Italien ist immer eine Reise wert. Der vielfältige Reiz des Landes ist ungebrochen. Die Politik der rechts-populistischen Koalition seit knapp einem Jahr wirkt dagegen wie ein Kontrastprogramm. Im Mittelpunkt immer wieder: Matteo Salvini.
Italien hat nach wie vor eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Da mag die Politik auf dem südlichen Stiefel im Mittelmeer dem Außenstehenden ähnlich unergründlich und wirr vorkommen wie das Treiben auf der britischen Insel um den Brexit, der Attraktivität Italiens mit seinen Landschaften und seiner Kultur tut das offenbar kaum einen Abbruch.
Matera als Kulturhauptstadt Europas in diesem Jahr sorgt für zusätzliche Aufmerksamkeit. Soviel, dass schon die bange Frage diskutiert wird, wie viel Tourismus das Unesco-Welterbe verträgt, ohne seine Authentizität einzubüßen. Eine Frage, die Venedig jetzt mit einem „Eintrittsgeld" beantwortet, um das weltweite Interesse einigermaßen zu kanalisieren.
54 anerkannte Welterbestätten verzeichnet die Unesco in Italien. Matera im ansonsten eher strukturschwachen Süden steht seit 1993 auf der Liste. Zwei Jahre später kam das historische Zentrum von Neapel dazu, der Stadt, die ansonsten eher als Sitz der Mafiaorganisation Camorra Schlagzeilen machte und die sich seit geraumer Zeit bemüht, ihr Image aufzubessern.
Der Süden des Landes hatte immer schon mit wirtschaftlicher Strukturschwäche gegen den reichen Norden zu kämpfen. Seit der Wahl vor knapp einem Jahr ist auch die politische Spaltung des Landes offensichtlich. Im Norden dominiert die rechte „Lega (Nord)", die zeitweilig separatistische Positionen vertrat, die Abspaltung des reichen Nordens vom Rest Italiens forderte. Der Süden ist fest in der Hand der Fünf-Sterne-Bewegung Movimento 5 Stelle (M5S), gegründet vom Spaßmacher Beppe Grillo, heute erfolgreich als populistische Anti-Establishment-Partei, die mit fast einem Drittel der Stimmen (32,6 Prozent) klar stärkste Kraft wurde.
Seither bilden Rechte und die politisch nicht klar einzuordnende M5S eine Koalition, die Europa auf Trab hält. Der Streit um den Haushalt, dessen geplante Verschuldung gegen die Regeln der Euro-Zone verstoßen hätte, und die rigide Flüchtlingspolitik haben immer wieder das Potenzial, selbst die Schlagzeilen im Brexit-Countdown zurückzudrängen.
Mit seiner Haushaltssituation stand Italien immer schon nah davor, das weitaus größere Sorgenkind der Euro-Zone zu werden als es Griechenland je war. Der Schuldenstand liegt inzwischen bei 130 Prozent der Wirtschaftsleistung, als erträglich werden 100 Prozent angenommen, in den Maastricht-Kriterien sind 60 Prozent vorgegeben. Bundesfinanzminister Olaf Scholz warnte schon mal vorsorglich, er wolle „das Spiel der Populisten" – nach dem Motto: „sich so lange schlecht benehmen, bis wir dann die Rettung zahlen" – nicht mitspielen.
Berlusconi meldet sich zurück
Der eigentliche Scharfmacher ist aber Innenminister und Vize-Regierungschef Matteo Salvini (Lega) mit seinem flüchtlingsfeindlichen Kurs. Ein Höhepunkt dieser Politik ist mit dem Namen „Aquarius" verbunden. Das Schiff mit über 600 Schiffbrüchigen erhielt keine Erlaubnis, einen italienischen Hafen anzulaufen und irrte folglich umher. Schon im vergangenen August wurden Gerettete auf persönliche Weisung Salvinis auf einem Schiff vor der italienischen Küste festgehalten. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung auf. Frankreichs Präsident Macron warf Salvini „Zynismus" vor.
Inzwischen hat sich ein Populist der ersten Stunde wieder zurückgemeldet. Silvio Berlusconi will sich mit seinen 82 Jahren als „der neue Mann für Italien" in den Europawahlkampf einmischen. Sein erklärter Gegner: Salvini. Der soll führenden Köpfen von Berlusconis „Forza Italia" Mandate bei oder über die „Lega" angeboten haben.
Das alles ließe sich noch unter „italienische Verhältnisse" verbuchen. 28 Ministerpräsidenten hat das Land in den letzten Jahrzehnten kommen und gehen sehen. Die kürzeste Amtszeit von 116 Tagen hatte ein gewisser Fernando Tambroni, die bislang längste mit knapp 3300 Tagen: Silvio Berlusconi.
Aber die rechts-populistische Regierung liegt in zentralen Fragen auf einem politischen Kurs, wie ihn Populisten anderer Länder längst eingeschlagen haben, immer in nationalem Grundtenor, von europaskeptisch bis europafeindlich. Und niemand wagt derzeit eine Prognose über deren Abschneiden bei der Europawahl im Mai, bei der die nationalen Entwicklungen immer noch stärker zum Tragen kommen dürften als wirkliche europäischen Themen. Auch wenn Brexit und globale Entwicklungen eigentlich eine andere Botschaft bereithalten sollten.