Der Traum vom Influencer-Dasein. Viele junge Menschen haben ihn. Allerdings dürfte er jüngst durch eine global angelegte Studie arg erschüttert worden sein. Denn diese belegt, dass gerade einmal 0,3 Prozent der neuen Markenbotschafter richtig absahnen können.
Die meisten Jungen hierzulande träumen davon, mal ein berühmter, gut bezahlter Fußball-Star zu werden. Viele Mädels hingegen möchten in die Fußstapfen prominenter Influencerinnen wie Caroline Daur, Xenia van der Woodsen, Leonie Hanne, Stefanie Giesinger, Bianca „Bibi" Heinicke oder Pamela Reif treten, von internationalen Social-Media-Ikonen wie Chiara Ferragni, Leandra Medine oder Aimee Song ganz zu schweigen. Das Konsumieren soll gewissermaßen zum Beruf werden, Schuhe, Taschen, Klamotten, Beauty-Accessoires und Reisen für lau bekommen und mit digitaler Schleichwerbung dicke Knete machen. Das scheint völlig easy zu sein. Dieser Eindruck könnte zumindest entstehen, denn die eigentliche Arbeit, die dahinter steht, sieht kaum ein Follower.
Dass der Weg zum gefeierten Social-Media-Star durchaus auch sehr steinig, anstrengend und häufig auch ohne Erfolgsgarantie sein kann, wird bislang in der Regel nur in Marketing- oder Werbe-Publikationen und jüngst sogar in der „Wirtschaftswoche" und im „Spiegel" thematisiert. Nicht unbedingt Pflichtlektüre für die Millennials, die Hauptzielgruppe der neuen Markenbotschafter. Dank ihnen wurde inzwischen die einstmals strikte Trennung zwischen Werbung und dem Content, dem sachlichem Inhalt, aufgehoben.
Zu Aufklärungszwecken sei hier der Inhalt einer hochinteressanten Studie vorgestellt, die 2018 veröffentlicht wurde. Mit 1.200 global befragten weiblichen und männlichen Influencern wurde die gemeinhin verbreitete Vorstellung des vermeintlichen Traumjobs erschüttert. Aus der von den beiden Software-Plattformen Brandnew und Facelift gemeinsam mit der Werbeagentur Jung von Matt/Sports veröffentlichten Studie lässt sich das ernüchternde Resümee ziehen, dass sich für die meisten Influencer die Arbeit finanziell absolut nicht lohnt. Außerdem besagt die laut Angaben der Verantwortlichen bislang größte und repräsentativste Studie ihrer Art, dass gerade mal 0,3 Prozent der Befragten so richtig abkassieren und davon gerüchteweise nur einige deutsche Fashion-Influencer über eine Million Dollar Jahresumsatz erzielen können.
Doch über den rein pekuniären Aspekt hinaus enthielt die Studie auch jede Menge interessante Fakten über das Selbstverständnis und die persönlichen Beweggründe der befragten Teilnehmer. Influencer, sprich Beeinflusser, sind jene, die aufgrund ihrer hohen Präsenz und ihres großen Bekanntheitsgrades samt möglichst vieler Follower in den sozialen Medien als Werbe- oder Vermarktungsträger für Unternehmen wirtschaftlich interessant sein können. Weil sie als Multiplikatoren durch Empfehlungen aller möglichen Produkte auf ihren Plattformen, auf dem eigenen Blog, Youtube-Kanal, Profil, Online-Magazin oder breitem Netzwerk den Verkauf erheblich fördern können. „Marken sind gut beraten, Kooperationen mit Influencern zu starten und das Influencer-Marketing als festen Bestandteil in ihren Marketing-Mix aufzunehmen", so die Macher der Studie.
