Durch die jüngste Entdeckung von 20 kosmischen Blinksignalen ist die Zahl der bislang weltweit registrierten schnellen Radioblitze auf 34 gestiegen. Ihre Entstehung und die Ausbildung ihrer gigantischen, 500 Millionen Sonnen entsprechenden Energie ist ein Rätsel.
Sie sind eines der größten Mysterien der modernen Astronomie. Und dauern nur Tausendstelsekunden, wobei sie allerdings eine so gewaltige Energiemenge wie 500 Millionen zeitgleich strahlende Sonnen freisetzen können. Die Rede ist von schnellen Radioblitzen oder „Fast Radio Bursts", die erst 2006/2007 entdeckt wurden und von denen seitdem trotz intensivster Himmelsbeobachtung mittels immer größerer und technisch aufgerüsteter Teleskope erst gerade mal 34 registriert werden konnten. Alleine 20 Radioblitze konnten australische Forscher unter der Leitung von Ryan Shannon von der Swinburn-Universität in Melbourne und Jean-Pierre Macquart von der Curtin-Universität in Perth bei einer systematischen Suche zwischen Januar 2017 und Februar 2018 bis auf ein Tausendstel Grad genau am Himmel lokalisieren.
Dafür benutzte das Wissenschaftsteam den aus 36 Einzelteleskopen bestehenden „Australian Square Kilometre Array Pathfinder" (ASKAP), der es ihm erlaubte, einen Himmelsbereich abzudecken, der rund tausendmal größer war als der Vollmond. Die von den Astronomen kürzlich im Fachmagazin „Nature" veröffentlichte Studie bestätigte die Annahme, dass die Blitze ganz weit aus den Tiefen des Alls, weit jenseits unserer Galaxie namens Milchstraße, kommen müssen. Außerdem resultieren daraus auch neue Ansätze zur Untersuchung der Materie zwischen den verschiedenen Galaxien des Universums. Jedes Mal, wenn ein Radioblitz auf seinem Weg eine intergalaktische Gaswolke passiert, wird seine Strahlung bei verschiedenen Wellenlängen unterschiedlich stark abgebremst. „Wenn der Blitz schließlich die Erde erreicht, kommt die Spanne seiner Wellenlängen zu leicht unterschiedlichen Zeiten an, wie Schwimmer an der Ziellinie", so Macquart. „Die genaue Zeitmessung bei der Ankunft der verschiedenen Wellenlängen verrät uns, wie viel Material der Blitz auf seiner Reise durchquert hat. Und da wir gezeigt haben, dass die kurzen Radioblitze von sehr weit weg kommen, können wir sie benutzen, um die bisher fehlende Materie zwischen den Galaxien zu detektieren, was eine wirklich spannende Entdeckung ist."
Weit aus den Tiefen des Weltalls
Die nur Millisekunden lang dauernden Blinksignale mit ihrem immensen Ausbruch von Radiostrahlung geben der Astronomie aber noch eine Vielzahl von Rätseln auf. Vor allem ist nach wie vor ungeklärt, was die Blitze eigentlich auslöst oder wie sie entstehen. Immerhin konnten die australischen Forscher bei ihrer Arbeit feststellen, dass keiner der von ihnen identifizierten Blitze während des Beobachtungszeitraums ein zweites Mal ein Signal ausgesandt hatte. Daraus war früher die These abgeleitet worden, dass es sich bei den Radioblitzen um ein einmaliges Phänomen handeln musste. Mutmaßlich wurde eine kosmische Katastrophe als Auslöser angenommen, beispielsweise die Kollision von zwei Sternen oder die Verschmelzung von Neutronensternen. Nach Abschluss dieses kosmischen Ereignisses konnten von diesem Punkt im All eigentlich keine Lichtsignale mehr ausgehen.
Die These des einmaligen, kurzen Ausbruchs sollte jedoch im Jahr 2015 gründlich widerlegt werden. Mithilfe des weltweit größten Einzelteleskops, des Arecibo-Radioteleskops in Puerto Rico, konnte ein auf den Namen FRB 121102 getaufter Radioburst im Himmelsbereich des Sternbilds Fuhrmann ausfindig gemacht werden, der Blitze gewissermaßen in Serie aussendet. Er wurde einer etwa drei Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernten Zwerggalaxie zugeordnet. Bislang konnten schon mehr als 200 Hochenergiepulse unterschiedlicher Intensität, Helligkeit und abweichendem Spektralverhalten bei ihm registriert werden. Die Messungen legten die Vermutung nahe, dass es sich bei ihm um eine vergleichsweise kleine Quelle handeln muss, möglicherweise um einen schnell rotierenden, nur rund zehn Kilometer großen Himmelskörper, was für einen Neutronenstern sprechen könnte.
Radioburst FRB 121102 sendet Blitze in Serie aus
Dabei stellte sich vor allem die Frage, wie ein solcher Winzling eine solch enorme Energiemenge freisetzen kann. Dass die Blitze dieses Himmelskörpers zu 100 Prozent linear polarisiert sind, sprich, alle nur in der gleichen Richtung ausschwingen, reicht allein als Erklärung nicht aus. Für viel wesentlicher halten Experten einen sehr starken Faraday-Effekt, eine gewaltige Rotation, wodurch die Polarisationsrichtung gleichsam verdreht wird. „Eine derart starke Faraday-Rotation kennen wir bislang nur für die Strahlung aus der Umgebung massereicher schwarzer Löcher", verriet Jason Hessels vom Niederländischen Institut für Radioastronomie in der „Nature". Die Radiobursts könnten demnach von Neutronensternen in der unmittelbaren Umgebung von extrem massereichen schwarzen Löchern stammen. „Es bleibt aber die Frage, wie ein rotierender Neutronenstern die gewaltige Energie eines Radioblitzes erzeugen kann", so Hessels Kollege Vishal Gajjar von der University of California in Berkeley.
Daher werden in der Forschung weiterhin auch andere Erklärungsversuche für die Entstehung der Radioblitze verfolgt. Dabei wird häufig ein junger, bei einer Supernova entstandener, extrem energiereicher Neutronenstern genannt, ein Himmelskörper mit einem geringen Durchmesser von vielleicht 20 Kilometern, aber mit einer gewaltigen Dichte. Solche Neutronensterne rotieren schnell und verfügen über ein unvorstellbar starkes Magnetfeld. Grundsätzlich zu klären wird künftig auch noch sein, ob der FRB 121102 gewissermaßen ein Exot unter den Radioblitzen ist oder ob alle anderen auf ähnliche Weise funktionieren und entstanden sind. Nicht auszuschließen ist zudem die Möglichkeit, dass es nicht nur einen, sondern vielfache Auslöser der Radiobursts geben könnte. Dabei könnte sogar auch wieder die kosmische Katastrophen-These mit ins Spiel kommen. Diesbezüglich verweisen manche Forscher auf das Beispiel der riesigen Gammastrahlungsblitze, bei denen auch mindestens zwei verschiedene Mechanismen bekannt seien, um kurze und lange Eruptionen zu erklären.