Wer den Explorers Way von Darwin nach Adelaide unter die Räder nimmt, fühlt sich wahrlich als Entdecker. Das liegt neben der intensiven „Erfahrung" des Outbacks auch an den Abstechern zu imposanten Canyons und Salzseen, zu tropischen Wasserfällen und mediterran anmutenden Weinbergen.
Kennen Sie John McDouall Stuart? Jenen Pionier, dem es 1862 als erstem Weißen gelang, das Red Centre zu durchqueren? Oder sagt Ihnen zumindest der seinen Spuren folgende Stuart Highway etwas? In Down Under kennt die legendäre Verbindungsstraße durch den Kontinent wohl jeder, auch wenn die wenigsten sie selbst gefahren sind. Da ausländische Besucher offenbar wenig mit dem Namen Stuart Highway anfangen konnten, bekam dieser vor Jahren einen zweiten verpasst: Explorers Way. Klingt gleich viel abenteuerlicher. Und, Straßenbezeichnung hin oder her, darum geht es doch den Langstrecken-Selbstfahrern: spektakuläre und unberührte Natur zu erleben. Hunderte von Kilometern zurückzulegen, ohne durch eine Stadt oder ein Dorf zu kommen oder wenigstens ein Haus zu sehen. Wo, bitte, gibt es so etwas in Europa? Damit kein falscher Eindruck entsteht: Selbst im Zeitalter klimatisierter Autos und asphaltierter Straßen kommen auf dem Explorers Way Abenteuergefühle auf. Schließlich bestimmen in weiten Teilen karge Landschaften und Salzseen die rund 3.300 Kilometer lange Route. Allein für diese Hauptstrecke sollte man rund zwei Wochen veranschlagen. Wer die Sehenswürdigkeiten am Wegesrand ausgiebig erleben und größere Abstecher zum Uluru oder in die Flinders Ranges unternehmen will, der sollte eine weitere Woche einplanen. Mindestens.
Bereits ein, zwei Autostunden nach dem Start in Darwin könnte der Zeitplan ein erstes Mal ins Wanken geraten. Im tropisch-grünen Litchfield National Park lässt sich ein halber Tag, aber auch eine halbe Woche verbringen. Eilige klappern zumindest die eindrucksvollsten der vielen Wasserfälle ab – Tolmer, Florence und Wangi Falls –, die die schönsten Badestellen des australischen Nordens speisen. Reisende mit mehr Zeit schnüren die Wanderschuhe. Von kleinen Touren bis zum 39 Kilometer langen Tabletop Walk ist für jeden etwas dabei. XXL-Auswahl haben auch Fotografen, wobei die bis zu fünf Meter hohen Termitenhügel, die exakt in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet und weltweit nur hier zu finden sind, im Motiv-Ranking ganz oben stehen.
34 Grad warmer Naturpool
Via Adelaide River und Pine Creek führt die zweispurige Asphaltstraße – man darf sich von dem Wort „Highway" in Stuart Highway nicht in die Irre führen lassen – nach Katherine. Freizeitaktivität Nummer eins: Boots- respektive Kanufahren in der einmaligen Katherine Gorge. Die besteht genau genommen aus 13 Schluchten. Für feucht-fröhliches Vergnügen sorgen im Nitmiluk National Park zudem die Edith Falls sowie eine Reihe ungefährlicher Schwimmlöcher.
Auf dem Explorers Way den Blinker setzen? Bei Mataranka bietet sich dazu die seltene Gelegenheit. Der Grund: ein 34 Grad warmer Naturpool unter Bäumen und doch mitten im Outback. Das präsentiert sich im weiteren Verlauf eher eintönig. Hallo wach dann in Daly Waters. Schwere Offroadfahrzeuge, laute Musik und das Schild „Benzin? Frag’ im Pub" verraten an der Tankstelle, dass in dem 16-Seelen-Weiler noch mehr sein muss. Tatsächlich: In der legendären Outback-Kneipe hängen BHs von der Decke, die Jukebox kämpft gegen das Gegröle bärtiger Tattoo-Träger, Bardamen zapfen Bier. Erst 14 Uhr? Egal, Zeit spielt keine Rolle. Auch Geld oder Beruf scheinen unwichtig – zumindest amüsieren sich Trucker und Viehzüchter, Minenarbeiter und Touristen bestens miteinander. Historische Spurensucher werden draußen fündig: Der gute, alte Stuart hat sich hier mit einem großen „S" verewigt, das er in einen Baum ritzte.
