Jeder Fünfte, der einen Augenarzt aufsucht, kommt wegen trockener, gereizter Augen. Das sogenannte Sicca-Syndrom. Immer mehr Menschen leiden darunter. Gerade im Winter sind die Beschwerden am stärksten.
Trockenes Auge – das hört sich nicht so schlimm an, und bei vielen Patienten mit Sicca-Syndrom finden sich in der augenärztlichen Untersuchung auch keine ausgeprägten Befunde. Doch immer mehr Menschen leiden darunter. „Die Patienten sind oft unterversorgt, weil Ärzte ihre Beschwerden nicht so ernst nehmen", sagt die Augenärztin Dr. Núria Pérez. Sie leitet die Sicca-Sprechstunde an der Augenklinik Sulzbach. Insbesondere bei Patienten mit weiteren Erkrankungen könne die Symptomatik des trockenen Auges einen hohen Leidensdruck erzeugen. Dazu zählen Fibromyalgie-Patienten, die unter chronischen Schmerzen leiden. „Auch bei einer Depression nimmt man die Symptome des Sicca-Syndroms besonders intensiv wahr", erklärt Núria Pérez.
Wie äußert sich das Sicca-Syndrom?
Brennende Augen und ein Fremdkörpergefühl zählen zu den klassischen Symptomen. Auch die Sehkraft kann unter dem trockenen Auge leiden. „Denn der Tränenfilm gehört zum optischen System des Auges. Er glättet die Hornhaut und sorgt so für eine saubere Brechung des eintretenden Lichts", erklärt Núria Pérez. Mit einer rauen Hornhaut dagegen wird das Bild verschwommener. Die Bezeichnung „trockenes Auge" kann aber für Betroffene irreführend sein: Viele Sicca-Patienten klagen nämlich über tränende Augen – eine Reaktion der Tränendrüse auf die Reizung der Hornhaut.
Was steckt dahinter?
Ursache für das Sicca-Syndrom ist eine mangelnde Qualität des Tränenfilms oder eine unzureichende Menge davon. Oder beides zusammen. Dahinter wiederum kann eine ganze Reihe von Ursachen stecken. Oft sind die sogenannten Meibom-Drüsen an den Lidrändern verstopft, worunter die Zusammensetzung des Tränenfilms leidet. Lidfehlstellungen wie etwa hängende Unterlider können eine Ursache sein. Das „Office-Eye-Syndrom" beschreibt Augentrockenheit durch das Arbeiten in typischer Büro-Umgebung. „Bei Computerarbeit blinzelt man viel weniger, als wenn man sich mit jemandem unterhält", erklärt Pérez. „Ähnlich verhält es sich beim Benutzen des Smartphones, aber auch beim Autofahren." Auch die Arbeit in klimatisierten Räumen wirkt sich ungünstig aus. Im Winter wird das Sicca-Syndrom durch trockene Heizungsluft gefördert. Des Weiteren kommen schädliche Umweltgifte in Betracht. Trockene Augen können auch als Nebenwirkung bestimmter Medikamente auftreten wie Betablocker und Antidepressiva. Hinter dem Sicca-Syndrom kann eine rheumatische Erkrankung stecken wie das Sjögren- Syndrom oder eine rheumatoide Arthritis. Zu trockenen Augen kann es bei einer sogenannten Graft-versus-Host-Reaktion nach einer Knochenmark- oder Stammzelltransplantation bei Leukämie kommen. Ansonsten gibt es hormonelle Ursachen, wie sie etwa bei einer Schilddrüsenerkrankung oder in den Wechseljahren auftreten. Trockene Augen können auch eine Folge von Augenoperationen sein, etwa nach einer Katarakt-OP (grauer Star). „Die OP ist meist nicht die alleinige Ursache, kann aber zu einer Verschlechterung führen", so Núria Pérez. Generell tritt das Sicca-Syndrom mit zunehmendem Alter gehäuft auf.
Wie lässt es sich feststellen?
Zur Diagnose des Sicca-Syndroms wird der Tränenfilm untersucht. Klassische Methode: die optische Untersuchung mit der Spaltlampe nach dem Einbringen von Fluoreszein-Augentropfen. „Dabei messen wir die Tränenfilmaufrisszeit", erklärt Núria Pérez. Diese Zeit liefert Informationen über den Fettanteil des Tränenfilms. Der Tränenfilm besteht aus drei Schichten: innen die Schleim- oder Muzinschicht, in der Mitte die wässrige Schicht, außen die Lipidschicht. „Reißt diese äußere Fettschicht zu schnell auf, verdunstet der Tränenfilm." Neben der Zusammensetzung des Tränenfilms wird auch die Menge gemessen. Beim sogenannten Schirmer-Test untersucht die Ärztin, wie stark ein in den Augenbereich eingebrachter Papierstreifen durchnässt wird.
Als privat zu zahlende IGEL-Leistungen bieten Augenärzte auch die berührungslose Untersuchung mit dem Keratographen an. Er misst neben der Aufrisszeit die Höhe des Tränensees. Bei der Meibographie wiederum werden Aufnahmen der Meibom-Drüsen angefertigt. Diese Drüsen sitzen am Rand der Augenlider und produzieren die Lipide für den Tränenfilm. „80 Prozent der Sicca-Patienten haben ein Lipid-Defizit und dadurch einen instabilen Tränenfilm", weiß Pérez. Ein Gerät namens Tearlab misst den Salzanteil (die Osmolarität) des Tränenfilms. Ist er zu hoch, gilt dies als entzündungsbegünstigend. Pérez: „Bei Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung führen wir weitere diagnostische Untersuchungen durch."
Was kann man dagegen tun?
Je nach Befund fällt die Therapie des Sicca-Syndroms unterschiedlich aus. Falls möglich werden die Ursachen für den gestörten Tränenfilm behandelt. Oft aber tritt das Sicca-Syndrom als eine unheilbare chronische Erkrankung auf, sodass das Hauptaugenmerk auf der Symptomlinderung liegt. Gegen die Trockenheit helfen Tränenersatzmittel. Häufig enthalten sie Hyaluronsäure und sind konservierungsmittelfrei, um das Auge nicht zusätzlich zu reizen. Hyaluronsäure bindet Wasser und ersetzt so das mangelnde Volumen. „Es entsteht kein Gewöhnungseffekt, dadurch sind solche Tropfen dauerhaft anwendbar", erklärt die Augenärztin. Manche Mittel enthalten Lipide oder sind hypoosmolar (mit wenig Elektrolyten).
Als kleine interventionelle Maßnahme dient das Einsetzen von sogenannten Punctum Plugs. Sie verschließen den Tränenkanal, über den normalerweise drei Viertel der Tränenflüssigkeit abfließen. Um einer Verstopfung der Meibom-Drüsen entgegenzuwirken, empfiehlt Núria Pérez die Lidkantenpflege (siehe rechts). Zu den neueren Medikamenten gegen das Sicca-Syndrom zählen antientzündliche Augentropfen, zum Beispiel mit dem Wirkstoff Ciclosporin A. Auch Naturheilmittel können helfen: Hier empfiehlt die Augenärztin die Lidpflege mit Teebaumöl. „Es wirkt antientzündlich und hilft bei Lidkantenentzündung."