Deutsche sind immer so bierernst, Franzosen dagegen versprühen die Leichtigkeit von Sommerwein. Echt jetzt? Jenseits aller Verträge bleibt der Anspruch bestehen, die jeweils andere Kultur zu verstehen und die Herausforderungen und Unterschiede zu akzeptieren. Auch beim Geschäftsessen.
Deutschland und Frankreich, zwei Länder, die sich so nahe und doch so fremd sind. Auf der einen Seite des Rheins die Industrienation mit Berlin, Mutti Merkel, großen Autos und jeder Menge Bier und Bratwurst, so die Klischeevorstellungen der Franzosen über Deutschland. Auf der anderen Seite des Rheins die Kulturnation mit Paris als Stadt der Liebe, unzähligen Streiks sowie Baguette, Käse und Rotwein, so die Vorurteile der Deutschen über Frankreich. Ach ja, Fußball spielen können die auch, also „allez les Bleus!", zumindest derzeit erfolgreicher als „die Mannschaft"; und das ist beileibe kein Vorurteil, sondern Fakt, siehe Tabelle. Disziplin und Ordnung gegen Laisser-faire und Savoir-vivre: hier die knausrigen Deutschen und dort die freizügigen Franzosen, ein Leben in Arbeit oder ein Leben wie Gott in Frankreich. Der majestätische Adler und der stolze Hahn als nationale Symbole – selbst der kräht übrigens lautmalerisch „cocorico" und nicht „kikeriki". Föderalismus hier mit vielen Ansprechpartnern versus Zentralismus dort mit einem Chef, der den Ton angibt.
Ob Politik, Wirtschaft, Kultur oder Sport: Die beiden Nationen ticken einfach unterschiedlich. Mon Dieu, würden sie doch endlich ihre Eitelkeiten dies- und jenseits des Rheins beiseitelegen und ihre Kräfte bündeln! Deutsch-französische Stärken könnten Wege in die Zukunft weisen. Daran glauben immerhin 72 Prozent der Franzosen und 81 Prozent der Deutschen, so die Ergebnisse von Umfragen in beiden Ländern. Denn Deutschland und Frankreich gehören seit jeher zu den wichtigsten Handelspartnern untereinander. Die deutsch-französische Achse bildet den Kern Europas. Die einen können nicht ohne die anderen und umgekehrt.
Es gibt nun aber markante Unterschiede zwischen Deutschen und Franzosen schon aufgrund der Geschichte, Erziehung, Religion und allem voran der Sprache. Doch ebenso spannend wie die Frage nach den Unterschieden ist die danach, wie sie überwunden werden können. Neben den sprachlichen Barrieren gilt es, mentale zu erkennen und Verständnis für die kulturellen Eigenschaften des jeweiligen Landes zu entwickeln. Vielleicht sollte man ganz im Sinne des französischen Philosophen Alexis de Tocqueville handeln: „Il faut s’enrichir mutuellement de nos différences culturelles", frei übersetzt: „gemeinsam von den Stärken der jeweiligen Kultur profitieren". Unterschiede zu verstehen, sie zu akzeptieren und sie letztendlich in einer gemeinsamen Kultur zusammenzufassen, das bleibt eine der Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen deutschen und französischen Unternehmen. Zehn wichtige Unterschiede im deutsch-französischen Geschäftsleben – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Anwendung auf den Einzelfall:
Arbeitsbesprechung
Franzosen sind Meister der Improvisation. Sie halten es mit dem Filmemacher Claude Chabrol: „Wo Disziplin und Ordnung herrschen, kann nichts Geniales entstehen." Erst starten, dann anpassen – so lautet klar ihre Devise.
Deutsche sind Meister der Planung und Methodik. Alles exakt und detailliert ausführen und natürlich Protokoll führen – ein Muss. Ihr Motto: nichts dem Zufall überlassen.
Konzept
Schon beim Begriff „Konzept" scheiden sich die Geister. Während Deutsche mit einer klar ausformulierten Idee ins Gespräch mit Franzosen gehen, steht bei unseren Nachbarn eher das persönliche Kennenlernen im Vordergrund. Franzosen fühlen sich von Deutschen schnell bevormundet und überrollt; Deutsche hingegen sehen sich in ihrem Vorurteil bestätigt, Franzosen seien in einem Meeting wieder einmal nicht vorbereitet.
