Stuntfrau Miriam Höller wurde durch ihre zahlreichen Action-Szenen in Filmen, Serien oder Werbespots bekannt. Im Interview spricht die 31-Jährige über ihre Karriere, die schwerste Zeit ihres Lebens und den Umgang mit Schicksalsschlägen.
Frau Höller, Sie haben bei den Horror Nights im Europa-Park die Hauptrolle Myra Moon Mistress gespielt. Was genau war Ihre Aufgabe?
Myra Moon Mistress war in diesem Jahr der Hauptcharakter der „Horror Nights – Traumatica". Eine Göttin mit der Macht über das Gleichgewicht der Herrschaft im Reich Traumatica: Bewaffnet mit ihrem feurigen Schwert kann sie die Existenz jedes Wesens in Traumatica auslöschen. Myra ist mit ihren Moon Servants durch die Straßen des Eventgeländes gezogen, hat zweimal pro Abend in der Iceshow gespielt und hat sich selbst und ihre Macht mit den Gästen im Vampires Club am Abend gefeiert.
Wer hat Sie geschminkt, und wie lange saßen Sie täglich in der Maske?
Bill McCoy und sein Team haben insgesamt 270 Charaktere Abend für Abend geschminkt. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit, es war eine riesige Herausforderung. Aber nicht umsonst macht er große Projekte und ist unter anderem der Head of Make-up bei Produktionen wie „The Walking Dead." Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten.
Wie sah Ihr Make-up aus?
Myra hat Geburtsmarken, denn sie ist aus der Dämmerung des Mondes geboren, und diese Marken wurden dann täglich mit Airbrush aufgemalt. Dazu kam das aufwendige Make-up im Gesicht. Insgesamt dauert nur das Make-up 1,5 Stunden, dann kamen noch Haare und Kostüm hinzu. Nach etwa 2,5 Stunden war ich dann fertig.
Was waren Ihre Highlights bei „Traumatica"?
Ich war überwältigt von dem Zusammenhalt im Team. Jeder einzelne Charakter lebt „Traumatica" und wird zu einem echten Monster, Halbtoten oder Vampir. Dazu kam das Herzblut von Michael Mack, der vor vielen Jahren die Horror Nights ins Leben gerufen hat und auch die Idee der Myra hatte. Es ist toll, mit so einem engagierten Team zusammenzuarbeiten und außergewöhnliche Momente für den Besuch zu erschaffen.
Ist Halloween ein Thema, das Ihnen generell gefällt?
Ja, seit meiner Kindheit liebe ich Karneval, mich zu verkleiden und in andere Rollen zu schlüpfen. Halloween kam dann mehr und mehr nach Europa und wurde populär. Ich finde es toll, dass wir Halloween mittlerweile richtig feiern.
Seit Ihrem 18. Lebensjahr arbeiteten Sie als Stuntfrau und waren in zahlreichen Spielfilmen, TV-Serien, Musikvideos und Werbespots in Action- und Stuntszenen zu sehen. Wie entstand der Wunsch, Stuntfrau zu werden?
Als kleines Kind war ich schon sehr mutig, wissbegierig und wollte meine Grenzen austesten, und keine Herausforderung war mir zu groß. Ich habe immer schon gerne auf der Bühne gestanden und Menschen mit dem begeistert, was ich kann. Mit 13 Jahren saß ich dann mit meinen Eltern vor dem TV und wir sahen einen Actionfilm, in dem eine Frau an einem Helikopter hing. Ich sagte zu meiner Mama, dass ich genau das machen will und sie antwortete: „Dann musst du Stuntfrau werden." Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, was eine Stuntfrau ist, aber mein Ziel und mein Traum waren klar. Ich wollte die beste Stuntfrau Deutschlands werden.
Wie genau wird man denn Stuntfrau?
Da ich noch zur Schule ging und viel zu jung war, kaufte ich mir eine Jahreskarte vom Movie Park Germany. Nach der Schule ging ich dann immer in die Stuntshow und beobachtete die Stuntleute. Mit 15 Jahren habe ich dann meinen ersten Stuntworkshop gemacht, bei dem meine Eltern mitkommen mussten, da ich ebenfalls zu jung war. Ich habe an meinem Traum aber festgehalten, viel trainiert, mich an Profis gehalten und von ihnen gelernt. Schließlich machte ich mich dann mit 18 Jahren selbstständig und bekam einen Platz im Stuntteam des Movie Parks.
Wo und wie übt man die Stunts – wie muss man sich das vorstellen?
