Baden-Württembergs CDU galt als große Bastion der Merz-Unterstützer. Nach der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer sind die Meinungen im zweitgrößten Landesverband gespalten.
Die Einladung war schon lang ausgesprochen. Damals war sie noch Generalsekretärin, jetzt ist sie die Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union Deutschlands. Als die CDU-Ortsgruppe des Stuttgarter Stadtteils Möhringen Mitte Januar ihren Neujahrsempfang feierte, kam Annegret Kramp-Karrenbauer dennoch. Die rund 250 Gästen stimmte sie auf das Jahr 2019 ein. Es sei an der Zeit, in Deutschland Dinge in die Hand zu nehmen, sagte sie in ihrer Rede. Man müsse Bedenken zurückzufahren und sich auf bewährte Stärken wie Neugier, Mut und Weltoffenheit besinnen. Der Applaus der versammelten CDUler, die lächelnden Gesichter auf den Bildern der Veranstaltung – all das lässt den Eindruck entstehen, als seien sie in der Parteibasis zufrieden mit ihrer neuen Vorsitzenden – auch in Baden-Württemberg. Doch sehen das alle so? „In Baden-Württemberg haben sich in den letzten Wochen viele Kreisverbände Friedrich Merz als neuen Parteichef gewünscht. Jetzt ist dort natürlich Frustration spürbar", hatte der CDU-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, Wolfgang Reinhart, unmittelbar nach dem Parteitag in Hamburg im vergangenen Jahr der „Heilbronner Stimme" gesagt. Und weiter: „Ich höre heute sogar von Parteiaustritten, weil es Merz nicht geschafft hat. Die Sorge vieler Christdemokraten an der Basis ist doch, dass uns der politische Kurs in Berlin fehlt, um die Erosion an den Rändern zu stoppen." Parteiaustritte wegen Annegret Kramp-Karrenbauer?
„Kramp-Karrenbauer ist eine echte Powerfrau"
So weit will der Landesvorsitzende der CDU Baden-Württembergs auf FORUM-Anfrage nicht gehen: „Wir hatten in der CDU einen intensiven Wettbewerb von drei herausragenden Persönlichkeiten um den Parteivorsitz – das war schon ein Wert an sich. AKK hat schon jetzt gezeigt, dass sie als Parteivorsitzende ihre eigenen Akzente setzt, mit denen sie die CDU führt, die einzige verbliebene Volkspartei in Deutschland", lobt er. Sie hätte als Innenministerin, als Ministerpräsidentin und als Generalsekretärin beweisen, dass sie politischen Mut, politischen Instinkt und ihr eigenes Profil habe und dass sie echte Erfolge für die CDU einfahren könne. Deshalb hätte Kramp-Karrenbauer „alle Unterstützung in ihrem Amt verdient – und die bekommt sie aus der CDU Baden-Württemberg", sagt Strobel. Der Generalsekretär des mit rund 63.000 Mitglieder zweitgrößten CDU-Landesverbands, Manuel Hagel, schlägt in die gleiche Kerbe: „Annegret Kramp-Karrenbauer ist eine echte Powerfrau", sagt er. „Sie hat eine Idee und ein Ziel für unsere CDU – das hat sie auch schon als Generalsekretärin unter Beweis gestellt und total gut angepackt. Sie hat als Ministerpräsidentin im Saarland gezeigt, dass sie regieren kann – und sie hat gezeigt, dass sie auch unter schwierigen Bedingungen Wahlen gewinnen kann." Hagel ist sich sicher, dass die neue CDU-Vorsitzende der Partei noch „sehr gut tun" werde. „Wir unterstützen sie mit voller Kraft aus dem Südwesten", bekräftigt er.
Dass es nach Angaben von Wolfgang Reinhart dennoch den einen oder anderen Austritt gab, lag vor allem an der großen Beliebtheit von Friedrich Merz im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg. Dort, wo Porsche, Daimler und Bosch zu Hause sind, hatte Friedrich Merz einen besonders hohen Zuspruch. Er steht für die Werte, die die Unternehmer in Baden-Württemberg schätzen. Viele wollen eine konservativere Politik in der CDU. Mit seinen Vorstellungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik liegt Merz viel eher auf einer Linie mit vielen Politikern als Annegret Kramp-Karrenbauer. Zu groß sind bei vielen die Befürchtungen, AKK würde den liberalen Kurs Angela Merkels fortführen wollen. Dabei müsse sich die CDU deutlicher von SPD und Grünen unterscheiden. Günther Oettinger, einst Ministerpräsident Baden-Württembergs, ist nach wie vor davon überzeugt, dass Merz der bessere Kanzler wäre. Er sagte in einem Interview mit den Zeitungen der „Funke-Mediengruppe", wer fast die Hälfte der Delegierten bei einem Parteitag hinter sich versammle, sei auch ein möglicher Kanzlerkandidat.
