Videospiele sind Kulturgut. Wenn man dem Bundesverband Game glauben mag, ändert sich die Sichtweise auf Spiele in Deutschland. Dem Trend folgt auch das Saarland: Erstmals verleiht es am 19. Dezember den Game-Award Saar und stellt Geld für die Spieleförderung im Landeshaushalt bereit.
Zugegeben, gemessen an den Fördertöpfen in anderen Bundesländern sind es „Peanuts". 100.000 Euro macht das Saarland locker, um digitale Spiele zu fördern. Rouven Schumacher, Student an der saarländischen Hochschule für Bildende Künste und Erfinder des Videospiels „My friend Alvin", findet das super. Er hat sich für den in diesem Jahr erstmals ausgelobten Game-Award Saar angemeldet, der am 19. Dezember verliehen wird.
„My friend Alvin" erzählt die Geschichte eines Mädchens, das in seiner Fantasie Abenteuer mit einer feuerspeienden und ziemlich taffen Echse namens Alvin erlebt. Es ist ein klassisches Jump’n’Run-Spiel, gezeichnet in klarem Comic-Stil und mit dem Twist, dass der Spieler das Mädchen Jessica und die Echse Alvin nacheinander steuern muss, um die kniffligen Aufgaben zu lösen. Gelegentlich hakelt es hier und da im Spiel noch ein wenig, aber die Arbeit am Endprodukt geht voran. Außer Schumacher arbeiten Van An Nguyen und Tim Düwel an Charakteranimationen und der Programmierung des Spiels. Drei Leute – mehr braucht es heute nicht mehr, um eine Idee als Spiel umzusetzen.
Uwe Conradt spielt privat gern mal das Strategiespiel „Clash of Clans" auf dem Smartphone. Geboren wurde die Idee einer Spieleförderung im Saarland nach dem „Saarcamp 2017" und mehreren Gesprächen mit Entwicklern, erläutert der Direktor der Landesmedienanstalt. „In anderen Bundesländern werden Games über die Filmförderung unterstützt, daher sollten wir im Sinne der Medienstandortförderung im Saarland diese Aufgabe ebenfalls übernehmen", so Conradt. Dass es „nur" 100.000 Euro sind, liegt zum einen daran, dass dieser Schritt der erste sein sollte. „Mit dieser Summe wollen wir zeigen, dass wir es können, dass man mit diesem Geld schon etwas erreichen kann." Schon kleine Summen helfen Start-up-Unternehmen und Gründern häufig weiter. Klar sei, dass in einem Haushaltsnotlage-Land solche Posten immer einer besonderen Argumentation bedürfen. „Videospiele sind Technologietreiber. Sie fördern kreative Kompetenzen wie auch das Programmieren – Fähigkeiten, die auch in anderen Technologiebereichen notwendig sind. Das gibt uns einen strategischen Vorteil." Zum Beispiel im industriellen Bereich. Die Idee: Wer eine Spiele-App programmieren kann, kann auch kreativ mit den Bedürfnissen von Unternehmen und industrienahen Apps umgehen.
Schon kleine Summen helfen
Trotzdem bleiben Games aus Deutschland Mangelware, international Beachtung finden sie dennoch. Das zeigen einige Beispiele der vergangenen Jahre: 2016 überraschte der Echtzeit-Strategiehit „Shadow Tactics" von Mimimi Productions in München; die deutschen Games-Veteranen von Piranha Bytes legten 2014 den lang ersehnten Gothic-Nachfolger „Risen 3" vor; das zweite deutsche und „alteingesessene" Videospielhaus Daedalic veröffentlichte 2012 den ersten Teil der erfolgreichen Point-and-Click-Trilogie rund um den Müllplaneten „Deponia".
Nach wie vor ist die Förderung von Spielen reine Ländersache – im Gegensatz zu Filmen. Seit 1968 schüttet die deutsche Filmförderungsanstalt in Berlin stattliche Gelder aus – 2017 standen für die Förderung des Films laut Geschäftsbericht rund 153 Millionen Euro zur Verfügung, außerdem fördern einzelne Bundesländer mit eigenen Gesellschaften Filme. Ein bundesdeutscher Game-Fonds soll nach dem Willen der Branche die Wettbewerbsnachteile zu anderen Ländern mit starkem Videospieleabsatz – USA, Kanada, Japan oder Korea – ausgleichen, 50 Millionen Euro schwer sollte er schon sein, so der Branchenverband Game im April des Jahres. Die Lobbyarbeit der Entwicklerbranche scheint sich nun gelohnt zu haben: 2019 stehen erstmals im Deutschen Games-Fonds die geforderten 50 Millionen Euro bereit.
