Vier Jahre lang war der TTC Eastside in der Bundesliga das Maß aller Dinge, dreimal holte der Berliner Tischtennisclub sogar das Triple aus Meisterschaft, Champions League und Pokal. In der vergangenen Saison musste man sich dann jedoch mit Platz drei begnügen. Nun will der Verein mit neuem Personal zurück an die Spitze und hat auch sonst große Pläne.
Es fällt Alexander Teichmann merklich schwer, es zuzugeben. „Objektiv betrachtet, hat es der Liga gutgetan, dass nicht immer derselbe gewinnt", sagt der Manager des TTC Eastside. Vier Jahre lang war der Berliner Tischtennisclub in der Bundesliga ungeschlagen gewesen und büßte in dieser Zeit lediglich einen einzigen Punkt ein. Von 2014 bis 2018 holte man viermal in Folge den deutschen Pokal, dreimal gewannen die Hauptstädter in diesem Zeitraum den Champions League-Titel und damit das Triple. Der TTC Berlin Eastside war der FC Bayern des deutschen Tischtennissports, was allerdings auch dazu führte, dass sich in der Liga eine gewisse Langeweile einstellte. Das ging sogar so weit, dass Siege als Selbstverständlichkeit angenommen wurden. „Wenn man zu oft und zu viel gewinnt, wird das irgendwann gar nicht mehr als Leistung wahrgenommen", sagt Teichmann.
In der vergangenen Saison endete aber die Erfolgssträhne. Aufgrund vieler Ausfälle reichte es für den TTC Eastside nur zu Rang drei – Deutscher Meister wurde erstmals der SV DJK Kolbermoor. Gleich zwei Spielerinnen wurden im Verlauf der Saison schwanger: zum einen Shan Xiaona, die deutsche Nummer eins, die sich schon länger ein Kind gewünscht hatte; zum anderen Kathrin Mühlbach, die in weiser Voraussicht als Ersatz verpflichtet worden war, dann aber sogar noch vor Shan in Mutterschutz ging. Hinzu kam der Totalausfall von Nationalspielerin Petrissa Solja wegen mentaler Erschöpfung. „In dieser Häufung ist das absolut ungewöhnlich und auch für einen Club wie den TTC Eastside nicht so einfach wegzustecken", sagt Alexander Teichmann. Angesichts der Umstände habe man sogar eigentlich noch ein sehr gu- tes Ergebnis erreicht, mit dem erneuten Erfolg im Pokalwettbewerb sowie dem Sprung ins Halbfinale der Champions League. „So etwas schaffen andere Vereine nicht einmal in Vollbesetzung", so der Manager.
„Objektiv betrachtet, hat es der Liga gutgetan"
Trotzdem war am Ende des Jahres natürlich niemand in Berlin so richtig zufrieden. Das Ziel für die neue Saison formulierte sich deshalb quasi von selbst: die Rückkehr an die deutsche Spitze. Bislang sieht es so aus, als wären die Berliner auf einem guten Weg. In der Tabelle belegen sie derzeit Platz eins, wenngleich das nach sechs Spieltagen natürlich nicht mehr als eine Momentaufnahme ist. Als einzige Mannschaft hat der TTC Eastside noch nicht verloren und siegte gegen den vorherigen Tabellenführer TTG Bingen/Münster-Sarmsheim zuletzt deutlich mit 6:0.
An diesem Sonntag, 9. Dezember, um 13 Uhr kommt es nun in der Großen Spielhalle im Sportkomplex in der Paul-Heyse-Straße zum Duell gegen den amtierenden Meister aus Kolbermoor, mit dem die Berliner nach dem letztjährigen Aus im Halbfinale noch eine Rechnung offen haben. Mit einem Sieg würden sie ihre Führung ausbauen. Allerdings zählt in der Tischtennis-Bundesliga der Frauen seit vergangener Saison nicht mehr nur das Ergebnis der Punktrunde – die Entscheidung über den Deutschen Meister fällt erst in den Play-offs. Dafür qualifizieren sich die besten sechs Teams, wobei die ersten beiden direkt im Halbfinale stehen. Auch dieser Modus hat aus Sicht von Alexander Teichmann dazu beigetragen, dass die Liga wieder spannender ist als noch vor einigen Jahren.
