In der Innenpolitik winkt Stabilität, in der Außenpolitik ziehen Stürme auf
Niemand hat eine Glaskugel vor sich, die den Verlauf des Jahres 2019 anzeigen würde. Doch aus deutscher Perspektive gibt es mit Blick auf die kommenden zwölf Monate zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen.
In der Innenpolitik herrscht relative Stabilität. Nach der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen CDU-Chefin haben sich in der Union die Wogen geglättet. Angela Merkel hat durch ihren taktischen Rückzug vom Parteivorsitz die Kritiker in den eigenen Reihen beruhigt und kann nun einigermaßen unbehelligt weiterregieren.
In der internationalen Politik ziehen jedoch Stürme auf. Die Gefahr eines ungeordneten Brexits ist nicht aus der Welt. Die Europawahlen im Mai dürften die Rechts- und Linkspopulisten deutlich stärken. Und die chaosgeladenen Auftritte von US-Präsident Donald Trump werden das Publikum weiter in Atem halten.
Durch die Klärung der innerparteilichen Machtverhältnisse hat die frischgebackene CDU-Vorsitzende AKK zunächst freie Bahn. Ihr knapp unterlegener Widersacher Friedrich Merz dürfte über kurz oder lang die Rolle eines freischwebenden Künstlers einnehmen – ohne feste Einbindung in die Parteiführung oder gar ins Kabinett. Es ist nicht damit zu rechnen, dass Merkel mit ihrem eher sozialdemokratischen Kurs dem konservativ gestrickten Merz einen Ministerposten anbietet. Es wäre eine kostenlose Profilierungs-Plattform für die spätestens 2021 anstehende Kanzlerkandidatur. Da Merkel voll auf AKK setzt, ist diese Tür zu. Die Merz-Anhänger werden erst dann wieder für ihren Mann trommeln, wenn die Entscheidung über den Regierungschef/die Regierungschefin ansteht.
Auch vonseiten der SPD sind kaum Querschüsse zu erwarten. Die Sozialdemokraten sind zu sehr in Personal- und Richtungs-Querelen gefangen. Sie fürchten, dass Neuwahlen ihre Talfahrt beschleunigen. Das erlaubt es Merkel und AKK, eine ziemlich reibungslose Macht-Balance auszutarieren: Die Kanzlerin gilt in der internationalen Politik durch ihre Amtserfahrung als Schwergewicht mit einer fast präsidialen Aura, AKK kann die CDU neu ordnen.
Die Republik dürfte in einen ähnlich sedierten Zustand verfallen wie vor Beginn des Flüchtlingsansturms im Sommer 2015: Während politische Krisen in Europa und der Welt für Turbulenzen sorgen, schätzen die Menschen Berechenbarkeit und Stabilität nach innen.
Beim Brexit hat die britische Politik völlig die Kontrolle verloren. Premierministerin Theresa May ist biegsam wie ein Bambusrohr. Während sie vor dem Referendum 2016 noch für den Verbleib ihres Landes in der EU votiert hatte, präsentiert sie sich nun als Bannerträgerin des Ausstiegs. Das Risiko, dass das Parlament im Januar den mit Brüssel ausgehandelten Deal kippt, ist hoch. Leidtragende eines vertragslosen Brexits wären alle.
Durch die Solonummer der Briten wird die Gemeinschaft der restlichen 27 Mitgliedsstaaten geschwächt. Noch bilden die gemäßigten Konservativen und die Sozialdemokraten die größten Fraktionen im Europa-Parlament. Doch vieles spricht dafür, dass Rechts-, Linkspopulisten und EU-Skeptiker kräftig an Stimmen gewinnen. Die Konsensbildung in Europa dürfte dann noch schwieriger werden. Italien, ein Gründungsmitglied der Union, ist bereits heute ein unsicherer Kantonist.
Die Lage in vertrackten Krisenherden wird sich durch die weltpolitische Abstinenz der Vereinigten Staaten weiter verschärfen. In Afghanistan ist der von Trump befohlene Abzug der US-Truppen ein Triumph für die radikalislamischen Taliban-Milizen. Das Land am Hindukusch wird noch mehr im Wirrwarr der Stämme, Warlords und Clans versinken.
Nach der Heimkehr der Amerikaner lachen sich in Syrien alle involvierten Autokraten ins Fäustchen: der Diktator von Damaskus, Baschar al-Assad, ebenso wie Russlands Präsident Wladimir Putin, sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan und der iranische Revolutionsführer Ali Chamenei.
Trump wird weiter seine zahlreichen Gegner im In- und Ausland einschüchtern, drangsalieren oder bedrohen. Dabei schreckt er vor einem Handelskrieg mit China nicht zurück – selbst, wenn die Weltwirtschaft massiv Schaden nehmen würde. Ein starkes Europa wäre die einzig richtige Antwort. Doch angesichts der vielen Spaltungslinien in der Gemeinschaft ist dies nicht mehr als ein frommer Wunsch.