1.200 Teilnehmer wurden befragt
Hauptzielgruppe der Influencer ist laut der Studie, wie bereits gesagt, die Generation der Millennials, deren Durchschnittsalter bei 28 Jahren liegt. Außerdem unterstellt man ihnen eine gewisse skeptische Einstellung gegenüber bekannten Marken. Angeblich springen sie weniger auf klassische Werbeansprachen an, sondern vertrauen lieber auf Tipps oder Empfehlungen ihrer bevorzugten Influencer. 92 Prozent der Befragten konnte diese Tatsache bestätigen. Je nach Influencer können auch schon mal Personen der Zielgruppe „30 plus" erreicht werden. Ganz wichtig, so etwas wie die Basics für erfolgreiche Influencer, sind laut der Studie persönliche Authentizität, Ehrlichkeit, Spontaneität und die Fähigkeit, die Zielgruppe in deren Sprache und Attitüde auf dem jeweils bevorzugten Medienkanal erreichen zu können. Fast 90 Prozent der Studienteilnehmer sahen sich selbst als „Influencer", der Rest bezeichnete sich als „Creator", „Photographer" oder „Blogger".
Auf die Frage, was der eigentliche Antrieb war, den Beruf des Influencers zu ergreifen, spielte überraschenderweise das Geldverdienen angeblich nur eine untergeordnete Rolle. 60 Prozent wollten als Influencer etwas bewirken, 49 Prozent wollten vor allem eine Online-Audience aufbauen und ihre eigene Beliebtheit steigern, 48 Prozent als Meinungsmacher wahrgenommen und akzeptiert werden. Das Geldverdienen landete mit 45 Prozent erst auf dem vierten Platz der Beweggründe. Dennoch machten sich viele Influencer Gedanken um die Vergütung, die von 72 Prozent der Befragten als nicht angemessen angegeben wurde. Knapp 20 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass sie lediglich mit Produktgeschenken honoriert wurden. Von den verbleibenden 80 Prozent, die Geld für ihre Leistungen erhielten, berichteten 33 Prozent, dass sie von ihren Kunden für ihre Mitwirkung pro Werbekampagne weniger als 500 Dollar erhielten, 28 Prozent nannten eine Summe zwischen 500 und 1.000 Dollar pro Kampagne. Klingelnde Kassen erhielten nur 0,7 Prozent der Befragten mit Überweisungen von 10.000 bis 25.000 Dollar pro Kampagne. Und nur die winzige Spitze des Eisbergs, nämlich 0,3 Prozent, sahnt mit Kampagnen-Honoraren jenseits der 25.000-Dollar-Grenze so richtig ab.
Unter den Top-Verdienern ist Deutschland am besten vertreten. Auch wenn laut der Studie die meisten Influencer in Großbritannien beheimatet sind, dicht gefolgt von der Bundesrepublik, dann die USA und schon weit abgeschlagen folgt Frankreich auf dem vierten Platz.
Ganze 66 Prozent der Befragten führten an, dass sie ihre Honorarvorstellungen auf Basis der Zahl ihrer Follower und Webseiten-Besucher erstellten. 61 Prozent nannten auch den Aufwand für die Gestaltung des Werbe-Contents als wichtiges Kriterium. 23 Prozent führten die Zahl der Likes, Kommentare oder Shares als zentrales Verhandlungsargument an. Einige Influencer machten ihre Honorarforderung auch von der Umsatzgröße des beauftragenden Unternehmens abhängig. Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass Likes oder Follower durchaus käuflich sind. Likes können von Influencern über kostenpflichtige Apps vervielfacht werden. Der Kauf von Followern ist ein innerhalb der Influencer-Szene viel diskutiertes Phänomen. Beim Portal followerkaufen.net beispielsweise kosten 100 Instagram-Fake-Follower 4,99 Euro, für 7.500 Follower sind 49,99 Euro hinzulegen. Nur logisch, dass in der Szene jeder jedem unterstellt, Follower gekauft zu haben.
