Mit Superlativen sorgt das Historische Museum Saar mit der Ausstellung „Steinerne Macht. Burgen, Festungen, Schlösser in Lothringen, Luxemburg und im Saarland" für Furore.
Über 100 ausgewählte Objekte, 1.300 Quadratmeter Ausstellungsfläche, 35 Leihgeber aus Frankreich, Luxemburg, Belgien und Deutschland, Teamarbeit von 28 international renommierten Experten, fotorealistische Computer-Rekonstruktionen, atemberaubende Videoaufnahmen und acht Multimedia-Infotheken. Simon Matzerath, seit zwei Jahren Leiter des Museums, hat für seine erste von ihm konzipierte Ausstellung wahrlich nicht „gekleckert". Mit dem Etat von 150.000 Euro ist es ihm gelungen, etwas Großes auf die Beine zu stellen: Eine Sonderausstellung, die über das Saarland hinaus strahlt und nicht nur für den Besucher aufschlussreich ist, sondern auch für die Geschichtsforschung in der Großregion Saar-Lor-Lux.
Die Sonderausstellung „Steinerne Macht. Burgen, Festungen, Schlösser in Lothringen, Luxemburg und im Saarland" gibt detaillierte Einblicke in Bau- und Lebensgeschichte von Burgherren, Rittern und Burgfräulein entlang von Saar und Mosel, angefangen von den ersten einfachen mittelalterlichen Burgen bis zur geplanten NS-Ordensburg an der Saarschleife.
„Es ist die größte Ausstellung im Historischen Museum seit seiner Gründung 1985", erzählt Simon Matzerath, der damit sozusagen seine Visitenkarte als neuer Museumsleiter abgibt. „In kürzester Zeit haben wir mit unserem grenzüberschreitenden Projekt die rund 1.100-jährige Geschichte der Burgen, Festungen und Schlösser im Saar-Lor-Lux-Raum aufgearbeitet. Dabei ging es uns nicht um eine reine baugeschichtliche Darstellung, sondern wir machen exemplarisch deutlich: Wer hat gebaut, wie hat der Bauherr gelebt, welche Eigenheiten zeichnen die Anlagen aus? Unsere ausgewählten Exponate werfen exemplarisch Schlaglichter auf Aspekte des Alltags einfacher und hochgestellter Menschen in den Anlagen. Wir zeigen, wie sie bewaffnet waren, wie sie über Liebe gedacht, welche Konsumgüter sie genutzt und wie Handwerker der damaligen Zeit gearbeitet haben."
Zu sehen sind großformatige fotorealistische Computer-Rekonstruktionen vom Homburger Schloss Karlsberg, Schloss La Fontaine in Luxemburg und von der Burg Alt-Montclair, die von einem Spezialisten in Amsterdam gefertigt wurden, Originalbaupläne des Saarbrücker Renaissance-Schlosses, ein Reiterschwert aus der Burg Illingen, Ledersohlen aus dem Umfeld der Köllerbacher Burg Bucherbach, Ritterrüstungen, ein silberner Trinkkelch mit einem speziellen Geheimnis – einer nackten Dame auf der Unterseite des Deckels – und vieles mehr. Die Exponate lassen Bauwerke und Bauherren lebendig werden und lenken immer wieder den Blick auf die einst große heimische Burgenlandschaft.
Dabei fühlt sich der Besucher keineswegs erschlagen von der Aneinanderreihung geschichtlicher Objekte. Das Ausstellungskonzept lenkt den Blick vom Großen zum Kleinen. Wer sich für Details interessiert, wird in den kleinen Vitrinen fündig. Für den Überblick sorgen großformatige Gemälde, die 3-D-Computer-Rekonstruktionen von Burg- und Schlossanlagen und kurze, Überblick verschaffende Filme und Infotafeln, lobenswerterweise auf Deutsch, Französisch und Englisch verfasst.
Dauerhafte Neuerungen
Gleich am Anfang der Ausstellung – auf der ersten Etage – dreht sich alles um „Schloss Karlsberg". Vom Pfalz-Zweibrücker Herzog Karl II. August war es gar prächtiger als das Schloss Versailles erbaut worden, 1793 fiel es in den Revolutionskriegen einer völligen Zerstörung zum Opfer. „Um dieses Schloss ranken sich viele Mythen, heute ist nur noch ein Loch im Wald vorhanden." Das großformatige Gemälde des Bauherren, Karl II. August Christian, Herzog von Pfalz-Zweibrücken, zieht den Betrachter gleich am Eingang in die Ausstellung hinein. Seine vergoldete Kaminuhr oder eine aufwendig geschmiedete Original-Türklinke von Schloss Karlsberg lassen den Prunk des Herrschaftssitzes erahnen.
Dem Barockschloss gegenübergestellt haben Simon Matzerath und sein siebenköpfiges Team in der zweiten Etage eine Rekonstruktion des Schlosses La Fontaine im luxemburgischen Vorort Clausen, ein Renaissance-Schloss, das einst europaweit Maßstäbe gesetzt hat. Auch dieses Schloss wurde im 17. Jahrhundert größtenteils zerstört. Wie es einmal aussah, kann man nun in Saarbrücken bestaunen.
Für viele Saarländer sicherlich neu wird der Blick auf die Burgenlandschaft an der Saarschleife sein. Neben einer keltischen Befestigung finden sich Reste einer Turmhügelburg aus dem 10. bis 12. Jahrhundert, der beiden Burgen Alt-Montclair und Neu-Montclair und auch Pläne für eine NS-Ordensburg. Sechs dieser Kaderschmieden für ihren Nachwuchs hatten die Nationalsozialisten geplant, drei wurden realisiert, eine sollte an der Saarschleife stehen. Wenn auch die Originalpläne dieser NS-Ordensburg verbrannt sind, so gibt es doch Fotos davon, die im Kölner Museum aufbewahrt werden und nun erstmalig im Saarland zu sehen sind. Die rekonstruierten Ruinen von Alt-Montclair mit Blick auf die Burg Neu-Montclair ermöglichen eine völlig neue Sicht auf die Saarschleife.
Im Untergeschoss des Museums, in 14 Metern Tiefe, wartet ein weiteres Glanzstück: die Relikte der mittelalterlichen Burg mit Schießkammer, Wehranlagen und Kasematten aus dem 16. Jahrhundert. Sie waren über Jahrhunderte unter der Erde verborgen und sind nun als multimedialer Erlebnisraum ins Museum integriert. 80 dimmbare LED-Lichter erzeugen Ruinenatmosphäre à la Indiana Jones. Neue Videoinstallationen zeigen Räume, die bislang für Besucher nicht zugänglich waren, wie beispielsweise einen 23 Meter langen Wasserleitungsstollen zur Zisterne. Diese dauerhafte Neuerung im Souterrain des Historischen Museums wird sicherlich auch nach dem Abbau der Sonderausstellung am 23. Juni 2019 Besucher anziehen.
Apropos Besucherströme: Die Sonderausstellung ist auch für Kinder und Jugendliche dank altersgerechter Führungen von einer Stunde geeignet.