Die Landtagswahlen 2019 werden zeigen, ob AKK die CDU einen kann
Der politische Aufstieg von Annegret Kramp-Karrenbauer ist atemberaubend. Bei den Saar-Landtagswahlen im März 2017 holte die Ministerpräsidentin mehr als 40 Prozent für ihre CDU. Der Hype um den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz erhielt damit seinen ersten Dämpfer, der Schulz-Zug kam ins Stocken. Im Februar 2018 wagte AKK den Sprung nach Berlin und wurde mit einem Traumergebnis von fast 99 Prozent zur Generalsekretärin der CDU gewählt. Seit Freitag vergangener Woche ist sie Parteichefin – als Nachfolgerin von Angela Merkel, die dieses Amt 18 Jahre innehatte.
Steiler geht es kaum, zumal AKK mit dem früheren CDU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz und Gesundheitsminister Jens Spahn gegen starke Konkurrenten antrat. Die Saarländerin gewann – wenn auch knapp. Ausschlaggebend war, dass sie über Pfunde verfügt, die keiner ihrer Wettbewerber aufzubieten hat: Regierungserfahrung, den Nimbus einer Wahlsiegerin, Frische, Leidenschaft und Authentizität. Hinzu kam, dass sie beim Parteitag in Hamburg die Rede ihres Lebens hielt. Kämpferisch – aber nicht verletzend, optimistisch und nach vorne blickend riss sie die Delegierten mit.
Im Gegensatz dazu wirkte der für seine zündende Rhetorik gerühmte Merz wie aus der Zeit gefallen. Nüchtern im Ton deklinierte er seine Themen durch, fast wie bei einer Power-Point-Präsentation im Leitungsgremium eines Unternehmens. Es war ein ordentlicher Auftritt, aber ohne Feuer. Zu wenig, um den Saal zu begeistern. Man merkte Merz an, dass er seit neun Jahren nicht mehr im Bundestag sitzt und den Sensor für die Schwingungen in der Partei wohl verloren hat. Seine zahlreichen Aufsichtsratsmandate – etwa beim US-Vermögensverwalter Blackrock – verliehen ihm zudem die kalte Aura der Wall Street. In Deutschland kommt so etwas nicht gut an. Dagegen präsentierte sich AKK als Spitzenpolitikerin und Mutter von drei Kindern. Eine Frau, die mitten im Leben steht.
Dennoch: Trotz seiner vergleichsweise schwachen Vorstellung hat Merz in Hamburg Akzente gesetzt, die in der CDU großen Anklang finden. Der Beifall für seine „Agenda der Fleißigen", die höhere Nettolöhne für hart arbeitende Menschen vorsieht, war stark. Auch das Plädoyer für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, für eine schärfere Abgrenzung von SPD und Grünen, für Limits bei der Flüchtlingsaufnahme sowie für eine harte Gangart gegenüber der AfD traf den Nerv vieler Parteitagsteilnehmer.
Kramp-Karrenbauer verkaufte sich als jüngere und weniger verbrauchte Vertreterin eines Merkel-Kurses der Mitte. Allerdings hat AKK eine konservative Grundierung, die der Kanzlerin abgeht: etwa mit der Betonung des „C" bei den Christdemokraten, ihrer Ablehnung der Homosexuellen-Ehe oder beim härteren Umgang mit straffälligen Asylbewerbern.
Die neue CDU-Chefin weiß natürlich, dass durch die Union ein Riss geht. Doch sie versucht, die Unterschiede kleinzureden und ruft ihre Partei zur Geschlossenheit auf. Hinter der Beförderung des konservativen JU-Vorsitzenden Paul Ziemiak zum Generalsekretär steckt ein taktischer Schachzug: Damit soll der rechte Unionsflügel um Merz und Spahn befriedet werden. Die Personalie ist heikel. Der 33-Jährige hat wenig Erfahrung – schon gar nicht bei der Integration von Strömungen, die nur schwer zusammenzuführen sind. Ob Ziemiak diese Aufgabe meistern kann, bleibt abzuwarten.
Die CDU ist eine komplexe Volkspartei. Der eine Teil hat einen Links-, der andere einen Rechtsdrall. Kramp-Karrenbauer steht für eine sozialpolitische und ökologische Grundausrichtung, die Anhänger von Merz für Wirtschaftsliberalismus und Leistungsgerechtigkeit. In der Flüchtlingspolitik sieht sich AKK in der Kontinuität von Bundeskanzlerin Merkel. Die Merz-Leute pochen hingegen auf Begrenzung und scheuen sich auch nicht vor dem Begriff „nationale Identität". Für künftige Koalitionen heißt dies: Kramp-Karrenbauer ist offener für eine Annäherung an Grüne und SPD, das konservative Lager liebäugelt eher mit der FDP.
Kann Kramp-Karrenbauer den Laden zusammenhalten? Sie wird versuchen, mit einer offenen Debattenkultur einen Kontrapunkt zu Merkels „bleierner Zeit" (AKK) zu setzen. Die wichtigste Währung bei der CDU sind Wahlsiege. Der wahre Test für die neue Parteichefin sind die Landtagswahlen 2019 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.