden und chronischen Wunden als auch in der Augenchirurgie, etwa zur Abdeckung von Hornhautdefekten, vielfältige Verwendung. Die Biologin Dr. Silke Wahl, Leiterin der Knappschafts-Gewebebank der Augenklinik Sulzbach: „Das Amnion hat Stammzelleigenschaften und kann daher alle möglichen Zellen ersetzen oder Stoffe liefern, dass diese sich differenzieren. Hieraus erklärt sich die besondere Heilkraft bei Verbrennungen oder anderen wesentlichen Gewebsdefekten." Prof. Dr. Szurman, Chefarzt der Augenklinik Sulzbach, bestätigt, dass dieses Gewebe wahre Wunder wirken könne: „Wir führen im Jahr 150 Amnion-Transplantationen durch, etwa bei schlecht heilenden Hornhautgeschwüren. Das Amnion-Transplantat wird auf die Hornhaut des Auges aufgenäht und hat einen tollen wundheilenden Effekt." Dabei gehen die Augenärzte sehr sparsam mit dem wertvollen Gewebe um: Aus einer einzigen Amnionspende lassen sich 200 Transplantate für die Behandlung herstellen.
Aufgrund der heilungsfördernden und schmerzreduzierenden Eigenschaften steigt der Bedarf auch in der Dermatologie. Inzwischen bestehen Wartelisten, insbesondere in den Verbrennungszentren und kinderchirurgischen Kliniken, wo Amnien besonders häufig zur Behandlung von Verbrennungen bei Kindern eingesetzt werden.
Neben solch einer Lebend-Gewebespende kennt die Transplantationsmedizin auch die Gewebespende von Toten. Dafür kommen unter anderem Herzklappen, Haut, Blutgefäße, Knochen, Sehnen, Bänder und Bindegewebe in Betracht. Am bekanntesten ist die Transplantation der Hornhaut des Auges. Bestimmte Hornhauterkrankungen können nur mithilfe von Spendergewebe behandelt werden.
Neben der klassischen Hornhauttransplantation, einem über 100 Jahre alten Verfahren, existieren heute moderne, minimal-invasive Methoden wie etwa die DMEK, bei der nur noch eine hauchdünne Gewebelamelle ins Auge eingebracht wird. Silke Wahl stellt in der Gewebebank solche Spezialpräparate her. Und es gibt noch weitere Anwendungsfälle. Peter Szurman zum Beispiel behandelt Patienten, die sich durch Verätzung, Verbrennung oder Explosion die sogenannten Limbusstammzellen des Auges zerstört haben. Diese sitzen am Rand der Hornhaut und sind für deren Regeneration zuständig. Meist kann Szurman mit Zellen vom Partnerauge des Patienten helfen. Sind aber beide Augen verletzt, helfen nur fremde Limbusstammzellen. Die werden aus Spenderhornhäuten gewonnen. Dabei würde das Material genügen, das bei der normalen Transplantat-Präparation übrigbleibt – allerdings verlangt der Gesetzgeber hier einen separaten Hornhautspender.
Solche Gewebe dürfen nur dann entnommen werden, wenn eine Einwilligung vorliegt und der Tod des Spenders zweifelsfrei festgestellt wurde. Für Organspende-Kritiker wichtig zu wissen: In der Regel können Gewebe auch dann gespendet werden, wenn deren Durchblutung unterbrochen ist. Eine Hirntoddiagnose ist nicht erforderlich. „Auch Herz-Kreislauf-Verstorbene können Gewebespender werden", bestätigt Martin Börgel von der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG). „Jeder kann potenziell spenden, bis ins hohe Alter". Eine Hornhautspende zum Beispiel ist sogar noch mehrere Tage nach dem Tod des Spenders möglich.
Weil sie nicht auf hirntote Spender angewiesen ist, kann die DGFG den Bedarf an Hornhaut-Transplantaten recht gut decken. „Nur fünf bis zehn Prozent stammen von Organspendern", so Börgel. Nach Angaben der DGFG benötigen zurzeit 8.000 Patienten in Deutschland eine Hornhautspende. Die meisten von ihnen können damit vor dem Erblinden gerettet werden.