Unter den Social-Media-Diensten ist Instagram der absolute Liebling der Influencer. 76 Prozent der Befragten bezeichneten Instagram mit seinen weltweit mehr als 800 Millionen aktiven Usern als ihre präferierte Plattform. An zweiter Stelle rangierte der eigene Blog, dicht gefolgt von Facebook. Erst auf dem vierten Platz landete Twitter. Sie alle können dank text- und bildbasiertem Content punkten. Dahinter kommen Youtube, Snapchat und Linked-In. Die Mehrheit der Instagram-Influencer (62 Prozent) waren Frauen, ihre männlichen Kollegen waren auf der Plattform lediglich mit 38 Prozent vertreten. Im Alter gab es kaum Unterschiede: Die weiblichen Instagram-Influencer waren im Schnitt 27 Jahre alt, ihre männlichen Pendants kamen im Schnitt auf 28 Jahre. Das legt den Schluss nahe, dass nicht nur die Zielgruppe, deren Durchschnittsalter in der Studie mit 24 Jahren angegeben wurde, sondern auch die Influencer selbst zur Generation der Millenials gehören.
Weibliche Influencer sprachen zu 77 Prozent weibliche Follower an, während sie unter den Männern nur 23 Prozent Follower verzeichnen konnten. Bei den männlichen Influencern war die Geschlechteransprache fast identisch. Insgesamt waren Frauen in der Studie, egal ob auf Influencer- oder Follower-Seite, das bestimmende Geschlecht.
Top-Verdiener aus Deutschland
Was die Branchen betrifft, in denen sich Influencer am liebsten tummeln, so war die Fashionwelt laut der Studie mit 61 Prozent einsam an der Spitze. Abgeschlagen folgen Reise (acht Prozent), Food and Drinks (sieben Prozent) und Beauty (fünf Prozent). 42 Prozent der Befragten gaben an, bereits über ihre Plattformen mit großen Marken zusammenzuarbeiten. 68 Prozent nutzten zur Kontaktaufnahme PR- oder Marketingagenturen, 84 Prozent versuchten es auch auf direktem Weg durch eigene Brands-Ansprache.
Neben dem Kritikpunkt der unzureichenden Bezahlung waren Influencer vor allem mit den rigiden und die eigene Kreativität und Spontaneität behindernden Content-Vorgaben ihrer Kunden unzufrieden. Diese würden zudem häufig zu hohe Erwartungen speziell in Sachen Social Shares bei knappem Timing an ihre Promoter stellen. 73 Prozent der Befragten äußerten den Wunsch, künftig stärker in den kreativen Prozess involviert zu werden, 68 Prozent hofften auf einen Aufstieg zum Markenbotschafter und auf eine möglichst langfristige Zusammenarbeit mit ihren präferierten Marken. Auch die verstärkte Einbindung in Events brachten 57 Prozent der Studienteilnehmer zur Sprache.
Nicht sonderlich erfreut zeigten sich die Influencer auch von der gesetzlichen Vorgabe, gesponserten Content, sprich Produktplatzierung oder das Posen mit einer bestimmten Ware, immer klar und deutlich auf ihren Plattformen als Werbung zu kennzeichnen. Nur 24 Prozent der Befragten deuteten an, dass ihre Kunden das immer ausdrücklich verlangten. Beim Rest liegt die Vermutung nahe, dass sie das nicht immer ganz so ernstnehmen. 39 Prozent gaben sogar an, dass die werbliche Kennzeichnung ihrer Beiträge eine negative Auswirkung auf ihre Arbeit haben könnte. Bei der Auswahl potenzieller Unternehmenspartner gaben 40 Prozent der Befragten an, dass sie ihr Augenmerk vor allem darauf gerichtet hatten, dass die Marke zu ihrem persönlichen Profil möglichst optimal passt. Als zweitwichtigstes Auswahlkriterium wurde die Relevanz der Marke für die eigenen Follower genannt. Erst an dritter Stelle folgte das zu erwartende Honorar.