Strahlende Gesichter auf der einen, Enttäuschung auf der anderen Seite. Annegret Kramp-Karrenbauer geht im Dezember als Siegerin aus dem Wettstreit mit Friedrich Merz und Jens Spahn um den Parteivorsitz der CDU hervor. Bundeskanzlerin Merkel hatte nach 18 Jahren an der Spitze der Partei den Weg freigemacht.
Der CDU-Parteitag in Hamburg vom 7. bis 9. Dezember war sicherlich ein ganz außergewöhnlicher. Einer, bei dem viel Dampf abgelassen werden musste. Was wurde nicht alles spekuliert. Verschwörungstheoretiker hatten Hochkonjunktur. Es gab Parteiaustritte, und es gab vor allem viele Androhungen von Parteiaustritten. Kein Wunder: Es war ja auch eine Richtungsentscheidung für die CDU – und zwar eine mit äußerst knappem Ergebnis. Ganze 19 Stimmen fehlten Friedrich Merz am Ende zum Sieg. Viele seiner Anhänger sehen darin eine Entscheidung für den Kurs der Mitte mit sozialdemokratischen Anklängen der bisherigen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, der auch der neuen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer unterstellt wird.
Enttäuscht waren diejenigen, die gehofft hatten, mit einem CDU-Chef Merz die Partei nach 18 Jahren Merkel wieder auf einen konservativen Kurs mit leichter Ausrichtung nach rechts zu bekommen. Doch selbst Merz betonte wiederholt, mit ihm gebe es „keine Achsenverschiebung der Union nach rechts“. Trotzdem sei er in der Lage, die Hälfte der Anhänger, die zur AfD gegangen seien, wieder zurückzuholen. Die CDU müsse nur auf die richtigen Themen setzen.
So einfach ist das aber nicht. Dies musste die Schwesterpartei CSU bei der bayerischen Landtagswahl Mitte Oktober feststellen. Damals wanderten nach dem Versuch der CSU-Spitze, durch heftige Abgrenzung gegen den Merkel-Kurs in der Flüchtlingspolitik AfD-Sympathisanten bei der CSU zu halten, schließlich mehr Wähler zu den Grünen ab als zu den Rechtspopulisten.
Wählervotum oder Umfragen spiegeln immer auch die Zufriedenheit mit dem Handeln der Regierung wider. Im Sonntagstrend des Emnid-Instituts für die „Bild am Sonntag“ unmittelbar nach dem Parteitag legte die Union einen mageren Prozentpunkt im Vergleich zur Vorwoche zu und kam auf 29 Prozent. Die AfD verlor einen Punkt auf 14 Prozent. Die Grünen erzielten 19 Prozent und waren damit weiter zweitstärkste Kraft. Unverändert blieben SPD (15 Prozent), FDP und Linke (je neun Prozent).
Es ist mühsam, aus einem Umfragetief wieder herauszukommen. Und so dürfte es jetzt vor allem darauf ankommen, dass die Koalitionspartner CDU, CSU und SPD nach Monaten der Querelen endlich zu konstruktiver Zusammenarbeit finden.
Mühsamer Weg aus dem Umfragetief
Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer weiß, dass eine konstruktive Arbeit nur dann möglich ist, wenn die Enttäuschten in der CDU möglichst rasch ihren Frieden finden. Sie rief daher ihre unterlegenen Mitbewerber Merz und Jens Spahn auf, eine Spaltung der Partei zu verhindern. „Wir drei Kandidaten waren uns immer einig, dass jeder von uns Verantwortung dafür trägt, dass die Partei nach dieser Entscheidung zusammenhält.“ Schon auf dem Parteitag in Hamburg suchte sie den Kontakt zu Spahn. Erste versöhnliche Zeichen sind darin zu sehen, dass von den Spahn-Wählern wohl gut 40 Prozent ihr Kreuz in der Stichwahl bei Kramp-Karrenbauer gemacht hatten. Mit Merz suchte Kramp-Karrenbauer das Gespräch. Dieser sagte zwar eine Zusammenarbeit zum Wohle der Partei zu, wollte sich dafür aber nicht in die Parteiführung einbinden lassen.
Und die Koalitionspartner? Die SPD-Führung dürfte mit der Wahl Kramp-Karrenbauers einigermaßen zufrieden sein, auch wenn Merz manchem wohl mehr Gelegenheit geboten hätte, im Streit das Profil zu schärfen. Doch das ist auch ein zweischneidiges Schwert. Denn wo Streit hinführen kann, der vor allem der Profilbildung dient, haben die zurückliegenden Monate gezeigt. CSU-Chef Horst Seehofer erwartet mit Kramp-Karrenbauer an der CDU-Spitze einen Aufschwung für die Konservativen. „Ich bin mir sicher, dass die Union mit ihr wieder Wahlergebnisse über 40 Prozent erzielen kann“, sagte er. Sie habe im Saarland gezeigt, dass sie trotz schwieriger Lage Wahlen gewinnen kann.
Kramp-Karrenbauers Nachfolger im Amt des Generalsekretärs, Paul Ziemiak, soll der neuen Bundesvorsitzenden helfen, die Gräben in der CDU zu schließen. Der bisherige Vorsitzende der Jungen Union wird als Angebot an die Jugend und an die konservativen Anhänger von Merz und Spahn gesehen. Auf dem Parteitag hat dieses Angebot freilich noch nicht verfangen. Der 33-jährige Ziemiak erhielt nur knapp 63 Prozent Zustimmung. Ein „ehrliches Ergebnis“, wie er sagte, das ihm auch zeigt: „Es wird ein hartes Stück Arbeit, die Enttäuschungen sind da.“
Die Befriedung der Partei muss allerdings schnell gehen. Im Mai steht die Europawahl an, außerdem muss die CDU im nächsten Jahr schwierige Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen bestehen. In Thüringen und Sachsen liegt die AfD Umfragen von Mitte Dezember zufolge deutlich über 20 Prozent, in Thüringen mit dem Rechtsaußen Björn Höcke sogar fast gleichauf mit der CDU. Auf die neue CDU-Spitze wartet also jede Menge Arbeit.