Als letztes EU-Land wird die Bundesrepublik endlich die von Brüssel vorgeschriebene Hochschulausbildung für Hebammen auf den Weg bringen. Damit soll der hiesige Mangel an Geburtshelferinnen behoben und die Attraktivität des Berufes erhöht werden. Der Freistaat Bayern ist Vorreiter.
In seinem typischen Auftreten als jung-dynamischer Macher hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Oktober 2018 vollmundig die baldige Akademisierung der Hebammenausbildung verkündet. Wurde ja auch höchste Zeit, könnte man meinen, schließlich ist Deutschland das letzte EU-Land, in dem die Geburtshelferinnen und ihre männlichen Pendants namens Entbindungspfleger, von denen es derzeit bundesweit noch kaum mehr als eine Handvoll gibt, ihre berufliche Qualifikation nicht durch den Besuch von Hochschulen erwerben müssen. Spahn hatte daher nichts anderes gemacht, als die Vorgabe einer EU-Richtlinie endlich umzusetzen, die bis spätestens 18. Januar 2020 in allen Staaten der Europäischen Gemeinschaft einen verpflichtenden Uni-Abschluss für Hebammen vorsieht. Die EU begründete das Reformvorhaben damit, dass die Aufgaben der Hebammen immer anspruchsvoller würden, was eine Vertiefung der wissenschaftsbasierten Kenntnisse verlange und dadurch die Fähigkeit zur unabhängigen und in eigener Verantwortung zu leistenden Gesundheitsvorsorge erheblich erweitern könne.
Laut Spahn soll die bisherige Praxis der dreijährigen Ausbildung durch ein duales Hochschulstudium, bei dem die Theorie samt Seminaren und Vorlesungen mit praktischer Arbeit im Rahmen der Geburtshilfe verknüpft werden, mit Bachelor-Abschluss ersetzt werden. Die davon erhoffte höhere Qualifikation der Hebammen, denen vor allem wesentlich tiefere wissenschaftliche Einblicke in Bereiche wie Frauenheilkunde, Allgemeinmedizin oder Pharmakologie vermittelt werden sollen, verlangt laut EU-Vorgabe auch eine bessere schulische Vorbildung. Bislang genügte der Nachweis eines allgemein zehnjährigen Schulbesuchs. Künftig müssen Bewerberinnen zur Uni-Zulassung eine zwölfjährige Schulbildung mit Fachabitur oder Abitur attestieren können.
Klärungsbedarf zwischen Bund und Ländern besteht noch darüber, wer die Kosten für den neuen Ausbildungsweg übernehmen wird. Denn bislang werden die Krankenhäuser für die praktische Schulung über einen Fonds aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz honoriert. Da die Universitäten jedoch Ländersache sind, muss eine Neuregelung gefunden werden. Der Deutsche Hebammenverband (DHV) hat diesbezüglich schon einen vernünftigen Vorschlag unterbreitet: „Wir wollen, dass das Krankenhausfinanzierungsgesetz so geändert wird, dass die Kliniken weiterhin aus diesem Fonds für die Ausbildungsplätze bezahlt werden."
Ein duales Hochschulstudium
Der Freistaat Bayern hat im November 2018 einen Alleingang gestartet und bereits drei Hochschulen für den neuen Studiengang benannt: die Katholische Stiftungshochschule für angewandte Wissenschaften in München, die Ostbayerische Technische Hochschule in Regensburg und die Hochschule für angewandte Wissenschaften in Landshut. Als erste Finanzierungsmaßnahmen wurden im Rahmen der Offensive „Zukunftsprogramm Geburtshilfe" von der Staatsregierung 30 Millionen Euro bewilligt, womit auch die Kommunen bei der möglichst wohnortnahen Geburtshilfe unterstützt werden sollen. Seit 2009 gibt es an fünf deutschen Hochschulen zwar schon spezielle Studiengänge zur Hebammen-Fortbildung, acht Universitäten bieten sogar schon die Möglichkeit eines akademischen Hebammen-Abschlusses. Doch nun soll das Ganze bundesweit einheitlich mit dem Bachelor-Studium geregelt werden. Vor allem auch deshalb, weil deutsche Hebammen beim Wechsel ins europäische Ausland erheblich benachteiligt sind. Ihr deutscher Abschluss muss zwar automatisch in allen EU-Ländern anerkannt werden, wird jedoch intern bei Bewerbungen als nicht gleichwertig eingestuft, weshalb meist nur ein Arbeitsplatz auf niedrigerem Qualifikationsniveau offeriert wird.
Eigentlich scheinen die reinen Zahlen dem viel beklagten und von vielen werdenden Müttern hierzulande bestätigten Hebammen-Mangel zu widersprechen. Denn die Zahl der Hebammen ist in Deutschland zwischen 2001 und 2018 von rund 16.000 auf 24.000 gestiegen. Wovon die meisten Frauen, nämlich 13.000, Anfang 2018 ihren Beruf sogar freiberuflich ausgeübt hatten, beispielsweise als sogenannte Beleg-Hebammen im Schichtdienst bei einer speziellen Klinik oder mit Verträgen bei verschiedenen Krankenhäusern. Daneben gibt es die bei Krankenhäusern festangestellten Hebammen, deren Zahl auf gut 11.000 taxiert werden kann. Allerdings ist nicht nur die Zahl der Hebammen gestiegen, sondern auch die Geburtenrate. Gleichzeitig ging die Zahl der deutschen Kliniken mit Geburtshilfe zwischen 2011 und 2016 um etwa 90 auf 690 Einrichtungen zurück.
Zudem bleiben viele Frauen wegen der familienunfreundlichen Arbeitszeiten, den vielen Überstunden und unzureichenden Ruhepausen, der vergleichsweise schlechten Bezahlung bei hoher emotionaler Belastung und großer persönlicher Verantwortung sowie den hohen Haftpflichtprämien für Freiberufliche nicht lange am Ball. Laut dem DHV liegt die durchschnittliche Verweildauer im Beruf bei gerade mal sieben Jahren. Nur selten können sich Hebammen laut DHV im Klinikalltag voll und ganz um eine einzige werdende Mutter kümmern, meist müssen sie bis zu drei oder sogar noch mehr Gebärende gleichzeitig betreuen. Kein Wunder, so der DHV, dass die Zahl der Bewerberinnen für diesen noch immer mit einem magischen Ansehen umwehten Beruf deutlich gesunken ist und dass sich inzwischen nur fünf Interessentinnen auf eine Lehrstelle melden. Höchste Zeit also, den Beruf der Hebammen aufzuwerten und über eine bessere Ausbildung auch eine höhere, deutlich attraktivere Entlohnung zu erzielen.
Zahl der Hebammen gestiegen, aber auch die Geburtenrate
Vor allem, wenn man berücksichtigt, welche Verantwortung Hebammen in Kliniken, bei Geburten im heimischen Umfeld oder in einem der bundesweit rund 120 Geburtshäuser übernehmen. Schließlich muss bei einer Niederkunft in deutschen Landen immer verpflichtend eine Hebamme anwesend sein. Die Präsenz eines Arztes ist hingegen, außer bei Notfällen, nicht zwingend erforderlich. Eine Hebamme darf also eine Geburt theoretisch ganz alleine durchführen, einem Arzt oder einer Ärztin ist das, von besagten Notfällen einmal abgesehen, gesetzlich untersagt. Abgesehen von Ultraschall darf sie alle Vorsorgeuntersuchungen durchführen, und sie ist für die werdende Mutter die sachverständige Vertrauensperson schlechthin, was sie auch im Wochenbett mit täglichen Besuchen zu bleiben pflegt.