Unternehmen, Forscher, Brandschützer – sie alle beschäftigen sich tagtäglich damit, die Vorsorge gegen Feuer zu verbessern. Ein Überblick über aktuelle Forschungen, Innovationen und Konzepte.
Rund ein Jahr ist es her, als sich die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren und des Deutschen Feuerwehrverbandes mit der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes zusammentat, um ein Positionspapier vorzubringen. Der Tenor: „Unsere Nachbarländer Österreich und Frankreich haben sich bereits für ein höheres Sicherheitsniveau entschieden als wir." Konkret meinen die Brandschutzexperten: In beiden Ländern sind Brandriegel in jedem Geschoss eines Hauses vorgeschrieben. „Alle bisherigen Untersuchungen bestätigen einen entscheidenden Gewinn von Brandriegeln in jedem Geschoss für die Brandsicherheit. Dennoch wird auf diesen in Deutschland verzichtet", heißt es in dem Schreiben. Brandriegel sollen das Übergreifen eines Feuers auf andere Stockwerke beziehungsweise Gebäudeteile verhindern.
Besondere Sensibilität im Umgang mit brennbaren Dämmstoffen erforderten auch die Baustellensituationen, da hier zum einen größere Mengen an Dämmmaterialien für den Einbau gelagert werden und zum anderen Brandschutzmaßnahmen noch nicht vollständig angebracht sind. Von einer Gebäudehöhe von 22 Metern an sind in Deutschland nicht-brennbare Fassadensysteme vorgeschrieben. Die Brandschützer halten das für die Erhaltung unserer Sicherheitsstandards für notwendig. Sie fordern aber weitreichende Neuerungen. „Brandriegel in jedem Geschoss, das Erdgeschoss nicht-brennbar bei beweglichen Brandlasten oder ein nicht-brennbares Einhausen von beweglichen Brandlasten." Bei Baustellen sei eine Sensibilität bei der Lagerung von brennbaren Materialien zwingend nötig. Und: „Bewegliche Brandlasten wie Müllcontainer, Sperrmüll und Fahrzeuge sind zu beachten." Sie sollten den größtmöglichen Abstand zu einem Haus haben, in dem im schlimmsten Fall sogar Menschen wohnen.
Die Brandschutzbestimmungen in Deutschland ändern sich immer wieder. Trotzdem sind die wichtigsten Akteure in Sachen Brandschutz häufig unzufrieden und fordern Verbesserungen. Neben gesetzlichen Bestimmungen gibt es in der Branche auch immer bessere Brandschutzmaterialien und -konzepte. Im Brandschutz 2.0 spielt auch die Digitalisierung eine große Rolle. Das Zukunftsforschungsinstitut 2b Ahead Thinktank erstellte 2016 in Zusammenarbeit mit mehreren Unternehmen die Trendstudie „Das sichere Gebäude der Zukunft". Sie beschäftigt sich mit den Chancen und Herausforderungen für die Zukunft der Sicherheitsbranche. „Die Digitalisierung und Vernetzung durchdringt mit exponentiell wachsendem Tempo mehr und mehr Lebens- und Arbeitsbereiche – die Lebens- und Arbeitswelten der Menschen des Jahres 2026 werden sich grundlegend von den heutigen unterscheiden", lautet einer der Ausgangspunkte der Studie. Künftig werde die Digitalisierung alle Lebensbereiche mit Informations- und Kommunikationstechnologien durchdringen.
Weit über Computer und Smartphones hinaus entwickeln sich nach und nach alle Gegenstände, deren Nutzen sich durch Vernetzung steigern lässt, zu Internetgeräten: „das ‚Internet der Dinge’ umfasst in Zukunft nicht nur einzelne Häuser, sondern ganze Städte, letztlich die ganze Welt", sagen die Autoren der Trendstudie voraus. Smart Home und Smart Building könnten in Zukunft zu einer Smart City zusammenwachsen. „Entscheidend ist, dass in Zukunft alle Bauteile eines Gebäudes, jedes einzelne Teil, zur Sicherheit eines Gebäudes beitragen werden", sagt Peter Ohmberger. Er ist Geschäftsführer der an der Studie beteiligten Hekatron Vertriebs GmbH. „Das wird durch die Tatsache ermöglicht, dass einerseits die notwendige Sensorik in den nächsten Jahren noch deutlich kostengünstiger und praktisch in jedes Bauteil integriert sein wird, zweitens alle Gewerke über interoperatible Netzwerke verbunden sind und drittens die intelligenten Algorithmen und notwendigen Rechnerleistungen zur Verfügung stehen." Das könnte auch wirtschaftlich interessant werden, entstehen dadurch doch neue Geschäftsmodelle. Firmen, die heute nur einzeln Brandmeldeanlagen, Einbruchmeldeanlagen oder Zutrittskontrollen herstellen und vertreiben, müssten sich grundlegend neu aufstellen, wenn sie am Markt im digitalen und vernetzten Zeitalter der Gebäudetechnik bestehen wollen, glaubt Ohmberger.
