Die deutsch-französische Freundschaft war in die Jahre gekommen. Nun wollen Deutscher Bundestag und Assemblée Nationale eine Neuauflage der Partnerschaft beschließen: den Vertrag „Elysée 2.0." FDP-Außenpolitiker Michael Georg Link über Souveränität, Verlässlichkeit und logische Schritte.
Herr Link, was ist der Kern des geplanten Elysée- Vertrags 2.0?
Der neue Elysée-Vertrag soll den ursprünglichen Vertrag ergänzen, denn seit 1963 haben sich Europa und die Welt gewandelt. Es gibt seitdem große politische Umbrüche, enormes Wirtschaftswachstum und viele gesellschaftliche und technologische Veränderungen, auch in den deutsch-französischen Beziehungen. Unsere Länder sind heute in vielen Bereichen sehr eng miteinander verflochten, können aber noch enger zusammenarbeiten. Der neue Elysée-Vertrag wird einen Rahmen bieten, damit die deutsch-französischen Beziehungen auch den neuen Herausforderungen im 21. Jahrhundert begegnen können.
Wie ist es zu der Idee für einen neuen Vertrag gekommen – und wer hatte sie zuerst?
Die Idee kursierte in Fachkreisen bereits eine Weile. Wirklich an Schlagkraft gewann das Vorhaben, als der französische Präsident Emmanuel Macron sie in seiner Rede an der Pariser Universität Sorbonne vortrug. Gemeinsam mit zwei Abgeordnetenkollegen von Union und Grünen habe ich dann im November 2017 einen Artikel veröffentlicht und darin ein neues Abkommen zwischen Bundestag und Assemblée Nationale vorgeschlagen. Nach einem Jahr intensiver Arbeit werden wir das Parlamentsabkommen am 22. Januar verabschieden. Am gleichen Tag wird voraussichtlich auch der neue Elysée-Vertrag unterzeichnet.
Was werden die deutschen Bürger von dem Vertrag haben?
Eine besondere Bedeutung hat die Kooperation in den Grenzregionen. Dort wollen wir, dass die Grenze im Alltag noch unsichtbarer wird. Denn auch wenn es längst keine Schlagbäume mehr gibt, so ist die Grenze in vielen Bereichen noch spürbar: bei der Verkehrsanbindung, der ärztlichen Versorgung, der Kinderbetreuung oder bei grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten. Aber nicht nur in den Grenzregionen, auch national wollen wir enger zusammenarbeiten, zum Beispiel um Reformen in Europa voranzubringen. Dafür gibt es mit Emmanuel Macron und der Partei En Marche derzeit sehr gute Partner in Frankreich.
Derzeit steht Macron innenpolitisch mächtig unter Druck. Kann das den neuen Vertrag gefährden?
Nein, da müssen wir uns keine Sorgen machen. Die Bedeutung der deutsch-französischen Zusammenarbeit ist in beiden Ländern fest verankert.
Aber was, wenn Macron einmal nicht mehr im Elysée-Palast sitzt – ist die deutsch-französische Freundschaft wirklich unverbrüchlich? Und was, wenn auch Merkel geht?
Die deutsch-französische Freundschaft wurde von ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten geprägt und weiterentwickelt. Sie ist nicht von einem bestimmten Duo abhängig und wird auch nach einem Regierungswechsel weiterhin maßgebliches Element der deutschen Politik bleiben.
Wie populär ist Zusammenarbeit mit Deutschland denn momentan in Frankreich?
Unsere Zivilgesellschaften sind sehr stark verflochten: durch Städtepartnerschaften, Schüleraustausche oder Geschäftsbeziehungen. Die Zusammenarbeit und Freundschaft ist für viele ganz normaler Alltag. Dass sich sowohl im Bundestag als auch in der Assemblée Nationale alle Fraktionen außer den extremistischen Rändern konstruktiv in die Verhandlungen eingebracht haben, zeigt, dass die Zusammenarbeit in beiden Ländern breite gesellschaftliche Akzeptanz und Zustimmung findet.
Die Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich sind enorm. Macron versucht durchzusetzen, was SPD-Kanzler Gerhard Schröder bereits mit der Agenda 2010 getan hat: Reform des Sozialsystems und Arbeitsmarktes. Kann man dennoch von einem politischen Gleichschritt sprechen?
Es geht weder beim Parlamentsabkommen noch beim Elysée-Vertrag um Gleichmacherei, sondern um ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen. In manchen Bereichen werden wir die gleichen Schritte gehen können, in anderen Bereichen bietet sich das weniger an. Wichtig ist, dass wir infrage stellen, wo wir gemeinsam vorangehen und Impulse für Europa geben können, diese Chance nutzen.
Anderes Thema: Die Bundesregierung möchte den französischen Veto-Sitz im UN-Sicherheitsrat in eine europäische Präsenz umwandeln. Wie sinnvoll ist das?
Auch meine Partei, die FDP, möchte langfristig einen europäischen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einrichten. Gerade vor dem Hintergrund einer immer engeren Zusammenarbeit in der europäischen Außen- und Verteidigungspolitik ist dies der nächste logische Schritt.
Aber wird ein französischer Präsident tatsächlich je bereit sein, auf einen Teil von Souveränität der Grande Nation zu verzichten?
Frankreich wird durch einen europäischen Sitz im Sicherheitsrat keine Souveränität, also Selbstbestimmtheit, abgeben. Gerade vor dem Hintergrund einer immer engeren Zusammenarbeit in der europäischen Außen- und Verteidigungspolitik (Stichwort: Europäische Armee) ist ein gemeinsamer Sitz im Sicherheitsrat der folgerichtige Schritt.
Was motiviert Sie ganz persönlich, an dem Vertrag „Elysée 2.0" mitzuwirken?
Seit ich als Schüler das erste Mal auf dem ehemaligen Schlachtfeld von Verdun stand, ist die deutsch-französische Freundschaft für mich ein Herzensthema. Für den Frieden in Europa ist die enge Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern unerlässlich. Nur zusammen können wir Europa zu einem Ort machen, an dem unsere Bürgerinnen und Bürger in Frieden und Freiheit leben.