Der Verlust von fast 300 Containern vor der holländischen Küste wirft Fragen nach der Sicherheit der Containerschifffahrt auf. Dabei gehen auf den Weltmeeren fast täglich Boxen über Bord.
Strandgutsammeln hat auf den niederländischen und deutschen Nordseeinseln zwar Tradition, aber auf diese Funde hätten Urlauber und Strandliebhaber wohl gerne verzichtet: Fernseher, Spielzeug, Fahrradersatzteile und viele Styropor-Verpackungen wurden in den ersten Januartagen an den Stränden der beliebten Urlaubsinseln angespült. Höchst unwahrscheinlich, dass damit noch etwas anzufangen ist. Im Gegenteil: Zwei der Container enthalten Gefahrenstoffe. Im Meer treibende Container werden zudem gefährlich für Mensch und Tierwelt. Sie können Schiffe beschädigen, wenn sie gerammt werden. Vor allem für die Fischerei werden sie zum Risiko. Hunderte Helfer waren bereits unterwegs, um den Plastikmüll einzusammeln, darunter sogar niederländisches Militär. Auf deutscher Seite ist insbesondere das „Havariekommando" beteiligt, eine eigene Behördenstelle von Bund und Küsten-Bundesländern. Sie sucht mit mehreren Schiffen und einem speziell ausgerüsteten Flugzeug.
Am 1. Januar hatte das Containerschiff „MSC Zoe" vor der holländischen Küste bei Sturm 277 Container verloren. Wie es genau dazu kommen konnte, wird nun untersucht. In jedem Fall aber wirft der Unfall Fragen nach der Sicherheit der Containerschifffahrt und der Verantwortung der Reedereien auf. Die MSC Zoe war mit 8.000 Container nur etwa zur Hälfte beladen. Das fast 400 Meter lange Riesenschiff ist mit einer Kapazität von 19.224 Stück eines der zehn größten Containerschiffe der Welt.
Fracht liegt jetzt am Meeresgrund
Die 2015 vom Stapel gelaufene MSC Zoe lief zwar, wie üblich, unter panamaischer Flagge, gehört aber der MSC (Mediterranean Shipping Company) mit Sitz in Genf, der zweitgrößten Reederei der Welt. Wenige Tage nach dem Unglück kündigte diese an, alle Kosten für die Suche und das Reinigen der Küste zu übernehmen, und alle Container zu suchen, „bis der letzte gefunden ist". Das könnte sogar gelingen. Inzwischen sind einige Dutzend von ihnen an der niederländischen Küste angeschwemmt worden. Über 220 Container wurden von der niederländischen Küstenwache am Meeresboden geortet. Dabei helfen so genannte Peilschiffe, die unterschiedliche Ortungstechniken an Bord haben und unter Wasser „sehen" können. Da die Meerestiefe an der Unglücksstelle nur rund 20 Meter beträgt, sind die Chancen groß, dass die meisten verlorenen Container auch wieder gefunden werden. Die Reederei hat auch angekündigt, ein Bergungsunternehmen zu beauftragen, um die riesigen Boxen später zu heben. Reeder wie die MSC sind gegen den Verlust von Containern versichert. 80 Prozent aller auf Wasserwegen, auf Schienen und Straßen oder in Flugzeugen transportierten Container sind durch den Marktführer „Through Transport Club" versichert – der zahlt bei Beschädigung beziehungsweise Verlust.
Letzterer allerdings gehört zum Schifffahrtsalltag. Immer wieder gehen vor allem bei schwerem Sturm Container über Bord – beispielsweise bei einem Unglück am 14. Februar 2014.
Das Schiff Svendborg der dänischen Reederei Maersk verlor vor der Bretagne 517 Container, nur 13 von ihnen wurden später gefunden. Der große Rest liegt nun auf dem Meeresboden der Biskaya und rostet vor sich hin. Dort ist der Meeresboden allerdings wesentlich tiefer als in der Nordsee.
Darüber hinaus gehen aber auch auf normaler Fahrt immer wieder mal Schiffscontainer verloren. Wieviel genau, ist nicht bekannt, es gibt nur Schätzungen. Das World Shipping Council, ein globaler Verband der Reedereien, schätzt, dass jedes Jahr rund 570 Container im „normalen" Geschäft über Bord gehen. Einschließlich größerer Unglücksfälle sind es sogar knapp 1.600 Container pro Jahr. Demnach sind größere Unglücke für knapp zwei Drittel, der normale Verlust für ein Drittel des Abgangs verantwortlich. Im Laufe der Jahre dürften inzwischen also über 10.000 Container auf den Meeren verloren worden sein.
Sie sinken schnell zum Meeresboden, sie können aber auch monatelang treiben – vor allem, wenn sie mit viel Verpackungsmaterial wie Styropor gefüllt sind. Ein Container schwimme bis zu zwei, in Ausnahmen sogar bis zu sechs Monate an oder unter der Meeresoberfläche, so eine ältere Studie.
Anders als Ladung auf einem Lkw werden Container auf einem Schiff nicht mit Seilen festgespannt, sondern mit „Twistlocks". Das sind etwa fünf bis zehn Kilogramm schwere Verriegelungen, die eine Box an allen vier Ecken mit einer Box darüber oder darunter fest verbinden. So werden die Container nur untereinander gesichert, was wegen ihres hohen Gewichts und der Form normalerweise auch ausreicht.
Stauplaner achtet auf das Gewicht
Zudem wird die Anordnung der Container auf einem Schiff immer gut geplant. Das ist vor allem die Aufgabe des sogenannten Stauplaners der Reederei. Er achtet darauf, dass die Gewichte der Container passen: schwere unten, leichtere oder leere oben. Außerdem muss die Ladung so verteilt werden, dass das Schiff möglichst optimal im Wasser liegt.
Was genau auf der „MSC Zoe" passiert ist, werden nun die Reederei und die zuständigen Behörden der Niederlande und Deutschland untersuchen. „Das wird wahrscheinlich noch einige Zeit gehen, bis man da mehr weiß", so ein Sprecher des deutschen Reederverbandes. „Man muss nun unter anderem prüfen, ob die Container wirklich richtig gut gestaut waren." Wenn Ladung beispielsweise innerhalb des Containers verrutscht, liegt das allerdings außerhalb des Einflusses der Reederei. Normalerweise dürfte das aber, zumindest, wenn es sich um einzelne Boxen handelt, die Stabilität auch nicht gefährden.
Überhaupt, so der Sprecher des Reedereiverbandes, seien 277 bei einem Unglück über Bord gegangene Container –
immerhin ein Fünftel des jährlichen Gesamtwertes – zwar eine stattliche Anzahl. Jährlich aber würden auf den Ozeanen 130 Millionen Container verschifft. Da liege, so der Reederverband, der Verlust im Promillebereich.