Sinnvoll und notwendig, zu nachlässig oder übervorsichtig – Brandschutz sorgt regelmäßig für Diskussionen – und erfordert immer wieder, das richtige Maß zwischen Übererfüllung und leichtfertiger Nachlässigkeit zu finden.
Berlin hat seinen Flughafen, das Saarland sein HTW Hochhaus. Ob der Flughafen jemals fertig wird, will derzeit niemand sagen. Das Hochhaus für die Studierenden der Hochschule in Saarbrücken konnte inzwischen – mit knapp fünf Jahren Verspätung – bezogen werden. Beides einem rigiden Brandschutz geschuldet.
Vor einem Jahr, Anfang Dezember 2017: In Saarbrücken sterben vier Menschen bei einem Hochhausbrand, in Berlin werden am selben Tag 22 Menschen bei einem Hochhausbrand verletzt, drei von ihnen schwer.
In Saarlands zweitgrößter Stadt Neunkirchen sagt das Gymnasium am Krebsberg alle Veranstaltungen in der Schulaula ab, es gibt Streit um Genehmigung als Versammlungsstätte und dem damit verbundenen Brandschutz. In Berlin klagt eine Schülerin, weil Brandschutzauflagen jahrelang nicht umgesetzt worden.
Es sind Meldungen aus einem verwirrten Land, die das Dilemma offenbaren. Brandschutzkriterien sollen und müssen höchsten Ansprüchen genügen. Es geht schließlich um nicht weniger als das höchste Gut, Leib und Leben von Menschen. Niemand würde riskieren wollen, wegen zu nachlässigen Umgangs im schlimmsten Fall Mitverantwortung für den Tod von Menschen zu haben. Berliner Flughafenbauer und Aufsichtsbehörden werden die Bilder vom Düsseldorfer Flughafen vor Augen haben. Vor etwas mehr als 20 Jahren (1996) kamen bei einem Brand 17 Menschen ums Leben, 88 wurden verletzt.
Keine einheitliche Regelung
Wenn aus dieser zutiefst berechtigten Sorge aber folgt, dass Theater- oder Karnevalsvereine keine Veranstaltungen mehr durchführen können, weil sie die steigenden Sicherheitsauflagen schlicht nicht erfüllen und bezahlen können, wenn der Brandschutz festlegt, welche Sportgeräte in Turnhallen wie deponiert werden dürfen und müssen, stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Was Veranstalter, Bauherren und Architekten gleichermaßen ärgert: Brandschutz ist keine einheitliche, klare Angelegenheit. 16 Bundesländer regeln das in 16 Bauordnungen, Oberste und Untere Baubehörden interpretieren diese unterschiedlich streng.
Und dass durchsetzungsstarke Lobbyverbände auf Verschärfungen drängen, die sich in der Folge umsatzsteigernd auswirken, ist ein offenes Geheimnis.
Die Öffentlichkeit reagiert entsprechend: Müssen strengere Auflagen erfüllt werden, hagelt es Protest, passiert etwas, ist der Aufschrei groß, verbunden mit der Forderung, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.
Das richtige Maß zwischen zwingend notwendigen Maßnahmen, zusätzlich empfehlenswerten Verbesserungen und überzogener Überregulierung zu finden, ist für Architekten, Genehmigungs- und Kontrollbehörden aber auch den Gesetzgeber eine täglich neue Herausforderung. In der Praxis lässt sich vieles an Ärger vermeiden, wenn man sich möglichst früh in Planungsphasen von Vorhaben mit allen Beteiligten an einen Tisch setzt, und versucht, bei Beachtung aller Vorschriften ein Höchstmaß an gesundem Menschenverstand bei der Umsetzung walten zu lassen.