Acro Yoga, eine Mischung aus Yoga, Akrobatik und Thai-Massage, stammt aus Kalifornien und wird gerade in Deutschland populär.
In Parks in Großstädten sieht man manchmal Menschen, die aufeinander in waghalsigen Manövern herumturnen. Sie sitzen auf ausgestreckten Beinen ihres Partners in der Luft, machen einen Kopfstand, bei dem sie sich an Beinen und Armen des Partners festhalten oder stehen halsbrecherisch einfach auf dessen Schultern. „Acro Yoga" nennt sich diese Abwandlung des klassischen Yoga, wobei die meisten dieser Akrobatik-Übungen nicht mehr viel mit Yoga zu tun haben, sondern eher in die Zirkusarena passen. Acro kommt aus dem griechischen und bedeutet soviel wie „hoch" oder „erhöht".
Wie viele moderne Erfindungen kommt Acro Yoga aus Kalifornien. Im Jahr 2003 haben Jenny Sauer-Klein und Jason Nemer diese Richtung begründet, die mittlerweile Fans in aller Welt hat. Marie Luo, 23, ist Acro Yoga-Lehrerin. Da in ihren Klassen viele englischsprechende Teilnehmer sind, findet der Unterricht meist auf Englisch statt. Die Aufwärmphase wird dazu benutzt, Vertrauen aufzubauen, das beim Acro Yoga eminent wichtig ist. So wird zum Beispiel eine Person mit geschlossenen Augen zwischen zwei Partnern hin- und hergependelt.
Dann geht es über zu den akrobatischen Übungen, die meist in Dreier-Gruppen praktiziert werden. Eine Person ist dabei die „base", die Basis, die am Boden liegt. Die zweite Person nennt sich „flyer", Flieger, was sich selbst erklärt. Die dritte, nicht unwichtige Person, ist der „spotter", der Aufpasser. Falls es nämlich bei einer akrobatischen Übung zum Sturz kommt (1,80 Meter Fallhöhe kann schon sehr hoch sein!), soll der Aufpasser für eine weiche Landung sorgen. Meist ist es so, dass die größeren und stärkeren Männer die Basis bilden, und die leichteren und gelenkigeren Frauen die Flieger. Es geht aber auch umgekehrt, und das wechselnde Rollenspiel bildet einen Teil des Reizes des Acro Yoga. Benannt werden die Übungen, ähnlich wie beim klassischen Yoga, nach bildhaften Motiven. Da gibt es den „Stern", den „Thron", die „Waschmaschine" oder das „gefaltete Blatt".
Marie Luo kam 2013 zum ersten Mal in Kontakt mit Acro Yoga. Sie war fasziniert davon, wieviel Psychologie hinter dieser Yogaform steckt. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal einen Handstand auf jemandem machen würde", sagt sie.
In den meisten „Flieger-Positionen" ist es wichtig, dass der Flieger eine gute Körperspannung hat. Es gibt aber auch sogenannte therapeutische Flugübungen, bei denen der Flieger die Schwerkraft nutzt, sich völlig entspannt und dabei seinen Körper von den Füßen oder Händen der Basis dehnen, strecken oder massieren lässt. Hier wird der Einfluss der Thai-Massagetechnik deutlich: Thai-Massage erzielt ihre Wirkung auch dadurch, dass wenig Kraft angewendet wird. Der Massierende setzt vielmehr sein eigenes Körpergewicht geschickt ein, um zu massieren. Der Nebeneffekt dabei ist, dass man viel weniger Energie aufwenden muss, um zu massieren. „Das Interessante ist, dass über den Körperkontakt die Leute lernen, die Situation einzuschätzen und auch lernen zu vertrauen", sagt Marie. Am Anfang jeder Stunde reden die Leute kaum miteinander, und am Ende purzeln sie übereinander her, lachen zusammen, als ob sie sich schon länger kennen", so ihre Beobachtung.
„Ich hätte nie geglaubt, dass ich mal einen Handstand auf jemandem machen würde"
Auf Instagram kann man unter dem Hashtag „Acroyoga" viele Videos fortgeschrittener Acro-Yogis sehen, die teilweise in
minutenlangen Sequenzen den „Flieger" in waghalsigen Manövern durch die Luft wirbeln. Diese Übungen sind jedoch wirklich nur fortgeschrittenen Sportlern zu empfehlen, sie ähneln oft Zirkusakrobatik und erfordern ein immenses Ausmaß an Training und Körperspannung. Marie Luo beendet ihre Klassen nach diesen aufregenden Figuren immer mit dem „Herunterkommen": Dabei finden sich zwei Partner zusammen und geben sich eine langsame, entspannende Thai-Massage, inklusive Beine langziehen, Kopfhautkrabbeln und Fußmassage.
Auch unter Prominenten hat Acro Yoga einige Anhänger. Vielleicht auch, weil sich für Instagram davon aufsehenerregende Fotos machen lassen oder, noch besser, kleine Videos auf Youtube. Ashley Judd ist, seit sie auf einem Retreat bei Jason Nemer war, begeistert von Acro Yoga, und brachte auch Salma Hayek auf diesen Trip. Auch Nikki Reed, Nathan Reed, Coco Austin und Ian Somerhalder posten gerne Fotos von Acro Yoga. Coco Austin wurde in den sozialen Medien allerdings kritisiert, weil sie Acro Yoga-Übungen mit ihrer zweijährigen Tochter vorführte.
Neben Acro Yoga gibt es auch Partner Yoga. Partner Yoga ist dem klassischen Hatha Yoga ähnlicher als Acro Yoga, hier werden die Asanas immer zu zweit ausgeführt. Hilfsmittel wie Bänder, Gurte, Kissen oder Blöcke, die beim Hatha Yoga oft eingesetzt werden, entfallen beim Partner Yoga. Denn dafür ist der Partner ja da: um den Übenden in die richtige Position zu „drücken", sei es mit dem Füßen, den Händen oder dem ganzen Körper. Doch auch hier gilt: Yoga ist kein Wettbewerbssport, die Superlative Schneller, Höher, Weiter gelten hier nicht. Allein das eigene Körpergefühl ist ausschlaggebend, und die Yoga-Lehrer werden nicht müde, zu betonen, auf den eigenen Körper zu hören. Wenn man dies beachtet, werden beim Yoga auch keine Verletzungen oder Bänderrisse auftreten. Durch die Unterstützung eines Partners wird Yoga in einer neuen Dynamik und Intensität erlebt, anders, als es beim normalen Yoga der Fall ist. Die ruhige, wärmespendende Hand des Partners lässt einen entspannter in die jeweilige Stellung sinken. Manchmal werden auch zwei klassische Asanas aus dem Hatha Yoga miteinander kombiniert, zum Beispiel der „Fisch" mit dem „Kind", der „doppelte Hund" oder der „Hund" mit dem „Fisch". Alle Asanas haben positive Wirkungen für beide Übenden zugleich. Bei der gegrätschten Vorbeuge zum Beispiel wird die Beinmuskulatur gedehnt, die Innenseite der Schenkel und Waden, die Hüftgelenke werden geöffnet, die Arme und der Bereich zwischen den Schulterblättern wird gedehnt.