Danach heißt es ab in den Wagen, ab in den Süden. Und zwar mehr oder weniger direttissimo. Nach mehr als 400 Kilometern dann ein überbordendes Pausenangebot in Tennant Creek: Goldschürfkurse, Geschichtsstunde in der ehemaligen Telegrafen-Relaisstation, viele Läden und Einblicke in die Kunst der Aborigines. Die größte Sehenswürdigkeit liegt mit den „Devils Marbles" jedoch rund 100 Kilometer südlich. Viele der „Teufelsmurmeln" balancieren bedenklich instabil aufeinander. Fakt ist, dass die überdimensionalen Granitformationen eine teuflisch gute Sehenswürdigkeit hergeben. Gut auch – der Tag war lang –, dass nach einer Dreiviertelstunde der „Wycliffe Well Holiday Park" auftaucht. Hier lässt sich günstig Diesel tanken. Und Bier. Mehr als 55 Sorten, so viele wie sonst nirgends im Northern Territory. Mit ein Grund, dass sich in dem Mini-Ort angeblich so gerne Außerirdische blicken lassen? Hunderte ausgestellte Zeitungsartikel über Sichtungen, jede Menge „Warnschilder" und zwei lebensgroße Aliens zeugen von der Aura der „Ufo-Hauptstadt Australiens".
Nach Alice Springs ist es weit, zumindest für irdische Wesen in irdischen Gefährten. Da kommt Freude auf, wenn „The Alice" nach vier, fünf Stunden erreicht wird – das Zentrum des Kontinents. Nirgendwo sonst findet man auf so konzentriertem Raum so viele Galerien, die Aboriginekunst ausstellen. Was man in der 27.000-Einwohner-Stadt auch findet: jede Menge Infos und Informanten für die Detailplanung der nächsten Tage.
Großartige Schluchten
Auch wenn der Explorers Way weiter nach Süden verläuft, sollte man nämlich dringend den Red Centre Way einschlagen – in die westlichen MacDonnell Ranges mit ihren großartigen Schluchten, Felsspalten und Badestellen. Der Kings Canyon im Watarrka National Park, begrenzt von bis zu 270 Meter hohen Felsen, trägt seinen Namen zu Recht. Als größter Canyon Australiens ist er in der Tat der „König" der Schluchten. Allein die Anfahrt über die unbefestigte Mereenie Loop Road hat es in sich (ohne Allradwagen bleibt nur der Umweg über Alice Springs), und dann erst der „Rim Walk", der Wanderern sensationelle Blicke in die Tiefe beschert. Doch es geht noch besser. Der Uluru erhebt sich aus brettflacher Ebene um 350 Meter und glänzt je nach Sonnenstand in schillernden Rot-Tönen. Geologisch lässt sich das Naturwunder erklären, rational begreifen kann man es kaum. Er ist den Aborigines heilig, aus Respekt verzichtet man gerne auf die Bergkraxelei. Drumrumwandern ist auch erhebend. Auch toll: Aborigines erklären bei Outback-Food ihre Version der Sternenkunde – und tags drauf den Weg zu den „Olgas", jetzt korrekt Kata Tjuta. In der Sprache der Aborigines bedeutet das „viele Köpfe", für sie sind die 36 Hügel nichts anderes als steingewordene, mythologische Wesen wie aus Träumen. Von Kata Tjuta geht es via Uluru schnurstracks nach Osten, wo man beim „Erldunda Roadhouse" wieder auf den Explorers Way trifft. Auf dem Weg nach Süden bleibt neben Grün (Bäume, Büsche!) Rot (Boden!) die vorherrschende Landschaftsfarbe. Auch jenseits der Grenze zu South Australia, wo der Weiler Marla als Übernachtungsort beliebt ist. Hier geht es entweder auf dem Explorers Way weiter nach Süden zur nächsten Station Coober Pedy oder ostwärts durch die Painted Desert und dann via Flinders Ranges gen Adelaide.
Wer sich für Variante eins entscheidet, dem wird Coober Pedy – „Des weißen Mannes Loch", so der Aborigine-Begriff – nach den letzten Outbackstunden wie eine Kleinstadt vorkommen. Die „Opal-Hauptstadt der Welt" ist indessen nicht nur für die weißen Edelsteine berühmt, sondern auch für Wohnhäuser, Läden, gar Kirchen, die die Bürger auf der Flucht vor der gnadenlosen Sonne unter der Erde gebaut haben. Down Under im doppelten Sinn. Was sie auch gebaut haben, teils in den Höhlen einer alten Mine: das „Desert Cave Hotel", einziges Viersternehotel der Welt unter Tage. Für Abkühlung sorgt neben den natürlich-kühlen Räumen auch der Höhlen-Pool. Und ein Frozen Cocktail an der unterirdischen Bar.
