Wirtschaftlich sehr erfolgreich, in ihrem Segment Marktführer, höchst innovativ, aber in der Öffentlichkeit ziemlich unbekannt. Die rund 1.300 „Hidden Champions", kleinere und mittlere Unternehmen, sind ein sehr deutsches Phänomen. Johannes Habel vom Hidden Champions Institut erklärt das Erfolgsgeheimnis und die Herausforderungen.
Herr Habel, 1.300 in Deutschland, gerade mal 370 in den USA: Wieso sind Hidden Champions eigentlich ein deutsches Phänomen?
Es gibt mehrere Erklärungsversuche. Deutschland war lange Zeit geprägt von Kleinstaaterei mit zahlreichen Fürstentümern. Wer wirtschaftlichen Handel betrieb, musste exportieren. Diese Exportorientiertheit steckt quasi in der DNA der Deutschen. Ein weiterer Grund liegt in der Dezentralität des Landes begründet. Wir haben viele Wirtschaftszentren in Deutschland. Das hat im Laufe der Geschichte auch zu einem stark ausgeprägten Mittelstand geführt. Und last but not least sind es die deutschen Tugenden wie langfristiges Denken, etwas für die Ewigkeit zu schaffen und die Sicherheit. Das ist eben Teil unserer Kultur.
Welche Kriterien werden zugrunde gelegt, um sich als Hidden Champion bezeichnen zu dürfen?
Es gibt drei Voraussetzungen. Ein Hidden Champion ist in einem Markt entweder unter den Top drei der Welt oder die Nummer eins auf einem Kontinent, hat maximal fünf Milliarden Euro Jahresumsatz und ist den meisten Menschen völlig unbekannt. Geredet wird in der Öffentlichkeit und in den Medien vielfach nur über die großen Konzerne und Dax-Unternehmen.
Wer kennt schon die Utsch AG aus Nordrhein-Westfalen? Das Unternehmen ist Weltmarktführer für Nummernschilder. Oder Herrenknecht aus Baden-Württemberg? Der Spezialist für Tunnelbohrmaschinen hat einen Umsatz von etwa 1,2 Milliarden Euro und somit 60 bis 70 Prozent Weltmarktanteil.
Was macht Hidden Champions so erfolgreich?
Die Erfolgsfaktoren lassen sich vereinfacht gesagt folgendermaßen definieren: Hidden Champions fokussieren sich auf ganz bestimmte Marktsegmente. Hier sind sie Marktführer, ja sogar Weltmarktführer. Diversifizierung ist ihnen eher fremd. Sie zeichnen sich in ihrem Bereich mit einer hohen Kompetenz aus. Verbunden damit ist oftmals eine frühe Internationalisierung. Der zweite Faktor ist die enorm hohe Innovationskraft. Hidden Champions geben im Durchschnitt sechs Prozent ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus, im Durchschnitt sind es in Deutschland bei den klassischen Unternehmen gerade mal rund drei Prozent. Der dritte Faktor fußt auf einer Hochleistungskultur im Unternehmen. 31 Patente pro 1.000 Mitarbeiter entfallen durchschnittlich auf ein Hidden Champion, in klassischen Unternehmen sind es gerade mal sechs. Die hohe Leistungsbereitschaft geht oftmals einher mit einer hohen Mitarbeiterbindung. Die Fluktuation liegt in Deutschland bei 7,3 Prozent, in Hidden Champions sind es gerade mal 2,7 Prozent. Das wundert aber kaum, da zwei Drittel der Hidden Champions ihren Standort in ländlichen Gebieten haben, dort zu den hochattraktiven Arbeitgebern gehören und rund 80 Prozent im Familienbesitz sind. Sie gelten als bodenständig. In solchen Unternehmen wollen viele arbeiten, wenn man schon auf dem Land wohnt. Das sorgt allerdings auch für eine gegenseitige Abhängigkeit der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers.
Wenn Hidden Champions so erfolgreich sind, ruft das in der Regel andere Wettbewerber auf den Plan. Wie verhalten sich beispielsweise die Chinesen?
Sie können das Geschäftsmodell nicht eins zu eins kopieren. Die Chinesen versuchen vielmehr, das gesamte Unternehmen zu kaufen. Das hat man ja bei der Firma Kuka mit Industrierobotern gesehen.
Aber es gibt Hidden Champions, die funktionieren trotz harter internationaler Konkurrenz sehr gut. Nehmen Sie das Unternehmen Flexi, das flexible Hundeleinen produziert. Jeder Hundebesitzer dürfte das kennen. Flexi ist ausschließlich im Premiumbereich unterwegs und hat einen Marktanteil weltweit von 60 bis 70 Prozent. Die sagen sogar von sich selbst, dass sie nicht genau wüssten, warum der Wettbewerb aus China nicht deutlich stärker sei.
Übrigens hat die Bundesregierung die Stärke der Hidden Champions für die deutsche Wirtschaft durchaus erkannt. Erstmalig wurde die Stärkung dieser Unternehmen im Koalitionsvertrag festgehalten.
Digitale Transformation und Fachkräftemangel sind die großen Themen der deutschen Wirtschaft. Wie gehen Hidden Champions
damit um?
Wir haben gerade eine Studie erstellt und dafür 250 Unternehmen – Konzerne, KMU und Hidden Champions – befragt, wie sie mit den Themen Digitalisierung und Fachkräftemangel umgehen. Dabei sind verblüffende Ergebnisse herausgekommen. Großkonzerne setzen sich etwa deutlich intensiver mit Fragen der Digitalisierung auseinander – das mag man mit dem Druck des Kapitalmarkts sowie der größeren Finanz- und Personalausstattung erklären. Noch überraschend ist aber, dass Hidden Champions viel stärker als andere Unternehmen ein stark ausgeprägtes Silodenken im Unternehmen sowie die fehlende Bereitschaft der Mitarbeiter zur Veränderung beklagen. Das hätte man eher in Großkonzernen erwartet und passt so gar nicht in das Bild der Hidden Champions, da sie ja sehr erfolgreich sind. Bemängelt wurden außerdem die hohe organisatorische Komplexität sowie die fehlende Expertise bei den Mitarbeitern in puncto Digitalisierung. Die größten bisher gemachten Fehler sind beispielsweise die fehlende Gesamtstrategie des Unternehmens, die mangelnde Kommunikation mit den Mitarbeitern, die sich oftmals nicht mitgenommen fühlen. Zudem beklagen Hidden Champions, dass sie die digitale Transformation zu spät gestartet haben.
Machen Digitalisierung und Fachkräftemangel den Hidden Champions in naher Zukunft somit den Garaus?
Der Kampf um die guten Köpfe ist längst entbrannt in der deutschen Wirtschaft. Es gibt bereits die ersten Hidden Champions, die ihren Firmensitz in die IT-Zentren der großen Städte verlegen, um besseren Zugriff auf Talente zu haben oder sie gründen eigene Universitäten oder Inkubatoren, um mit der Start-up-Szene in Kontakt zu kommen. Man wird sehen, welche Unternehmen letztlich den längeren Atem haben. Wichtig sind natürlich auch Faktoren wie Lebensqualität, Umfeld, Freizeit- und Kulturangebot, flexible Arbeitszeiten, Entwicklungsperspektiven, Familienfreundlichkeit und so weiter.