In festen Stuntshows trainiert man täglich seine Abläufe. Körperlich und geistig 100 Prozent fit zu sein, ist die Grundvoraussetzung. Bei speziellen Stunts, die nur einmal für eine Produktion gemacht werden und vielleicht besonders gefährlich sind, legt man natürlich Extraschichten ein und trainiert genau auf diesen Stunt hin.
Sie sind auch schon für eine Fashion-Show als Engel mit weltweit einmaligen brennenden Flügeln über den Catwalk gelaufen. Hatten Sie in solchen Momenten keine Angst, dass mal etwas schiefgeht?
Angst ist in diesem Beruf ein schlechter Begleiter. Man darf keine Angst haben, sollte aber immer Respekt vor dem haben, was man tut. Routine und Selbstbewusstsein sind die größten Feinde. Es kann immer etwas schiefgehen, doch es ist ja dein Beruf, das Risiko zu kalkulieren und die Gefahr zu kontrollieren, um spektakuläre Momente zu erschaffen und diese sicher auszuführen.
Welches sind Ihre persönlichen Highlights in Ihrer Karriere?
Es waren viele tolle und gefährliche Stunts mit dabei, an die ich mich heute gerne zurückerinnere. Das Wingwalken, bei dem ich auf einem fliegenden Flugzeug stand, die große Hausexplosion, bei der ich direkt bei der Explosion aus 14 Metern vom Dach abgesprungen bin, meine Frauen-Schlägerei im Musikvideo, aber ganz sicher mein Highlight sind meine Feuerflügel. Ich habe sie selbst entwickelt und gebaut. Der Auftritt vor einem riesen Publikum war einmalig. Die Feuerflügel wurden später zu meinem Markenzeichen und gehören bis heute zu meinem Logo.
Nach zehn unfallfreien Jahren haben Sie sich leider so sehr verletzt, dass Sie Ihre Stunt-Karriere aufgaben. Fehlt Ihnen Ihr altes Leben sehr?
Ich habe immer gedacht, dass man sein Leben planen und alles kontrollieren kann. Es gab sogar eine Zeit, in der ich so stolz war, dass ich wirklich geglaubt habe, die unsterbliche Actionheldin zu sein, die ich als Kind immer sein wollte. Es war nun mal meine Königsdisziplin, die Kontrolle zu behalten. Meine Lebenseinstellung ist die, dass ich glaube, dass alle Dinge, die uns im Leben zustoßen einen Sinn haben und wir uns durch Rückschläge weiterentwickeln können. Es war vorerst mein größter Traum, wieder gesund zu werden und als Stuntfrau arbeiten zu können. Doch heute fehlt mir nichts, ich habe alles gemacht, mir und anderen alles bewiesen, sodass ich nichts hinterherweinen muss. Heute weiß ich, dass wichtigere Aufgaben auf mich warten, als sich von Autos anfahren zu lassen, aus Flugzeugen zu springen oder sich anzuzünden.
Sie arbeiten nun verstärkt als Moderatorin, vor allem bei Events. Welche Veranstaltungen haben Sie in letzter Zeit moderiert?
Meinem Herzblut bleibe ich treu. Ich liebe nach wie vor Action, Abenteuer und Autos. So moderiere ich für „Grip – Das Motormagazin", aber auch Autopräsentationen, Sport- und Actionevents. Es ist toll, mein Wissen und meine Erfahrungen mit auf die Bühne zu nehmen, authentisch über diese Bereiche zu sprechen und nachvollziehen zu können, welche Leistungen ein Mensch gebracht hat, wenn man ihn später im Interview hat.
Als Keynote-Speakerin machen Sie anderen Menschen Mut und motivieren sie, Rückschläge und Veränderungen als Chance zu sehen. Vor welchem Publikum sprechen Sie hier? Wie sind Ihre Vorträge aufgebaut?
Es gibt eine Sache, die wir Menschen alle erleben werden. Den Verlust eines geliebten Menschen.
Als mein Lebenspartner sechs Wochen nach meinem Unfall mit seinem Helikopter abgestürzt und tödlich verunglückt ist, habe ich mich eine Zeit lang zurückgezogen, um mich selbst und meine Lebensfreude wiederzufinden. Als ich angefangen habe, mich wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen, prasselten so viele liebevolle Feedbacks und herzzerreißende Fragen auf mich ein. Ich wurde als Kämpferin und Vorbild gesehen und mir wurde bewusst, dass Menschen beobachten, was ich nun aus meinem Leben mache, nachdem ich die zwei wichtigsten Säulen im Leben verloren hatte – meinen Beruf und meinen Lebenspartner. In meinen Vorträgen geht es genau darum. Wie geht man mit ungewollten Veränderungen im Leben um? Wie kämpft man sich aus Tiefs wieder heraus? Es ist eine sehr wertvolle Aufgabe für mich, die ich sehr ernst nehme, denn eines habe ich vor allem gelernt: In Situationen, in denen man nicht weiterweiß, sollte man sich an Menschen halten, die grob das gleiche erlebt haben, die einem aber schon einige Zeit voraus sind. Genau das tue ich. Ich zeige den Menschen mit offenen Fragen, dass es sich lohnt, zu kämpfen.
