Der Titel der Biografie über CDU-Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer klingt wie ein Versprechen. Die Autorinnen Kristina Dunz und Eva Quadbeck schicken sich an, die Saarländerin bundesweit bekannt zu machen.
An ihren Taten sollt ihr sie messen. Ich bin nicht bibelfest, aber das Wort hört sich so an, als ob es dort entlehnt sei. Annegret Kramp-Karrenbauer hat als Bildungsministerin, Sozialministerin, Innenministerin und als Ministerpräsidentin des Saarlandes Regierungserfahrung gesammelt. Im Saarland kennt man sie. Kennen ist immer relativ. Dass AKK, wie das Kürzel, das sie auch selbst verwendet, katholisch ist, kann der Interessierte googeln. Wer Saarländer oder Saar-CDU-Mitglied ist, weiß es ohnehin. Was sie über Ehe und „Ehe für alle" denkt, hat man überregional lesen können, auch in Berlin und dass der CDU „sozialliberal, christlich und konservativ" in die programmatische DNA eingeschrieben ist, ist bekannt. Über AKK spricht man nun bundesweit. Mehr Menschen möchten sie kennenlernen.
Zwei Journalistinnen, Kristina Dunz und Eva Quadbeck, beide nicht aus dem Saarland stammend, haben eine Biografie vorgelegt, deren Titel durch den angekündigten Rückzug Angela Merkels vom CDU-Vorsitz, geradezu noch aktueller geworden ist. AKK hatte ihr Amt als Saar-Ministerpräsidentin aufgegeben, um in Berlin auf bundespolitischem Parkett als CDU-Generalsekretärin zu reüssieren. Der Satz, den sie selbst darauf gemünzt hatte, lautet titelgebend: „Ich kann, ich will und ich werde."
Heute wissen wir, dass AKK den CDU-Vorsitz anstrebt. Das Buch entstand bevor AKK den Hut in den Ring warf, ungefähr um die Zeit, als der Bruch der Unionspartei im Raum stand, Sommer 2018. Hellsichtig wird auf dem Umschlag die Frage gestellt: „Kann sie auch Kanzlerin?" AKK befindet sich auf dem Weg dorthin. Am 7. Dezember werden die Delegierten auf dem Parteitag entscheiden, ob es für sie auf diesem Weg über die Hürde CDU-Vorsitz weitergehen könnte.
Welche Taten hat AKK in ihrer fast 18-jährigen Karriere als Politikerin an unterschiedlichen führenden Stellen im Saarland vollbracht? Was hat sie für die Menschen, die in dieser Region leben, erreicht? Ich möchte das gerne wissen. Sie gilt als bodenständig. Sie hört zu. Sie ist analytisch. Sie ist machtbewusst. Sie ist uneitel. Sie besitzt etwas, was man politischen Instinkt nennt, das hat sie bewiesen, als sie – entgegen Angela Merkels Wunsch – die Jamaika-Koalition 2012 im Saarland aufkündigte, Neuwahlen ausrief und gewann. Sie ist eine Frau mit hervorragenden Eigenschaften, unzweifelhaft.
AKK ist beliebt. Der berühmte Sympathiefaktor, der auch medial erzeugt wird, den ich für überbewertet, sogar für fatal halte, wenn er als einziger Gradmesser für prognostizierte Wahlerfolge herhalten soll, der aber für Wahlerfolge scheinbar unerlässlich bleibt, ist für AKK hoch. Trotzdem oder dennoch: Was hat sie für die Menschen, die im Saarland leben, erreicht? Man sollte meinen, die beiden Autorinnen interessieren sich dafür. In der Biografie von beinahe 300 Seiten erscheint der Begriff Gemeinwohl jedoch kein einziges Mal.
Wem hast du das Leben erleichtern oder verbessern können? Welche Ungerechtigkeit hast du aus der Welt geschafft? Oder hast du womöglich, vielleicht unabsichtlich, eine erschaffen? Diese Taten wären für mich Gradmesser, um mir eine Meinung über einen Verantwortlichen – es muss kein Politiker sein – bilden zu können. Journalisten sollten solche Fragen stellen. Wähler sollten solche Fragen stellen.
Sich selbst immer wieder hinterfragen
Ich gehe weiter und behaupte: Ein verantwortungsbewusster Mensch, der Macht besitzt, stellt sich diese Fragen selber, um zu überprüfen: Was tue ich eigentlich? Und für wen: für mein Ego oder für andere? Oder tue ich etwas für andere, damit ich geliebt werde, was mein Ego nährt? AKK beantwortet die Frage nach Selbstzweifeln ehrlich, was heutzutage mutig zu nennen ist. Sie habe sich schon immer sehr hinterfragt, bekennt sie im Buch.
AKK machte Politik in einem sogenannten Haushaltsnotlageland. Das Saarland muss einen Strukturwandel schaffen. Wie ist sie damit umgegangen? Warum hat sie der Universität ein Sparprogramm auferlegt? Warum hinkt das Land in Infrastrukturmaßnahmen hinterher? Man wüsste doch gerne, was AKK erreicht hat im Saarland, und auch: was nicht.
Von April bis Juli 2018 absolvierte AKK deutschlandweit eine Zuhör-Tour mit 40 Terminen vor Ort bei CDU-Mitgliedern. Ein neues Grundsatzprogramm soll erarbeitet werden. Welches Fazit zieht AKK aus der Zuhör-Tour?, fragen die Autorinnen und erhalten Antwort: „Die Menschen sagen in unterschiedlichster Form: Wir normalen Leistungsträger dieser Gesellschaft, die einen Job machen, Steuern zahlen, Kinder erziehen, Eltern pflegen oder ehrenamtlich arbeiten, wir haben das Gefühl, dass wir keine Rolle mehr für die Politik spielen. Das ist ein weitverbreitetes Gefühl."
Die Autorinnen hätten nachfragen können: Woher rührt diese Entfremdung, dieses „weitverbreitete Gefühl", Ihrer Meinung nach, Frau Kramp-Karrenbauer? Könnte es sein, dass es eine wartende Saarländerin an der Haltestelle auf den Punkt bringt, als der Bus wiederholt ausfiel, weil der ÖPNV an der Saar nur noch unzureichend funktioniert: „Damit wir die Welt retten, wird bei uns an allem gespart."
Ja, die Themen Flüchtlingspolitik und Migration werden angesprochen. Ob erhellend, entscheidet der Leser. Viele Themen kommen im Buch vor, ein bisschen was von allem, manches bleibt halbgar. Einiges wird nicht erwähnt, beispielsweise die Armut in Deutschland. Christoph Hartmann (FDP), Kramp-Karrenbauers einstiger stellvertretender Ministerpräsident des Saarlandes, bekennt auf Seite 274: „Ich kenne Kramp-Karrenbauer seit 20 Jahren. Ich weiß aber nicht, wofür sie steht. Sie ist wie Merkel eine Person ohne Eigenschaften."
Die Biografie, an deren Entstehung AKK und auch deren Familie mitgewirkt haben, ist prima geschrieben. Tiefenschürfung mag anders aussehen, vielleicht ist das Buch deshalb kurzweilig zu lesen. Durch die abwechselnde Folge von Interviews und Texten, die porträtartig angelegt auch Stimmen anderer zu Wort kommen lassen, entsteht im Kopf des Lesers eine Vorstellung von der Frau, die durchaus das Zeug hat, Bundeskanzlerin zu werden. Das sagen auch die Autorinnen. Das denken auch andere. Und in Püttlingen weiß die Familie von AKK längst: „Es Anne kann es ins Kanzleramt schaffen." Welche Taten folgen dann?