In Baden-Württemberg war Merz deutlich beliebter als AKK. Wie aus CDU-Kreisen zu hören ist, gab es während des Wahlkampfs um die Parteispitze zahlreiche Neueintritte in den Kreisverbänden, die vorwiegend Merz unterstützten. Thomas Blenke sitzt solch einem Kreisverband vor und berichtete im „Deutschlandfunk": „Die vergangenen Wochen haben unsere Partei unheimlich beflügelt, das hat einen wahninnigen Aufschwung bekommen. Wir haben zahlreiche Neueintritte erfreulicherweise zu verzeichnen gehabt, in den vergangenen Wochen." Dass es am Ende nicht gereicht hat für den Wunschkandidaten vieler CDUler aus dem Ländle, hätte für eine „gewisse Enttäuschung" gesorgt. „Aber, wir sind alle Demokraten und müssen das natürlich akzeptieren."
„Merz mit vielfältiger Expertise"
Zuletzt gab es sogar Gerüchte, innerhalb der baden-württembergischen CDU gebe es Bestrebungen, Merz zum Spitzenkandidaten für die nächste Landtagswahl im Jahr 2021 gewinnen zu wollen. Zahlreiche Medien griffen die Berichterstattung auf. Der Tenor: Viele seien unzufrieden mit Landeschef Thomas Strobl, weshalb Merz gegen den Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann antreten solle. Aus der Partei bestätigte allerdings niemand diese Berichte. Es ist äußerst fraglich, ob es dem Selbstverständnis der Christdemokraten in Baden-Württemberg entspräche, einen Kandidaten von außerhalb ins Boot zu holen.
Unabhängig von der großen Beliebtheit des Friedrich Merz müssen sich auch die Baden-Württemberger nun aber auf AKK einstellen. Starke Frauen gibt es schließlich auch im Stuttgarter Landtag. Eine von ihnen ist die Kultusministerin Susanne Eisenmann, die zuversichtlich ist, dass Kramp-Karrenbauer die CDU wieder stark machen wird, wie sie sagt: „Die CDU steht momentan vor großen Aufgaben. Ich habe Respekt, wie Annegret Kramp-Karrenbauer diese Herausforderungen nun entschlossen anpackt. Sie weiß, dass die CDU in wichtigen Bereichen, wie etwa der Wirtschaft, ihr Profil schärfen muss. Ich traue ihr zu, dass ihr das gelingt." Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut gibt auf Anfrage dagegen ehrlich zu: „Ich habe vor der Wahl kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich Friedrich Merz für den Parteivorsitz favorisiere." Dass es in Annegret Kramp-Karrenbauer seine Herausforderin an die Spitze der CDU geschafft hat, hindert sie aber keineswegs daran, ihr ihre Unterstützung auszusprechen: „Gleichwohl unterstütze ich selbstverständlich Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer neuen Aufgabe. Ich denke, sie verkörpert Kontinuität, wird aber auch neue Akzente setzen müssen. Denn die Menschen erwarten von der CDU ein klares Profil und Orientierung, überzeugende Zukunftskonzepte und den Mut, auch unbequeme Debatten anzustoßen und zu führen." Akzente setzen will auch der Landesvorsitzende Thomas Strobel, wie er im „Deutschlandfunk" bekräftigte: „Wir werden Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützen. Und zwar in der Art und Weise, dass wir uns einbringen, das heißt freilich auch: kein Weiter so!" Ende Januar steht eine Klausurtagung an. Kramp-Karrenbauer hat dazu mündlich ihr Kommen zugesagt. Es soll ein konstruktiver Dialog werden zwischen dem Landesverband und der neuen Vorsitzenden, in dem Friedrich Merz auf Wunsch von Ministerin Hoffmann-Kraut ebenfalls eine Rolle spielen könnte: „Wir müssen nicht nur Antworten auf den technologischen Wandel, sondern auch auf die Herausforderungen innerhalb wie außerhalb Europas finden", sagt sie. „Dazu kann auch Friedrich Merz mit seiner vielfältigen Expertise beitragen. Denn eins muss jedem klar sein: Wir können nur gemeinsam die Menschen für die CDU gewinnen."