Vor 25 Jahren verlor die Filmwelt einen ganz Großen: Telly Savalas. In seiner Rolle als Lieutenant „Kojak" ermittelte er in 118 Folgen als unbestechlicher Polizist im New Yorker Verbrecher-Milieu. Damit begann sein Aufstieg zum Filmstar.
Der in der Unterwelt Manhattans gefürchtete Mordermittler Lieutenant Theo Kojak, Markenzeichen Glatze, Lolli und dreiteiliger Maßanzug, war ein Original wie etwas später Inspector Columbo. Und doch wollte der Schauspieler Telly Savalas, der vor 25 Jahren genau einen Tag nach seinem 72. Geburtstag gestorben war, die Rolle seines Lebens eigentlich partout nicht übernehmen. Obwohl er 1963 für die Figur des Häftlings Feto Gomes in John Frankenheimers „Der Gefangene von Alcatraz" eine Oscarnominierung als bester Nebendarsteller und danach noch unzählige, in der Regel kleinere Engagements in amerikanischen Kino- und TV-Produktionen meist in seiner Paraderolle als Bösewicht erhalten hatte, war sein Stern im Dunstkreis Hollywoods Anfang der 70er-Jahre allmählich so sehr verblasst, dass er sein Glück in Europa versuchte, vornehmlich in italienischen Produktionen.
Daher sah sich der renommierte US-Drehbuchautor Abby Mann, der Savalas als Idealbesetzung für eine neuartige TV-Krimi-Serie, in der erstmals der Alltag New Yorker Cops möglichst realitätsnah dargestellt und auch die damals weit verbreitete Korruption in Polizeiapparat und Justiz thematisiert werden sollte, dazu veranlasst, seine Reisekoffer mit dem Ziel Alte Welt zu packen. Mann: „Ich habe ihn von Madrid bis Rom und von Paris bis London verfolgt. Kojak reizte ihn überhaupt nicht." Kein Wunder, hatte doch Savalas immer wieder in Interviews betont, dass er sich nicht vom Fernsehen verheizen lassen wollte, schon gar nicht als Aushängeschild einer Serie. Mit bewundernswerter Hartnäckigkeit konnte Mann Savalas nach und nach zunächst zum Lesen des Scripts für den geplanten Pilotfilm überreden. Schließlich brachte er Savalas dazu, an diesem Film-Projekt mitzuwirken. Das genügte dem verantwortlichen TV-Konzern allerdings nicht. Was sollte man mit einem Hauptdarsteller anfangen, der nur im Pilotfilm mitspielen wollte, aber nicht in der daran anschließenden Krimi-Serie? Die Lösung war ein Angebot, das Savalas nicht ablehnen konnte. CBS winkte mit viel Geld, Telly sollte 40.000 Dollar pro Folge erhalten. Das war mehr, als jeder Serienstar bis dahin erhalten hatte. Diesem Argument konnte der Kahlkopf einfach nicht widerstehen. „Kojak ‒ Einsatz in Manhattan" machte Savalas zum Weltstar, und die zwischen 1973 und 1978 abgedrehten 118 Episoden zu je 48 Minuten wurden begeistert von 100 Millionen TV-Zuschauern in 75 Ländern verfolgt. Schon 1974 wurde der „Golden Greek", so Savalas Spitzname, mit dem begehrten Emmy-Award für seine Ermittler-Rolle ausgezeichnet, 1975 und 1976 folgten dann zwei Golden Globes als bester Darsteller. Und weil das Publikum auch nach dem Ende der Serie offenbar noch nicht genug von Kojak gesehen hatte, wurden zwischen 1985 und 1990 noch sieben Folgen in Spielfilmlänge nachgeschoben. Der Pilotfilm mit dem Titel „Der Mordfall Marcus Nelson", wie auch eine ganze Reihe späterer Episoden, war inspiriert von einer wahren Geschichte aus dem Jahr 1963. Damals legte man einem jungen Farbigen völlig zu Unrecht einen Mord und eine Vergewaltigung zu Last, er wurde zum Geständnis geprügelt und letztlich zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt.
Mehrfach wurde er ausgezeichnet
Der reale Background der Serie war die traurige Tatsache, dass sich New York in den 70er-Jahren wieder den Ruf als führende Weltmetropole des Verbrechens zurückerobert hatte. Ein einzelner, unkorrumpierbarer Cop wie Kojak war da eigentlich auf verlorenem Posten. Das ließ sich in jeder Folge an der zwischen Menschenverachtung, Zynismus, Ruppigkeit, Einfühlsamkeit und Hilfsbereitschaft wechselnden Stimmung des ursprünglich als Kettenraucher angelegten Protagonisten ablesen. Savalas mimte nicht den coolen Mordermittler, sondern wollte auf den Bildschirmen den wahrheitsgetreuen, beschwerlichen Kampf eines Polizisten gegen übermächtige Gegner, auch im eigenen Apparat, darstellen. Damit konnte er sich kaum Freunde machen, weshalb er in der Serie auch nie befördert wurde und erst in den sieben Post-Episoden als Inspektor Jagd auf Dealer, Mörder oder Erpresser machen konnte.