Es mutet daher fast schon ironisch an, dass sein Verein im Sommer alles dafür getan hat, dass der TTC Eastside zu alter Dominanz zurückkehrt und eben möglichst wenig Spannung einkehrt. Vor allem will der Club einen solchen Personalengpass wie in der vergangenen Saison, als zeitweise Spielerinnen der Zweiten Mannschaft sowie Trainerin Irina Palina (48) einspringen mussten, nicht noch einmal erleben. „Wir haben uns deshalb als Konsequenz daraus vor allem breiter aufgestellt", sagt Alexander Teichmann. Neu in der Mannschaft ist die deutsche Nationalspielerin Nina Mittelham, die gerade erst Europameisterin im Doppel geworden ist und von vielen Experten als eine der besten Nachwuchsspielerinnen des Kontinents bezeichnet wird – „sie kann das neue Gesicht des Vereins werden", meint Teichmann. Ebenfalls neu ist die erfahrene Schwedin Matilda Ekholm, die mit Berlins Ungarin Georgina Pota bei internationalen Turnieren schon seit Längerem ein erfolgreiches Doppel bildet. Nun spielen die beiden auch im Club Seite an Seite. „Matilda Ekholm passt mit ihrer kantigen Art sehr gut in die Mannschaft", meint Alexander Teichmann. Die anderen Spielerinnen seien eher nett und zurückhaltend, dagegen könne bei ihr auch schon einmal der Schläger fliegen, wenn es nicht läuft. „Diese Emotionen tun jeder Mannschaft gut. Sie ist eine Anführerin, die auch in schwierigen Situationen vorangeht", so Teichmann.
„Als Konsequenz daraus breiter aufgestellt"
Zudem stehen Kathrin Mühlbach und Shan Xiaona nach der Geburt ihrer Töchter wieder zur Verfügung. „Ich fühle mich noch nicht richtig fit", meint Shan aber. Das Gefühl für den Schläger habe sie immer noch, doch körperlich habe sie noch Defizite. „Ich bin ein bisschen langsam, und es fehlt noch ein wenig die Kraft für die harten Schläge", sagt sie. Doch auch bei ihr ist ein klarer Aufwärtstrend zu erkennen. Bis Januar will die Olympiazweite im Team von 2016 wieder in Bestform sein – dann wird in Berlin die Pokal-Endrunde ausgetragen. Auch in der Bundesliga und in der Champions League beginnt dann langsam die heiße Phase. Im Europapokal steht der TTC Berlin Eastside bereits in der nächsten Runde. Favoriten sind zwar in erster Linie Vorjahres-Champion Dr. Casl aus Kroatien sowie der polnische Vertreter Tarnobrzeg, doch ein Berliner Team in Bestbesetzung dürfte bei der Titelvergabe ebenfalls ein Wörtchen mitreden. „Das wird eine interessante Aufgabe", sagt Alexander Teichmann.
Sportlich sind die Berliner längst wieder auf Erfolgskurs. Doch der TTC will auch strukturell weiter wachsen, damit sich ein solches Erlebnis wie in der vergangenen Saison nicht wiederholt. Geplant ist ein modernes Trainingszentrum, in dem sowohl gestandene Spitzenspielerinnen als auch Nachwuchstalente noch intensiver trainieren können – quasi eine Ergänzung zum Leistungszentrum des nationalen Verbands in Düsseldorf. Auf diese Weise will der Club innerhalb der nächsten beiden Olympiazyklen eine Topspielerin aus den eigenen Reihen entwickeln: eine Berliner Lokalmatadorin, die dann in der Weltspitze mitmischt. Spätestens dann hätte das schwache Abschneiden im Vorjahr doch noch sein Gutes gehabt.