Simbabwe im Süden Afrikas gehört zu den schönsten Ländern des Kontinents. Nach den Schrecken der Mugabe-Herrschaft kommen auch die Touristen zurück. Ein besonderes Projekt zeigt, wie Safari-Tourismus Menschen und Tieren helfen kann.
Noch steht die Sonne tief am Horizont, und auf den Blättern der Akazien funkelt der Morgentau. Vogelschreie dringen durch die nachtkühle Luft. Ein Kaiserkranichpaar stolziert durch das hohe Gras der Savanne. Ein Storch stakst am Ufer eines mit Lilien übersäten Teiches entlang. Der Schwarzweiße scheint es nicht eilig zu haben mit dem Flug gen Norden. Noch bescheren die Wasserstellen, die sich während der Regenzeit gebildet haben, auch hier, im Hwange Nationalpark, dem größten Naturschutzgebiet Simbabwes, Nahrung im Überfluss. Die Reifen unseres Jeeps pflügen sich durch den sandigen Boden. Mark Butcher, ein drahtiger Endfünfziger – sonnengegerbte Haut und schlohweißes Haar – kutschiert uns im Safari-Jeep durchs Gelände. Wir lassen das Buschland hinter uns, biegen in ein Waldgebiet ab, wo die Blätter uralter Zambesi-Teak-Bäume ein dichtes Dach bilden. „Jetzt sind wir im Schlafzimmer der Elefanten", sagt unser Ranger. Und tatsächlich sind wir noch keinen Kilometer gefahren, als wir hinter Baumstämmen die ersten großen Grauen sehen. Elefantenkühe und ihre Jungen pflücken mit großen und kleinen Rüsseln zartgrüne Laubzweige, fächeln friedlich mit den Ohren, nehmen kaum Notiz von uns, obwohl der Jeep in kaum 50 Metern Entfernung vorüberfährt. Ein paar Mal windet sich die sandige Straße, dann steht uns plötzlich ein ausgewachsener Elefantenbulle im Weg. Das Drei-Meter-Tier stellt die riesigen Ohren weit auf, hebt den Rüssel über den Kopf. Das sieht bedrohlich aus, und ist auch so gemeint, erklärt der Ranger. „Ein klares Signal an uns, wir sollen auf Distanz bleiben." Der Mann, der mit der Körpersprache wilder Tiere bestens vertraut ist, schaltet den Motor ab. Wir verharren still. Ein paar Augenblicke noch, dann gibt der große Graue die Straße frei, verschwindet geräuschvoll im Gehölz.
Ein großer Bulle stellt sich in den Weg
Dass heute rund 40.000 Elefanten im Hwange Nationalpark leben und dass nur wenige Dutzend Tiere pro Jahr von Wilderern getötet werden, ist eine erfreuliche Entwicklung, an der unser Ranger einen Anteil hat. „Als ich vor über 30 Jahren hier als Ranger angefangen habe, ist mir schnell klar geworden, dass man das Problem der Wilderei nicht allein mit härteren Strafen in den Griff bekommen kann. Wer die Tiere schützen will, muss für die Menschen, die am Rande des Parks leben, Perspektiven schaffen", sagt der weiße Simbabwer, der geboren wurde, als das Land noch Rhodesien hieß und britische Kronkolonie war. „Längst nicht alle, die einen Elefanten töten, tun das, weil sie mit Elfenbein Geld machen wollen", fährt er fort und erläutert, dass es vor allem ums eigene Überleben geht. „In Simbabwe haben weit über 90 Prozent der Menschen keinen Arbeitsplatz im eigentlichen Sinne, sie haben überhaupt kein Geld, sondern bestreiten ihren Lebensunterhalt als Selbstversorger – halten etwas Vieh, bauen Mais und Bohnen an." Und genau das sei die Wurzel des Problems. „Wenn ein Löwe deine Ziege reißt, ein Elefant die Ernte zertrampelt, dann sind diese Tiere deine Feinde, weil sie deine Lebensgrundlage zerstören und deine Familie hungern muss."