Technologie steigert schon heute die Sicherheit
Tatsächlich steigert die Technologie bereits heute die Sicherheit von Gebäuden mit Brandmeldeanlagen. Beim Thema „Digitalisierung" müsse man immer die Basis betrachten.
Die Brandschutzbranche agiere in einer sich relativ langsam drehenden Welt, die eher konservativ und schon per se auf Sicherheit bedacht ist. Ohmberger sieht in Zukunft alles integrativer. Noch sei der anlagentechnische Brandschutz eine geschlossene, abgegrenzte Welt. Was möglich ist, zeigen aber schon jetzt Entwicklungen für den Brandschutz der Zukunft. Dabei geht es nicht nur um Gadgets wie eine Feuerlöscher-App, die den Bedarf an Feuerlöschern in einer Firma per Fingertipp ermittelt. Drahtlose Brandwarnanlagen wie die der Firma Beka erfinden den Rauchmelder neu. Die Sensoren des Systems kommunizieren drahtlos per Funk, sind flexibel einsetzbar und variabel kombinierbar. Eine Funk-Zentrale als Gehirn der Anlage kommuniziert mit einzelnen Rauchmeldern in einem Gebäude. Die Rauchmelder sind – etwa in einem Pflegeheim – in einzelnen Räumen montiert und schicken das Signal an die Anlage. Die wiederum setzt eine Warnsirene in Gang. Im Smart Home lässt sich auf diese Weise gar in Zukunft eine Rauchentwicklung im trauten Heim direkt aufs Smartphone melden, damit alle Bewohner schnell reagieren können, selbst wenn sie nicht zu Hause sind.
In eine ähnliche Kerbe schlägt das Unternehmen Esser, das für seinen neu entwickelten Rauchmelder den „GIT Sicherheit Award 2018" erhielt. Die Neuentwicklung bleibt nicht auf die reine Branderkennung begrenzt, sondern ermöglicht auch die Integration von Lautsprechern für Sprachalarmierung in den Leuchten sowie eine ergänzende Notbeleuchtung bei Ausfall der zentralen Spannungsversorgung. So lassen sich Evakuierungsmaßnahmen optimal unterstützen.
Weniger digital, aber dennoch innovativ sind batteriebetriebene Gleitschienenfeststellanlagen der Firma Dormakaba. Solche Anlagen verschließen Türen von Abschnittsbereichen in Gebäuden automatisch, damit ein Feuer nicht auf einen anderen Teil eines Gebäudes übergreifen kann. Doch problematisch wird es, wenn etwa in denkmalgeschützten Gebäuden keine feste Installation möglich ist. Die neu entwickelten Brandschutztüren arbeiten im Batteriebetrieb und lassen sich deshalb einfach und ohne bauliche Veränderungen installieren.
Ohne gravierende bauliche Veränderungen kommen auch Oberflächenbeschichtungen aus, die feuerabweisend sind. In vielen Foyers von Bürogebäuden, Tiefgaragen oder Hotels gibt es mächtige Säulen. Deren oft schlanker Kern aus Stahl ist durch eine dicke Isolierungsschicht geschützt, die mindestens zwei Stunden Hitze abwehren muss, damit die Feuerwehr genug Zeit hat, die Menschen aus dem Gebäude zu retten. In Zukunft könnte die dicke Isolierung wegfallen. Forscher an der Nanyang Technological University (NTU) in Singapur haben eine Farbe entwickelt, die sich wie Lack auf die zu schützenden Stahlträger und Stützen pinseln oder spritzen lässt. Sie ist genauso effektiv wie der heute verwendete voluminöse Brandschutz. Die Forscher um Professor Aravind Dasari, Materialwissenschaftler an der NTU, modifizierten ganz normalen Lack. Sie fügten Chemikalien und zusätzlich ein Material mit endothermischen Eigenschaften bei. Die chemische Reaktion, die bei einem Feuer auf der Oberfläche entsteht, reduziert die Wärme. In solch einem Fall klammert sich die Brandschutzfarbe namens „FiroShield" noch fester an die Unterlage. Die Farbe, die in Tests bereits bewiesen hat, dass sie Stahl 120 Minuten vor einem Feuer schützen kann, verhindert zusätzlich die Korrosion des Stahls. Sie kann auch als Brandschutz für Stahlbeton und sogar für Holz zum Einsatz kommen.
Brandschutz-Forscher beschäftigen sich neben Materialien und Brandmeldern auch mit modernen Möglichkeiten, Feuer zu löschen. Bereits im Jahr 2011 entwickelten deutsche Forscher in einem Testtunnel in Spanien ein Löschsystem gegen Tunnelbrände. Wichtig ist das deshalb, da Tunnelbrände eine Eigendynamik entwickeln und schwer zu löschen sind. Die Anlage funktioniert ähnlich wie eine Sprinkleranlage. Sie stellt einen Brand fest und löst Wassernebel aus, der den Brand zwar nicht löscht, aber effektiv in Schach hält, damit er sich nicht weiter ausbreiten kann.