Um die Serie weitestmöglich authentisch zu produzieren, bestand Savalas darauf, der zu Fortbildungszwecken mit echten Cops auf Streife ging und sich an jedem Drehtag mit bis zu 40 Tassen Kaffee hochpushte, dass nicht nur in Hollywood-Studios gedreht wurde, sondern auch die Straßenschluchten und miesen Viertel Manhattans immer wieder auf der Leinwand zu sehen waren. Savalas: „Die Filme müssen bersten von echtem Leben. Die Zuschauer müssen das Gefühl haben, mittendrin zu sein." Die diversen Glimmstängel wurden schnell aufgrund von Zuschauerbeschwerden durch die berühmten Lollis ersetzt, die wiederum in den Spät-Episoden den Kampagnen von US-Zahnarztvereinigungen zum Opfer fallen sollten. Legendär sollte in der deutschen Synchronisation durch Edgar Ott Kojaks ständiger Ausspruch „Entzückend, Baby" werden, der im Original „Who loves ya, Baby?" lautete.
Aristotelis „Telly" Savalas wurde am 21. Januar 1922 als zweites Kind der griechischstämmigen Einwanderer Nick Savalas, einem Gastronomen, und seiner Ehefrau Christina, einer Künstlerin, geboren. Die englische Sprache lernte er erst in der Schule, die er ohne Probleme 1940 mit dem Highschool-Abschluss absolvierte. Zum Familien-Budget hatte er schon früh als Zeitungsbote oder Schuhputzer beigetragen. Sein erster richtiger Beruf sollte ein Job als Rettungsschwimmer werden, den er jedoch nach einem tragischen Unfall eines Badegastes verlor. Daraufhin schrieb er sich an der New Yorker Columbia University ein und sollte die Lehranstalt 1948, nach Rückkehr aus dem Krieg als hochdekorierter Verwundeter, als graduierter Psychologe verlassen. Danach war er jedoch niemals als Seelendoktor tätig.
Die erste Rolle Ende der 50er
Dank seines als Diplomaten tätigen Bruders erhielt er eine Stelle in der Öffentlichkeitsarbeit des US-Außenministeriums, wodurch er erste Kontakte zu Fernseh- und Rundfunkanstalten knüpfen konnte. Er wechselte zur ABC und stieg dort im Laufe der 50er-Jahre vom Radio- zum Fernsehmoderator auf.
An eine Schauspiel-Karriere mit allein rund 60 Kino-Streifen hatte er bis 1958 keinen Gedanken verschwendet. Doch dann wurde bei ihm angefragt, ob er zufällig einen Akteur mit einem europäischen Akzent für eine Folge der Drama-Serie „Armstrong Circle Theatre" empfehlen könne. Da der von ihm benannte Freund verhindert war, übernahm Savalas pflichtschuldig selbst die Rolle und war danach noch in zwei weiteren Episoden der Reihe 1959 und 1960 zu sehen.
Es folgten in Windeseile weitere Fernseh-Nebenrollen, und schon 1961 gab Savalas sein Kinofilm-Debüt als Cop im Gangster-Streifen „Mad Dog Coll". Wenig später gelang Savalas der Durchbruch in Hollywood dank der Protektion durch Burt Lancaster, der ihm die Rollen eines Polizisten und eines Knastbruders in den beiden Frankenheimer-Werken „Die jungen Wilden" (1961) und „Der Gefangene von Alcatraz" (1962) verschaffte.
Wenn man von den Kinofilmen „Das dreckige Dutzend" (1967), „Gauner, Kronen und Juwelen" (1969), „James Bond 007 – Im Geheimdienst Ihrer Majestät", bei dem Telly den schurkisch-größenwahnsinnigen Titelhelden-Widerpart Blofeld mimte, „Fahr zur Hölle, Gringo" (1969) oder „Brutale Stadt" (1970) sowie einigen italienischen Produktionen wie „Sie verkaufen den Tod" (1972) oder „Blutrausch" (1973) mal absieht, dann war Savalas auf heimischen oder cineastischen Leinwänden bis zur Kojak-Serie fast nur in Nebenrollen zu bewundern. Die Glatze, die er selbst in Western als einziger Akteur neben Yul Brunner präsentierten durfte, hatte er sich übrigens erstmals für seine Rolle des Pontius Pilatus im Bibelfilm „Die größte Geschichte aller Zeiten" (1965) zugelegt, nachdem er schon Mitte der 50er-Jahre nur noch einen schütteren Haarkranz hatte. Aus der Post-Kojak-Ära ist wenig Bemerkenswertes zu berichten, er ließ sich sogar zur Mitarbeit bei der deutschen TV-Serie „Ein Schloss am Wörthersee" überreden. Interessanter sind seine Erfolge als Sänger oder besser als brummelnder Rezitator von Hits wie „If" (1975) oder „Some broken hearts never mend" (1980).
Erfolgreich auch als Sänger
Der Privatmann Savalas pflegte diverse Hobbys wie Pokerspielen, bei dem er es bis auf Weltklasse-Niveau schaffte, Motorradfahren, Glücksspiel, Turf samt eigenem Rennpferd oder das Sammeln von Luxusautos. Er war dreimal verheiratet und hatte sechs Kinder mit vier verschiedenen Frauen.
Sein Frauenbild war erzreaktionär: „Sie müssen total ergeben sein bis in die Spitzen der Weiblichkeit ‒ völlig, absolut." Seine letzte Gattin, die Reisemanagerin Julie Hovland, war bei ihm, als er am 22. Januar 1994 infolge von Blasen- und Prostatakrebs im kalifornischen Universal City und dem dortigen „Sheraton-Universal Hotel", wo er 20 Jahre lang logiert hatte, verstarb.