Pailletten rücken diesen Winter die 80er-Jahre wieder zurück ins modische Blickfeld. Sparkle und Glamour überall, schlägt sich dank der Instagram-App Kirakira+ auch in den sozialen Medien unübersehbar nieder. Neu: die eleganten Sequin Suits, die zu Stars der Abendgarderobe aufsteigen könnten.
Die App Kirakira+, mit der sich auf Selfies Glitzereffekte deutlich verstärken lassen, ist 2017 wie eine Bombe in der Instagram-Community eingeschlagen. Plötzlich gab es kaum mehr einen Post, auf dem sich die Promi-Damen nicht wie Cinderella im Glitterglanz präsentiert hätten. Der neue Glamourfaktor kam genau zur rechten Zeit, denn schon vor einem Jahr hatten renommierte Labels wie Gucci oder Victoria Beckham allerlei Funkel-Klamotten in ihren Kollektionen geführt. Es hatte fast den Anschein, als hätten die Designer dank der App, die für rund einen Euro heruntergeladen werden konnte, selbst wieder einen verstärkten Einstieg in die Welt des Bling-Bling starten können. Inzwischen ist die App in der aktualisierten Version sogar kostenlos mit 13 Filtern erhältlich.
Die Sommer-Saison 2018 war dafür ein eindeutiger Beleg, als Glitzerteile die absoluten Eyecatcher bei Marken wie Fendi, Saint Laurent, Marc Jacobs oder Halpern waren. Nicht nur Klamotten funkelten im reflektierenden Lichterglanz, sondern auch Accessoires wie Schuhe oder Handtaschen. Daran hat sich in der Wintersaison 2018/2019 nichts geändert, Bling-Bling hat weiterhin Hochkonjunktur. Neu ist, dass inzwischen sogar Hosen-Anzüge im Paillettenglanz erstrahlen. Sequin Suits, wie die Teile im Englischen genannt werden, waren laut der internationalen „Cosmopolitan" auf nahezu jeder Catwalk-Show zu sehen. Das weltweite Interesse der Fashionistas für Pailletten ist jedenfalls ab der zweiten Jahreshälfte 2017 geradezu explodiert. Das lässt sich durch Zahlen der global führenden Online-Suchmaschine für Premium-Mode namens Lyst eindeutig belegen. Ein Anstieg von stolzen 42 Prozent hätte allerdings wohl niemand erwarten können. Schlagartig rückten daher Sequin-Klamotten unter die beliebtesten Fashion-Produkte vor.
Rascher Vormarsch auf Beliebtheitsskala
Neben der Instagram-App dürfte aber vor allem auch die aktuelle Rückbesinnung der Modemacher auf die grellen 80er-Jahre eine wesentliche Rolle beim großen Pailletten-Comeback gespielt haben. Schließlich hatte damals, auch noch in den frühen 90er-Jahren, das schillernde Disco-Fieber grassiert. Laut Lisa Aiken, der Fashion-Direktorin des in London ansässigen Online-Luxusmarken-Handels Net-A-Porter, ist die neue Lust am Disco-Glam nichts anderes als ein „Vintage Mash-up". Also ein nostalgisches Neuanrühren, des Eighties-Looks für die neue It-Girl-Generation rund um Gigi Hadid, Kendall Jenner oder Kaia Gerber.
Zudem sei, so Lisa Aiken weiter, generell ein enormer Anstieg des Interesses für elegante Damen-Abendgarderobe zu
verzeichnen. Dafür seien gerade Pailletten, Kristalle oder auch Federn die wesentlichen Schmuckdetails. Bislang wurden Pailletten-Klamotten meist nur zum Jahresende rechtzeitig zum Weihnachtsfest und natürlich vor allem zu Silvester aus dem Kleiderschrank hervorgeholt. Ob sie künftig auch fern der hohen Festtage die normale Abendgarderobe bestimmen werden, bleibt abzuwarten.
