Dass bei Bränden so wenig passiert, ist Folge der vielen strengen Vorsorgeregeln, so Dr. Peter Spary vom Wirtschaftsverband Brandschutz. Neue Techniken wie die Batterien von E-Autos machen jedoch Probleme.
Herr Dr. Spary, ist der Brandschutz in Deutschland nur noch ein Milliardengeschäft oder bieten die scharfen Bestimmungen wirksamen Schutz?
Ohne Zweifel ist Deutschland Spitzenreiter im Brandschutz, sowohl was den Umsatz als auch die Qualität der Produkte angeht. Wir verlangen mehr bei den Dienstleistungen und bei den Produkten als sonst in Europa. Ich schätze, dass rund 15 Milliarden Euro mit dem Brandschutz umgesetzt werden. Aber bedenken Sie: Allein 2018 sind bis heute bundesweit 260.000 Wohnungen gebaut worden. Und alle müssen brandsicher sein.
Und das sind sie wirklich?
Es gibt unterschiedliche Anforderungen an den Brandschutz – ein Hochhaus muss andere Kriterien erfüllen als ein Einfamilienhaus, bei dem vielleicht ein Rauchmelder reicht. Was Sie nie ausschließen können, ist menschliches Versagen. Nehmen Sie einen Brand in einem Altersheim, wenn da einer der betagten Heimbewohner vergessen hat, im Bett seine Zigarette auszumachen.
Welche Firmen vertreten Sie – auch diejenigen, die Rauchmelder und Feuerlöscher herstellen?
Nein, die sind im Bundesverband der Brandschutzfachbetriebe verankert. Wir vertreten Bauunternehmen, die bei der Erstellung der Bauten darauf achten, sicher und korrekt zu bauen. Also Spezialisten im Bereich Trockenbau, Lüftung, Abzüge. Außerdem gehören zu uns auch die Händler, wie etwa die Baumärkte. Und Wissenschaftler, Institute und Politiker. Der Vorsitzende unseres Verbandes ist der Inhaber der Celsion Brandschutzsystem GmbH, unser Vizepräsident ist der Bundestagsabgeordnete Volkmar Vogel (CDU).
Sie haben hier einen Katalog von mehr als 1.000 Seiten – müssen es denn so viele Vorschriften sein?
Der Erfolg gibt uns Recht. Denken Sie an den schlimmen Hochhausbrand in London – so etwas wird es in Deutschland nicht geben, weil Sie eine sehr strenge Überwachung haben. Unsere Mitgliedsfirmen kontrollieren auch Bauwerke, die vor 20 oder 30 Jahren mit Dämmungen versehen wurden. Da war man lascher in diesen Fragen. In Wuppertal war das der Fall, als eine ganze Wohnanlage wegen Brandgefahr evakuiert werden musste. Im Übrigen geht das Statistische Bundesamt von rund 400 Personen aus, die pro Jahr an den Folgen von Bränden sterben. Die Zahl der Verkehrstoten liegt bei 3.200 und die der getöteten Personen durch Haushaltsunfälle bei fast 10.000.
Aber Architekten und Bauherren klagen über viel zu viele Vorschriften. Gibt es denn da von Ihrer Seite aus Bemühungen, das Regelwerk zu entbürokratisieren?
Wir sind dabei, den Dschungel an Vorschriften zu lichten, indem wir eine Musterbauordnung für alle verbindlich machen wollen. Gegenwärtig ist es so, dass jedes Bundesland sein eigenes Regelwerk hat. Wenn Sie von Mainz nach Wiesbaden fahren, gilt eine andere Landesbauordnung. Bisher ist eine einheitliche Bauordnung am Widerstand der Länder gescheitert. Wir haben den Vorschlag in der 17. Legislaturperiode im Bundestag eingebracht. Jetzt, in der 19., ist das Thema Brandschutz zum ersten Mal in einer Koalitionsvereinbarung verankert.
Mit welchem Ziel?
Wir wollen, dass die Normen überprüft, vereinfacht und so die Kosten reduziert werden, ohne das Sicherheitsniveau herabzusetzen.
Der Europäische Gerichtshof hat ebenfalls schon gemahnt, dass die deutschen Normen zu streng sind. Wie verhält es sich damit?
Tatsächlich hat die EU-Kommission 2016 die Bundesregierung wegen der zu großen Zahl an Normen beim Europäischen Gerichtshof verklagt. Das sei ein Wettbewerbsnachteil für ausländische Anbieter, die auf den deutschen Markt wollen. Dass wir so viele Vorschriften haben, liegt daran, dass der Umwelt- und Gesundheitsschutz noch dazu gekommen sind. Eine Folge der Energiewende, aber auch der Qualität der deutschen Produkte: Unsere Firmen sagen, wir wollen noch besser sein als das, was in Europa gefordert wird.
