Jahr für Jahr, immer im Dezember und Januar, bietet das Amsterdam Light Festival innovativen Lichtkünstlern aus aller Welt ein Forum und lockt Hunderttausende Besucher an.
In diesem Jahr lautete die Aufgabe für die sich bewerbenden Lichtartisten, sich in ihren Arbeiten vom Motto des kanadischen Medienwissenschaftlers Marshall McLuhan („The medium is the message" – „Das Medium ist die Botschaft") inspirieren zu lassen. McLuhan betrachtet Medien und Technik ausgehend vom menschlichen Körper, als Erweiterung unserer Sinnesorgane.
Das Lichtfestival ist eines der bedeutendsten in Europa. Aus mehreren Hundert Einreichungen – diesmal waren es mehr als 600 Bewerbungen – wählte die international besetzte Jury wieder die besten Arbeiten – rund 40 Installationen – für die Präsentation im öffentlichen Raum aus. Seit 2012 sind inzwischen mehr als 200 Lichtkunstwerke entstanden – ein Teil davon wird in eine spezielle Kollektion aufgenommen, die auf Tournee geht und in verschiedenen Teilen der Welt gezeigt wird.
In Anknüpfung an McLuhans Überlegungen beschäftigen sich die ausgewählten Lichtkünstler in ihren Installationen etwa mit der Frage, welche Rolle das Licht als Botschaft oder als Medium spielt. Wie etwa kann Licht Räume schaffen, die ansonsten unsichtbar bleiben würden?
Eine Verbindung von Kunst und Physik ist beispielsweise die Arbeit des Berliners Stefan Reiss, der sich bei seiner Arbeit „O. T. 976" von der Theorie inspirieren ließ, dass alles im Universum durch kleine vibrierende Saiten verbunden ist. Das symbolisiert er durch Dutzende von Kabeln. Ausdruck für eine Form, welche sich endlos weiter entfalten könnte. Einen Prozess, der unserer Gehirnaktivität ähnelt, zeigt die aufblasbare Installation A. N. N. (Artificial Neuronal Network) der ungarischen Künstlergruppe Korus Design: Künstliche neuronale Netze zählen längst zu den einflussreichsten Medien der Gegenwart –
sie werden etwa für selbstfahrende Autos, Spracherkennung oder personalisierte Filter in sozialen Medien verwendet.
Die Niederländerin Frederike Top, die in Amsterdam ein Designstudio betreibt, setzt sich in ihrer Arbeit „Code" kritisch mit dem Finanzsystem, speziell mit der Rolle der Banken, auseinander. Die Installation, eine Sequenz von 34 Zeichen aus handschriftlichen Buchstaben und Zahlen, stehen für die Adresse eines Bitcoin-Wallets.
Installation aus 34 Zeichen
Frederike Top verknüpft ihre Arbeit mit einer sozialen Aktion und sammelt Spenden für das „Huis van de Tijd", das sich um Demenzkranke kümmert. Dank der Spenden sollen sie das Festival vom Boot aus erleben und genießen können. „Heutzutage wird viel online erfasst, in einer Codesprache. Bitcoin ist ein schönes Beispiel, um den digitalen Fortschritt zu zeigen und das mit einer wohltätigen Aktion zu verbinden", so die Künstlerin.
Da „Code" sich vor einem ehemaligen Bankgebäude befinde, betone sie mit ihrer Arbeit auch die Reibung zwischen dem „alten" und dem „neuen" Finanzsystem. „Wenn ich mich so umsehe in unserer heutigen Gesellschaft, sehe ich, dass viele Systeme nicht mehr zu unserem Lebensstil passen, in vielen Bereichen suchen Menschen nach neuen und besseren Lösungen."
Felix Guttmann, der Initiator des Amsterdamer Lichtfestivals, in diesem Jahr für seine Verdienste von Bürgermeisterin Femke Halsema für seine Verdienste besonders ausgezeichnet, ist mehrfacher Firmengründer. Er legte den Grundstein für einige Unternehmen, darunter Canal Company, heute eine der führenden Sightseeing-Firmen in Amsterdam. Darüber hinaus unterrichtete er MBA-Studenten, brachte verschiedene Amsterdamer Start-ups auf den Weg und übernahm Vorstandsaufgaben bei NGOs: „Ich stamme aus einer Künstlerfamilie, meine Vorfahren waren als Direktoren beziehungsweise Produzenten an Theatern aktiv." Guttmann wollte etwas schaffen, dass den Amsterdamern helfen sollte, gut durch die dunklen Winternächte zu kommen. Deshalb lud er vor einigen Jahren Rogier van der Heide, einen bekannten Lichtdesigner, damals VP und Chief Design Officer bei Philipps, ein, die Magere Brug, eine ikonische Brücke in der Stadt, ins rechte Licht zu setzen. Das war damals der Startschuss dafür, mit Lichtkunst die Stadt für Besucher in der dunklen Jahreszeit attraktiver zu machen. „Die Schönheit Amsterdams mit seiner Geschichte, den Brücken und Bauwerken, ist gewissermaßen ein Setting, welches den Lichtkünstlern fantastische Möglichkeiten gibt, sich auf kreative und originelle Weise mit der Geschichte der Stadt und ihren bedeutenden Bauten auseinanderzusetzen."