Vertrauen
Während Deutsche sich das Vertrauen erst einmal auf der Basis von Leistung erarbeiten, agieren Franzosen zunächst personenbezogener, sprich: Der menschliche Faktor darf nicht zu kurz kommen. Das Kennenlernen und Checken, ob man geschäftlich zueinander passt, ist für Franzosen im Vorfeld sehr wichtig. Sofort einen vorgefertigten Vertrag aus der Tasche ziehen, wie Deutsche es gerne mögen, ist für Franzosen ein No-Go.
Essen gehen
Essen gehen mit dem Geschäftspartner in Frankreich ist ein soziales Ritual. In Frankreich wechseln nämlich nicht nur die Mitarbeiter dreimal schneller ihren Arbeitgeber als in Deutschland, sondern auch die Kunden ihren Geschäftspartner. Das bedeutet, dass der persönlichen Kundenpflege eine große Bedeutung zukommt. Und dazu gehört nun einmal, zum Essen zu gehen. Langes Reporting, wie in Deutschland oft üblich, ist für Franzosen übrigens eher lästig.
Kommunikation
Im Gegensatz zu Deutschen sehen sich Franzosen gern als Generalisten, gelten als kommunikativer und reden schon mal gern überall mit. Gerade beim Geschäftsessen sprechen Franzosen über Gott und die Welt, besonders beim Kennenlernen. Deutsche neigen dazu, schnell zur Sache zu kommen und bestimmte Probleme anzusprechen. Kommunikation zwischen Deutschen und Franzosen verlangt viel Einfühlungsvermögen und Geduld.
Sprache
Die Sprache ist der Schlüssel zum Verstehen, zur Kultur und zum Herzen. Franzosen mögen ihre eigene Sprache und zeigen sich in der Regel anderen Fremdsprachen gegenüber weniger aufgeschlossen, auch wenn sich das aufgrund der internationalen Verflechtungen ändert. Deutsche trumpfen sofort mit ihren Englischkenntnissen auf, was Franzosen schnell bloßstellen kann. Überhaupt sind Anglizismen ganz im Gegensatz zu Deutschland in der französischen Sprache mehr oder weniger verpönt. Darüber wacht sogar die Academie Française.
Führung
„Le patron, c’est moi!" In vielen französischen Betrieben sagt allein der Chef, was zu tun ist, und daran haben sich die Mitarbeiter zu halten ohne Wenn und Aber. Der Führungsstil gilt allgemein als autoritär mit ausgeprägter Hierarchie, auch wenn das von Branche zu Branche recht unterschiedlich ist und sich derzeit ändert.
In Deutschland hat Teamarbeit einen hohen Stellenwert. Aufgaben werden verstärkt delegiert. Mittlerweile nähern sich die Führungsstile beider Länder einander stärker an. Übrigens: Bei Spesen und Dienstwagen sollte man aus deutscher Sicht nicht allzu kleinlich sein.
Termin
Wer in Frankreich in einem Unternehmen anruft, um einen Termin zu vereinbaren, der bekommt nicht selten zur Antwort, dass er zurückgerufen werde. Abwimmeln ist Trumpf, auf gut Deutsch heißt das: Rückruf im nächsten Leben. Gleiches gilt für E-Mails, die irgendwo im Nirwana landen. Am besten kennt man seine Ansprechpartner oder verfügt über ein geeignetes Netzwerk.
Arbeitsrecht
Das französische Arbeitsrecht treibt deutschen Arbeitgebern oftmals den Angstschweiß auf die Stirn. Auch in einem zusammenwachsenden Europa unterscheiden sich die Arbeitsrechte beider Länder erheblich: In Frankreich gelten die gesetzlich festgelegte 35-Stunden-Woche, Überstundenregelung, Urlaubsanspruch, Kündigungsregeln, die sozialversicherungsrechtlichen Formalitäten, die verschiedenen Umsatzsteuerregelungen etc. Hinzu kommen Eigentumsvorbehalts- oder Haftungsbeschränkungsklauseln, all das ist unterschiedlich geregelt.
Freizeit
Wandern, Wassersport und Radfahren à la Deutschland, das wirkt in den Tiefen Frankreichs eher befremdlich. Franzosen wollen etwas erleben, shoppen gehen, Kultur erfahren, Sport treiben. Das sollte sich vor allem der deutsche Tourismusbereich auf die Fahnen schreiben. Denn wer Frankreich gewinnen will, der muss in den Köpfen der Franzosen denken. Gleiches gilt in umgekehrter Richtung.