Kommt deswegen auch der BER-Flughafen nicht voran?
Ich gebe zu, dass das ein trauriges Beispiel für uns ist. Wir werden verlacht und verspottet, weil es in den vielen Jahren nicht gelungen ist, die Brandsicherheit zu garantieren. Aber der Pannenflughafen leidet vor allem an Planungsfehlern. Man hat zum Beispiel in zwei Geschossen gebaut, dadurch konnte der Rauchabzug von unten nach oben nicht sichergestellt werden. Und es lag auch daran, dass es drei Bauherren – der Bund und zwei Länder – gibt, statt einer großen Firma. Da wurden zu viele Extrawünsche angemeldet. Und keiner hatte den Überblick. Eine Firma muss ja nicht nur eine Brandschutztür oder einen Rauchgasabzug herstellen können, sie muss auch wissen, wie man so etwas passend einbaut. Daran hat es gehapert.
Aber wie ist es mit dem Dämmmaterial für Fassaden – das meiste ist doch immer noch aus Styropor?
Das ist richtig – nur 20 Prozent der Dämmungen sind aus dem Naturprodukt Steinwolle, alle anderen Materialien sind aus Styropor-Verbindungen. Die Steinwolle ist natürlich etwas teurer. Das wirkt sich auf die Baukosten aus. Wenn Styropor verwendet wird, müssen bei einem Hochhaus zwischen den Geschossen Brandriegel eingebaut werden, die nicht brennbar sind, damit so ein Brand nicht übergreifen kann.
Mit den Elektroautos kommen auch die Lithium-Batterien in Umlauf. Was sagt der Brandschutz zu diesen neuen Entwicklungen?
Genau wie die Fotovoltaik-Anlagen auf dem Dach können sich diese Batterien bei Überbeanspruchung entzünden. Das sind Brände, die kaum zu löschen sind. Wer ein Elektroauto kauft, muss eine fachgerechte und geprüfte Ladestation in der Garage habe. Er kann das Auto nicht einfach an die Steckdose hängen. Ein weiteres Problem entsteht durch Elektrotankstellen, bei denen Sie mit dem E-Auto vorfahren und einfach nur die leere Batterie auswechseln gegen eine volle, die an der Tankstelle aufgeladen wird. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, dort lagern gleichzeitig einige Tausend Batterien, die alle am Stromnetz hängen.
So etwas ist nicht erfasst?
Das ist immer die Frage, wer kümmert sich darum? Die Bauwirtschaft, die Versicherungen? Die ganze Sache mit dem Elektroantrieb haben wir auch aus der Sicht des Brandschutzes noch nicht im Griff. Wir sind nicht die einzigen, die sich damit befassen, auch die großen Firmen wie Bosch denken darüber nach.
Was möchte Ihr Lobbyverband derzeit politisch erreichen?
Ein aktuelles Beispiel ist der Brand in einem ICE zwischen Köln und Frankfurt – da sind wir als Verband zusammen mit den Abgeordneten des Bundestages dabei, der Sache auf den Grund zu gehen, damit so etwas nicht mehr passieren kann. Die Übernahme der Musterbauordnung habe ich schon genannt. Außerdem geht es uns um das Deutsche Institut für Bautechnik, das alle Produkte überprüft und freigibt. Dem Institut fehlt ein Kontrollgremium, das dafür sorgt, dass es effektiver arbeitet. Und wir möchten verhindern, dass bei Auftragsvergaben nach Ausschreibungen der billigste Bieter den Zuschlag erhält – da brauchen wir andere ökologische, soziale und Brandschutz-Standards, die ein Bieter einhalten muss.
Haben Sie das Gefühl, dass die vielen Vorschriften die Menschen dazu bringen sensibler mit dem Thema Brandschutz umzugehen?
Die Leute lassen sich eher durch die Diskussion über die Rauchmelder beeinflussen, oder sie werden aufgeschreckt durch ein Ereignis wie den Hochhausbrand in London. Ob dadurch etwa den Kita-Erzieherinnen bewusst wird, dass sie den Flur nicht durch die dicken Anoraks der Kinder und ihre Spielsachen blockieren sollten, weil er ja ein Fluchtweg ist, weiß ich nicht. Aber da sollten die städtischen Beauftragten für Brandschutz Aufklärungsarbeit leisten.
Waren Sie selbst einmal einer Brandgefahr ausgesetzt?
Ja, in der Tat, bei einem Urlaub in einem Hotel in einer Ferienanlage in der Türkei. Mitten in der Nacht klopfte es wild an unsere Zimmertür. Zuerst dachten meine Frau und ich, dass da Gäste über den Durst getrunken hatten. Aber dann brachen die Angestellten die Tür mit Gewalt auf. Wir hatten Glück, es war nur ein kleiner Schwelbrand.