Dr. Lennart Booij, promovierter Kunsthistoriker und seit 2017 künstlerischer Leiter des Amsterdam Light Festivals: „Wir wollen Trends setzen, anstatt sie zu verfolgen, deshalb wählen wir jedes Jahr ein bestimmtes Thema, über das die Künstler nachdenken und somit auch ihre Kreativität sowie die Fähigkeit, etwas Innovatives zu schaffen, in einzigartiger Weise zum Ausdruck bringen können." Nachdem die internationale Jury die endgültige Auswahl der Werke getroffen hat, sucht das Kuratorenteam für jedes Kunstwerk den geeigneten Platz.
Im kommenden Jahr lautet das künstlerische Thema der dann achten Festivalausgabe „Disruption", verrät Lennart Booij. „Wir haben den Call for Concepts bereits eröffnet und freuen uns darauf, neue Künstler und Ideen in Amsterdam zu treffen. 2019 gibt es für die Besucher zum Beispiel eine neue Wasserroute. Sie wird in den östlichen Teil der Altstadt führen, der geprägt ist durch Bauwerke aus dem 19. Jahrhundert wie Werften, dem Zoo oder alten Bootsbauanlagen."
Möglich wird das alljährliche Festival-Erlebnis dank der Unterstützung und Mitwirkung vieler Partner und Sponsoren. So gibt es etwa eine Zusammenarbeit mit dem Amsterdam Creative Industries Network (ACIN), dem Amsterdam Institute of the Arts and Sciences (ARIAS), der Breitner Akademie – Amsterdam University of the Arts (AHK), dem städtischen Chief Technology Office, lokalen künstlerischen Initiativen wie Polderlicht sowie mit innovativen Lichtfirmen. Die Universitäten in Eindhoven, Delft und Twente spielen hier eine Rolle beziehungsweise leisten einen Beitrag, ebenso wie die wichtigen Player in der Lichtindustrie. Knapp eine Million Besucher lockt das Amsterdam Light Festival mittlerweile an, 2016 waren es rund 850.000 – Tendenz steigend. Rund ein Viertel von ihnen sind Amsterdamer, weitere 25 Prozent kommen aus dem Ausland, und etwa die Hälfte aus allen Teilen der Niederlande.
Wasserroute durch die Altstadt
Zu den Höhepunkten des diesjährigen Festivals – es ist eines der größten und wichtigsten in Europa – zählen beispielsweise der Amsterdam Light Walk, eine geführte Tour, bei der die Besucher zwischen zwei Routen – zehn und 15 Kilometer – wählen können. Die Veranstalter rechnen allein hier in diesem Jahr mit rund 7.000 Anmeldungen. Die Lichtkunst-Skulpturen lassen sich mit dem Rad, zu Fuß oder auch vom Wasser aus entdecken, die Reedereien bieten verschiedene Bootstouren an.
Neu in diesem Jahr ist auch die Möglichkeit, das Lichtfestival im Rahmen einer interaktiven, eigens entwickelten Theaterinszenierung, das die Installationen ergänzen soll, zu erleben. Diese ungewöhnliche Kombination aus Lichtkunsterlebnis und Theater ist eine Idee von Chris Bajema, der als Autor von „De Lichtcode" dieses Projekt zusammen mit Artifex und Canal Tours Amsterdam realisiert hat. „Die Teilnehmer tragen Headsets, hören zu jedem Kunstwerk sphärische Musik, regelmäßig unterbrochen durch kleine Geschichten, die zusammen eine spannende, mitunter auch lustige Handlung ergeben, wobei am Schluss alle erzählerischen Elemente zusammenlaufen". Zur Inspiration und Ideensammlung ist er die Festivalroute mehrmals mit dem Fahrrad abgefahren und hat sich dabei jede Menge Notizen gemacht. Auch die Logistik muss schließlich funktionieren. Schauspieler werden entlang der Kanäle mitmachen. „Jede Darbietung wird anders sein, mit überraschenden Momenten, da wir nicht wissen, wie gerade die Situation am Ufer und der Bootsverkehr sein werden. Je nachdem was passiert, wird das die Schauspieler beeinflussen".
Brandneu ist in diesem Jahr auch eine Partnerschaft mit Google, wie Geschäftsführerin Frédérique ter Brugge erklärt. „Bei der Eröffnung war Google Home beim spielerischen Einschalten der Lichter behilflich."
Eine weitere Besonderheit sind die zehn Stadtgeschichten, zusammengetragen vom Kunsthistoriker Koen Kleijn. Darin sucht er nach Verbindungen zwischen Amsterdam und dem McLuhan-Thema „Das Medium ist die Botschaft". Mehrere Organisationen und Institutionen unterstützen in diesem Jahr eines der Kunstwerke, das Van Gogh Museum beispielsweise die Installation „Starry Night", inspiriert durch Van Goghs gleichnamiges berühmtes Gemälde und realisiert durch das serbische Künstlerpaar Ivana Jelic und Pavle Petrovic. Erstmals in diesem Jahr können die Besucher für ihr Lieblingskunstwerk abstimmen – der Publikumspreis wird am letzten Wochenende des Festivals, das noch bis zum 20. Januar dauert, verliehen.