Wer möchte, kann im neuen Bling-Bling-Fieber auch eine modische Gegenoffensive zur über eine Dekade dauernden Regentschaft des Minimalismus sehen. Dort hatten Céline, Jil Sander oder The Row vor allem gedeckte Farben und konturlose Silhouetten dominiert. Spätestens seit Alessandro Michele bei Gucci das Kreativ-Ruder übernommen hat, ist modischer Maximalismus wieder mega-angesagt. Das schlägt sich in frechen und leuchtend-farbigen Klamotten und Accessoires nieder, wie sie besonders bei den Instagram-Jüngerinnen derzeit absolut gefragt sind.
Zur Erinnerung: Bling-Bling ist keineswegs eine Erfindung der modernen Gesellschaft. Schließlich reicht die Geschichte der Paillette Tausende von Jahren zurück. Das Wort ist abgeleitet vom französischen „paille", was übersetzt „Stroh" bedeutet, weil die Plättchen im 19. Jahrhundert oft aus aufgeschnittenen Strohhalmen gestanzt wurden. Schon die alten Ägypter ließen sich winzige Plättchen aus purem Gold auf ihre Kleidung nähen. Danach galt der aufwendige Klamotten-Zierrat lange als Privileg der Wohlhabenden. Bis das in St. Gallen ansässige Textilunternehmen Schlaepfer im Jahr 1963 ein Weltpatent für die industrielle Produktion von Paillettenstoffen auf Strickmaschinen anmeldete. Jedes Plättchen konnte dank des neuen Verfahrens fortan von der Maschine einzeln auf den Stoff aufgenäht und dieser dadurch wie andere Meterware verarbeitet werden.
So kam in den 60er-Jahren industrieller Glanz in die Haute Couture. Und es waren Designer wie André Courrèges, Pierre Cardin oder das Haus Dior, welche die neuen Möglichkeiten zuerst nutzten. Die Paillette wurde gewissermaßen demokratisiert und spätestens nach Ablauf des Patents 1985 auch für die Masse durch millionenfaches Kopieren erschwinglich. Längst gibt es Pailletten-Kleider daher auch für kleines Geld.
Ein Ausflug ins Glitzer-Wunderland
Heute sind die Plättchen winzige Scheibchen, die in der Mitte eine Ausstanzung und im Schnitt einen Durchmesser von rund sechs Millimetern haben. Sie sind meist aus metallisierter Polyesterfolie gearbeitet und können sogar Wasch- und Bügelprozeduren mehr oder weniger schadlos überstehen. Zur Fixierung auf den Klamotten werden sie entweder aufgeklebt oder maschinell mit einem Perlon-Faden aufgenäht, was sich je nach Verfahren im Preis entsprechend zeigt. Noch teurer sind natürlich Designer-Stücke, bei denen die Sequins noch von Hand aufgenäht werden.
Wer es diesen Winter ordentlich glamourös krachen lassen möchte, hat die Qual der Wahl. Für den Ausflug ins Glitzerwunderland halten die Designer von Schuhen oder Handtaschen bis hin zu Röcken, Kleidern, Jacken, Mänteln, Hosen, Overalls oder Blusen die perfekten Teile bereit. Sparkle, Sparkle überall. Überraschung: Diesen Winter gibt es zusätzlich auch jede Menge Sequin Suits zu kaufen. Selbst in der sportiven Variante Glamour-Jogging-Anzüge sind diese zu bestaunen, beispielsweise in der Kollektion von Dolce und Gabbana.
Doch für den perfekten Abendgala-Look wird frau sich zweifelsfrei für die eleganteren Umsetzungen entscheiden. Diese stellen eine tolle Alternative zum Damensmoking in der Nachfolge von Yves Saint Laurents legendärer Neuschöpfung aus dem Jahr 1966 dar. Tadashi Shoji ist ein in Rosé-Gold glitzerndes Meisterwerk gelungen. Auch aus dem Rahmen des Gewöhnlichen herausfallend ist der mit grünen Plättchen übersäte Anzug von Greta Constantine. Der dunkelblaue, mit Sequin-Streifen überzogene Suit von Malan Breton schnürt die Taille eng ein. Und auch die Stücke von Christian Cowan, Balmain oder Tom Ford dürften mit der App Kirakira+ zu vollem Leben
erblühen.