Starke Argumente dafür gibt es: Das Videospiel wandelt sich zum Kulturgut. Deutschland ist mittlerweile mit einem Volumen von vier Milliarden Euro der größte EU-Markt und der fünftgrößte für Spiele weltweit, der mittlerweile ein Gesamtvolumen von 120 Milliarden Euro laut Branchentrendbericht des Marktbeobachters Newzoo erreicht hat. 44 Millionen Deutsche spielen, 49 Prozent der Frauen und 46 Prozent der Männer am Smartphone, 20 Prozent der Frauen und 29 Prozent der Männer am Computer, der Rest an der Konsole. Die EU hat mittlerweile ebenfalls die Zeichen der Zeit erkannt. „Creative Europe Media", ein Fördertopf der EU, unterstützt ebenfalls die Spieleentwicklung, wenn auch mit einem vergleichsweise kleinem Etat von knapp vier Millionen Euro. Piranha Bytes zapfte den Fonds an, um sein aktuelles Rollenspiel „Elex" zu finanzieren – angeblich werde laut dem Fachmagazin „Games Wirtschaft" auch der Nachfolger gefördert.
„Aktuell sind die Rahmenbedingungen für die Spiele-Entwicklung in Deutschland international kaum konkurrenzfähig. Jetzt muss es darum gehen, das konkrete Förderprogramm schnellstmöglich zu entwickeln und von der EU notifizieren zu lassen. Nur wenn der Games-Fonds kommt, haben wir die Chance, zu den internationalen Hotspots der Spiele-Entwicklung aufzuschließen", sagt Felix Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Game.
50 Millionen Euro vom Bund 2019
Das Saarland könne dabei seine kurzen Wege gewinnbringend ausspielen, glaubt Uwe Conradt – vor allem angesichts der Spitzenforschung am DFKI und am CISPA, der Universität, der Hochschule für Technik und Wirtschaft, „aber auch die Hochschule für Bildende Künste mit dem Studiengang Media Art und Design oder die Hochschule für Musik können ihre Beiträge leisten – Computerspiele leben schließlich auch von der musikalischen Atmosphäre." Auch in dem Konzept Gamification sieht Conradt Potenzial. Dabei geht es darum, ernsthafte Inhalte, beispielsweise aus der Bildung, mit spielerischen Mitteln, also auch per Computerspielen, zu vermitteln. „Spiele und Bildung werden oft als getrennte Konzepte wahrgenommen. Führt man sie zusammen, schafft man es in diesem Spannungsverhältnis womöglich eher, Menschen zu erreichen."
Die nun ausgelobten Game-Awards, die am 19. Dezember vergeben werden, sind an Kriterien gekoppelt. Es geht darum, den Jugendschutz einzuhalten. Die Frage bleibt, ob Egoshooter auch gefördert werden sollten. Vor allem in der politischen Diskussion werden diese immer noch skeptisch beäugt, die Killerspiel-Debatte verebbt nur langsam. Conradt: „Das ist eine Frage, die innerhalb der Jury beantwortet werden sollte. Ich persönlich sehe keine gesellschaftliche Relevanz darin, den vorhandenen Egoshootern auf dem Markt noch einen weiteren hinzuzufügen. Aber wir müssen aufpassen, nicht von vornherein eine Diskussion um die gesellschaftliche Relevanz von Computerspielen loszutreten. Wir sollten erst einmal schauen, welche neuen Konzepte und Prototypen eingereicht werden, und das Konzept Egoshooter ist natürlich jetzt nicht neuartig."
Mit 100.000 Euro und ausgelobten Preisgeldern beim Game-Award Saar von bis zu 10.000 Euro trägt das Saarland höchstens einen Bruchteil dazu bei, Deutschland in Sachen Spieleförderung voranzubringen. Doch auch hierzulande gibt es Entwickler, die sich bereits über kleinere Beträge als Unterstützung und Anerkennung ihrer Idee freuen würden.