Zahl der Elefanten wieder gestiegen
Die Idee, dass sanfter Tourismus den Menschen am Rande des Nationalparks neue Perspektiven öffnen und so auch Wildtiere nachhaltig schützen könnte, hat den damals jungen Ranger nicht mehr losgelassen. Um Mitstreiter zu finden, musste er allerdings viel Überzeugungsarbeit leisten „Damals, vor über 20 Jahren, wusste hier, im Ngamo-Land, niemand, was Tourismus ist, und schon gar nicht, welchen Nutzen er bringen könnte." Schließlich konnte der Ranger Johnson Ncube für seine Idee gewinnen, einen jungen Schwarzen, der damals gerade das Amt des Dorfoberhauptes von seinem Vater übernommen hatte. Ncube verpachtete etwas vom Gemeindeland. Auf dem Pachtland wurden luxuriöse Unterkünfte gebaut, Lodges aus Zeltplanen, Bambus und Holz, in denen es Safari-Touristen an nichts mangelt, weder an bequemen Kolonialstil-Himmel-Betten noch an komfortablen Bädern, an exquisitem Essen und auch nicht an ausgezeichnetem südafrikanischem Wein. Als Investoren konnte Butcher Simbabwer ins Boot holen, die als Unternehmer in Großbritannien groß geworden sind. „Imvelo" wurde das Projekt genannt – in der Ngamo-Sprache heißt das Natur.
Die Pacht kommt seither den Dorfbewohnern zugute, fließt zum Teil in die Gemeindeschule, wo die Sechs- bis 14-Jährigen ein kostenloses Mittagessen bekommen. Eltern werden durch Zuschüsse zum staatlich verordneten Schulgeld entlastet, wodurch die Zahl der Schulabbrecher unter den Sechs- bis Vierzehnjährigen deutlich reduziert werden konnte. Junge Leute aus den Ngamo-Dörfern wurden ausgebildet, verdienen heute als Ranger, Köche, Kellner und Reinigungskräfte ihr Geld. „Und wenn ein Elefant ein Feld zertrampelt, dann ist das keine Katastrophe mehr", sagt Johnson Ncube, der inzwischen 64-jährige „Älteste" des Dorfes. „Im Notfall können wir Mais und Bohnen auch kaufen."
Mittlerweile gibt es sechs Imvelo-Lodges. Jedes der Edel-Camps hat sehr überschaubare Kapazitäten, kann höchstens zwei bis drei Dutzend Gäste zur selben Zeit beherbergen. Jeder Gast, jedes Paar oder jede Familie wohnt in einem eigenen Zelt, das in der Dunkelheit nur mit Geleitschutz verlassen werden darf. Schließlich ist man hier in der Wildnis, wo neben Tausenden Elefanten, Löwen, Geparde, Schakale und viele andere tierische Berühmtheiten Afrikas zu Hause sind.
Einheimische profitieren vom Tourismus
Dass das Imvelo-Projekt schwere Jahre durchzustehen hatte, war der Politik geschuldet. Unter der despotischen Herrschaft des Dauer-Präsidenten Mugabe, der einst als Hoffnungsträger nach der Befreiung von der Kolonialmacht angetreten war, litt das Land zunehmend unter Korruption und Misswirtschaft. Nach der gewaltsamen Enteignung weißer Farmer im Jahr 2000 haben viele Angehörige der kleinen weißen Minderheit das Land verlassen. Touristen, vor allem britische, blieben fern. Seitdem Mugabe 2017 abgesetzt wurde, herrscht eine Aufbruchstimmung. „Auch wenn mit Mnangagwa ein früherer Mugabe-Gefolgsmann die Wahl gewonnen und wir uns einen anderen Wahlausgang gewünscht hätten, blicken wir einigermaßen optimistisch in die Zukunft", sagt der Imvelo-Gründer. Die Buchungszahlen steigen wieder, Butcher und seine Mitstreiter haben ihr jüngstes „Baby" an den Start gebracht, den „Stimela Star", einen Zug, der die spektakulären Viktoriawasserfälle im Nordwesten Simbabwes mit dem Hwange-Nationalpark verbindet. Dafür wurden einige Waggons mit Betten und Bar aus britischen Kolonialtagen wieder flott gemacht. Auf seiner Nachtfahrt nutzt der Zug die einspurige Strecke, die zum Teil durch den heutigen Nationalpark führt und die ursprünglich, Ende des 19. Jahrhunderts, als Teil der geplanten, aber nie vollendeten Eisenbahnverbindung Kapstadt-Kairo gebaut wurde. Simbabwes staatliche Eisenbahn schickt hier nur noch selten einen Personenzug in die eine oder andere Richtung. Die meiste Zeit aber gehört der Schienenstrang den Pavianen. Die nehmen mit Vorliebe frühmorgens auf den Gleisen Platz. Hier lassen sie sich von den ersten Sonnenstrahlen wärmen und pflegen einander hingebungsvoll das Fell.