Road Trains, bis zu 100 Meter lange Laster, sind zweifellos die Könige der Straße, Abermilliarden Buschfliegen die Herren der Lüfte, sonst regiert die Sonne. „A lot of nothing" nennen Aussies die Busch-Landschaft, die drei Viertel des Kontinents einnimmt, aber nur von 0,3 Prozent der Bevölkerung bewohnt wird. Auf dem langen, von etlichen unwirtlichen, aber stimmungsvollen Salzseen gesäumten Weg nach Port Augusta scheint die Einwohnerdichte noch geringer. Da ist man über jede Begegnung froh, etwa im „Glendambo Roadhouse". Oder in Woomera, wo alte Raketen sowie andere Anlagen der ehemaligen militärischen Sperrzone besichtigt werden können. In Port Augusta trifft einen die Zivilisation wieder mit voller Wucht. Und der Anblick des Meeres signalisiert ein baldiges Ende der Tour. Wer das nicht wahrhaben will, flüchtet ins Wadlata Outback Centre, das zu einer gut inszenierten Zeitreise bis ins Dinosaurierzeitalter einlädt, oder setzt den Blinker erneut Richtung Landesinnere.
Auch wenn Adelaide bereits ausgeschildert ist und auf dem Explorers Way in gut drei, vier Stunden erreicht wäre, sollte man ruhig noch mal drei, vier Tage für die Flinders Ranges einplanen. Und Extra-Speicherkarten für die Kamera. Der 500 Kilometer lange Gebirgszug sorgt angesichts tiefer Schluchten und schroffer Felsformationen für spannende Fotomotive am laufenden Band. Highlight aller drei (!) Nationalparks ist die wie ein riesiges Felsenamphitheater aussehende Wilpena Pound. Hier hat sich über Jahrmillionen eine rund 100 Kilometer messende Mulde gebildet. Tipp: Rein in die Cessna und das Spektakel aus der Luft ansehen. Großartige Naturaussichten haben aber auch Gäste des „Wilpena Pound Resorts", Mountainbiker, auf die über 200 Trailkilometer warten, und Wanderer. Einige Wege führen nämlich bis an die Kraterkante.
Rosa funkelnde Salzseen
Es geht auch „obenrum" in die Flinders Ranges. Von Marla führt der Oodnadatta Track über Oodnadatta (Pflichtbesuch im „Pink Roadhouse" – Tanke, Shop und Pub in einem) nach Marree. Wahlweise kann man auch von Coober Pedy via William Creek kreuzen. So oder so: Der Weg durch die Painted Desert lohnt sich. Vor 80 Millionen Jahren ein Binnenmeer, sind die sandigen Hügel von heute in verschiedene Rot-, Gelb- und Brauntöne getaucht und kontrastieren mit weißen und schwarzen Felsabschnitten. In der endlosen Weite treffen tischtuchplatte Steinwüsten auf rosa funkelnde Salzseen, endlose Sanddünen auf Oasen mit Urzeit-Palmen, heiße Quellen auf ausgetrocknete Flusstäler. Man fragt sich, wie man hier Tiere halten kann. Man kann. Die Anna Creek Station, etwa so groß wie Mecklenburg-Vorpommern, ist mit rund 18.000 Tieren gar die größte Rinderfarm der Welt.
Auf zur letzten Etappe. Die wird lieblich. Geradezu mediterran. Erst kommt das Clare Valley, das zu den besten Weinregionen Australiens zählt, und dann die sanfte Hügellandschaft rund um Adelaide, wo sich insbesondere das Barossa Valley unter Weinkennern einen Namen gemacht hat. Hier sitzen große Weinproduzenten wie Jacob’s Creek, Penfolds, Peter Lehmann, Seppeltsfield und Yalumba, die Shiraz-, Cabernet Sauvignon- und Riesling-Weine im großen Stil in alle Welt exportieren. Ihre stylischen Besucherzentren bieten Touren durch die Weinberge, Weinseminare und preisgekrönte Restaurants mit fantastischem Blick. Und natürlich Verkostungen. Wer nicht mehr von Kellerei zu Kellerei fahren, will, kann in der dortigen „Wined Bar" des australischen Weinzentrums 120 edle Tropfen vom fünften Kontinent verkosten – Infos zu den Weinen gibt es gratis dazu. Ein würdiger Abschlussort für ein großes Abenteuer.