Was hat Ihnen damals in dieser schweren Zeit Halt gegeben?
In erster Linie meine Familie, die immer da war. Doch auch sie konnte mich aus dem grauen Schleier nicht befreien. Das konnte ich nur selbst. So setzte ich mich hin und schrieb Fragen auf. Willst du weitermachen? Wenn ja: wie? Was liebst du? Wo willst du in fünf Jahren sein? Bei meinen schriftlichen Antworten kristallisierten sich dann zwei Dinge heraus. Ich wollte meinen verstorbenen Lebenspartner stolz machen und wieder laufen können. Er soll mich wieder lebensfroh und glücklich sehen und dazu brauchte ich eine Lebens-To-do-Liste. Ich schrieb mir also alle Dinge auf, die ich im Leben noch erreichen möchte und fing Schritt für Schritt an. Ziele sind unser Antrieb. Ohne Ziele schwimmen wir apathisch herum. Ziele lassen uns den Fokus auf die Zukunft richten. So vergisst man sogar ab und zu seinen körperlichen und seelischen Schmerz.
Können Sie Trauernden Tipps geben?
Natürlich. Wir sind die Folge unserer Gedanken. Ich habe immer die Wahl, Dinge positiv oder negativ zu sehen. Der Tod bringt nichts Positives, das möchte ich nicht sagen. Doch ich kann mich auf das Leid und den Schmerz konzentrieren und mir mein zukünftiges Leben dunkel und schlecht denken. Ich kann mich aber auch auf das konzentrieren, was der Mensch hinterlassen hat. Lehren, Erinnerungen und Liebe. Wenn man sich vorstellt, dass man selbst gegangen wäre und auf die Welt herunterschaut, würden wir auch nicht wollen, dass unsere Liebsten in Trauer verweilen und ihr Leben nur noch ableben. Sie würden sich freuen, wenn man Rituale beibehält und besondere Situationen mit ihnen teilt. Ich binde nach wie vor meinen Lebenspartner in mein Leben mit ein, denn ich glaube fest daran, dass Verstorbene noch in irgendeiner Form bei uns sind. So habe ich Hannes beispielsweise laut zugerufen: ‚Bubi, schau! Ich laufe wieder!‘, als ich meine ersten Schritte gemacht habe. Eine Emotionswolke kam zurück und ich wusste, dass er in diesem Moment bei mir ist und dankbar, dass ich ihn weiter an meinem Leben teilhaben lasse. Das ist nur ein Tipp. Es gibt noch so viele andere Weisen, um sich selbst aus dem dunklen Schleier zu befreien. Ganz wichtig ist zum Beispiel auch das Umfeld. Ich bin sehr konsequent in meiner Entscheidung, mit wem ich meine Zeit verbringe. Es gibt Menschen, die nenne ich gerne Energiesauger. Von denen sollte man sich fernhalten. Vielmehr sollte man sich mit Menschen umgeben, die sich gegenseitig ihr Leben verschönern und es zusammen bunt und fröhlich gestalten wollen.
Wo sehen Sie sich in der Zukunft?
Mein Fokus liegt auf der Arbeit als Speakerin. Ich habe sehr viel Freude daran gefunden, Menschen die Motivation und Inspiration brauchen, mit unter meine Flügel zu nehmen. Privat halte ich mich an meine langfristigen Ziele. Ich schaue gut auf mich, weiß mein Leben und mein Umfeld heute ganz anders zu schätzen und vor allem meine Zeit. Schließlich ist sie das Wertvollste, was wir im Leben haben.
Welche Projekte, Events und Reisen stehen bei Ihnen an?
Bis Ende letzten Jahres stand ich für unterschiedliche Firmen und Events als Rednerin auf der Bühne, drehe für „Grip – Das Motormagazin" und bilde mich in der Persönlichkeitsentwicklung weiter. Anfang Dezember fanden die Pro7-Wintergames statt, bei denen ich mich mal wieder richtig auspowern konnte. Irgendwann fliege ich zu meinem neuen Partner nach Kanada, Qualitiytime mit Kuscheln vor dem Kamin, während es draußen minus 40 Grad sind, und da habe ich genug Zeit, um an meinem Buch weiterzuschreiben.