Seit knapp einem Jahr regiert das Duo Salvini und Di Maio Italien. Sie sind durch populistische Versprechen im Wahlkampf an die Macht gekommen. Nicht nur ihre Flüchtlings- und Haushaltspolitik halten viele für ein Modell, wie ein Europa nationaler Populisten aussehen könnte.
In einem sind sich Matteo Salvini und Luigi Di Maio derzeit völlig einig. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist für beide zum erklärten Lieblingsfeind geworden. Wie es scheint, hat das Methode. Wer zu Hause die Reihen fest schließen will, greift schon mal zu einem einigenden Feindbild draußen. Und wer sollte sich dafür wenige Monate vor der Europawahl für die beiden Italiener mit ihrem nationalen Populismus besser eignen als ein erklärter Europäer wie Macron?
Innenminister Matteo Salvini, der längst zum Gesicht der rechtspopulistischen Koalition Italiens geworden ist, droht Ungemach von der Justiz. Er sieht sich Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung von Migranten und Amtsmissbrauch gegenüber. Salvini, als Chef der Lega-Nord-Partei für einen flüchtlingsfeindlichen Kurs bekannt, hatte als Innenminister im vergangenen August dem italienischen Küstenwachschiff „Diciotti" untersagt, aufgenommene Flüchtlingen an Land gehen zu lassen. Die stammten aus Eritrea.
Wer die Schuld an der Flucht aus Afrika trägt, ist für Salvinis Partner Di Maio klar: Afrikaner verlassen ihre Heimat, „weil Afrika von einigen Staaten immer noch kolonialisiert wird. Allen voran Frankreich". Im Übrigen ist Frankreich irgendwie auch Schuld an der italienischen Haushaltssituation, weil es die Entwicklung in Afrika behindere. Salvini selbst sah sich aufgerufen, in bester Trump-Manier Noten zu vergeben. Emmanuel Macron sei ein „fürchterlicher Präsident".
Salvini spaltet mit harter Hand
Das Macron-Bashing weckt Erinnerungen an das Merkel-Bashing in Griechenland im Zusammenhang mit den harten Auflagen für die Hilfspakete, ein personifiziertes Feindbild eines europaskeptischen bis -feindlichen Kurses, von dem sich insbesondere Salvini offensichtlich eine Stärkung seiner Lega bei der Europawahl verspricht. Die musste nämlich bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr den Fünf Sternen den Vortritt lassen. Salvinis harter Kurs in der Flüchtlingspolitik stößt zumindest im Land auf Zustimmung. Im November avancierte der Lega-Chef mit 60 Prozent Zustimmung zum beliebtesten Politiker, zog damit knapp an Ministerpräsident Giuseppe Conte (parteiunabhängig) vorbei, Di Maio musste sich mit 53 Prozent und Platz drei begnügen. Und Salvinis Kalkül scheint auch der Partei zu nutzen. Die Lega kommt auf 30 Prozent Zustimmung, während die Fünf Sterne bei knapp 28 Prozent liegen.
Interessant an dieser Umfrage vom November im Auftrag von „La Repubblica": Während die persönlichen Werte Salvinis und die seiner Partei stiegen, sank das Ansehen der Regierung insgesamt erstmals vom Rekordhoch (62 Prozent) im September auf 58 Prozent.
Inzwischen hat sich das Rad der italienischen Politik weiter gedreht, ein alter Bekannter will als neuer Mann zurück auf die Bühne: Silvio Berlusconi. Seiner Forza Italia droht der Abstieg in die Riege der vielen Splittergruppen. Bei der Europawahl geht er nun noch einmal ins Rennen, ein Populist der alten Garde gegen die neuen Hardliner.
Dass in Italien Politik nach eigenen Gesetzmäßigkeiten läuft, ist keine neue Erkenntnis. Aber die innere Zwiespältigkeit ist relativ neu. Die Wahlsieger vom letzten Jahr haben mit einem euroskeptischen Kurs gepunktet. Aber erstaunlicherweise hat sich die Meinung der Bevölkerung seitdem deutlich geändert. Fanden vor Jahresfrist lediglich 40 Prozent der Italiener den Euro gut für ihr Land, waren es im vergangenen November 57 Prozent, was umso beachtlicher ist, als zur selben Zeit der Haushaltsstreit mit Brüssel eskalierte.
Salvini spaltet vor allem mit seiner Flüchtlingspolitik der extremen Härte. Die Gesetzesänderungen waren selbst bei Teilen des Koalitionspartners Fünf Sterne auf Widerspruch gestoßen. Bei der Abstimmung nahmen 14 „Sterne"-Abgeordnete nicht teil. Die negativen Schlagzeilen über herumirrende Hilfsschiffe mit Flüchtlingen an Bord beschädigen Italiens Ansehen massiv. Auch im Land gibt es neben Zustimmung immer deutlicheren Protest.
Dass Papst Franziskus in Rom erst am Dreikönigstag unverblümt und kaum diplomatisch verbrämt forderte, 49 Migranten von zwei Schiffen deutscher NGOs endlich an Land zu lassen, darf man noch erwartet haben. Seit Anfang des Jahres wächst aber auch der Widerstand vor allem in größeren Städten. Dutzende Bürgermeister nannten das „Legge Salvini" verfassungswidrig und unmenschlich. Die Bürgermeister von Neapel und Palermo erklärten sich öffentlich zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit, „doch wir Bürgermeister haben nicht die Macht, die Häfen zu öffnen".
Und die will Salvini auch weiter dicht halten. Als Reaktion auf eine mögliche Anklage wegen Freiheitsberaubung erklärte der Innenminister, es sei schließlich seine verfassungsmäßige Pflicht, die Grenzen zu schützen. Auch wenn das Ministertribunal ausdrücklich für Straftaten von Regierungsmitgliedern zuständig ist, gilt bis dato als offen, ob es zu einem Prozess kommt. Salvini genießt Immunität.
Allianz der Rechten als Ziel
Seit Herbst letzten Jahres arbeitet Salvini an europapolitischen Ambitionen. Gemeinsam mit Marine Le Pen hat er bereits im letzten Oktober eine Kampagne zur Europawahl gestartet, eine Attacke gegen den „Brüsseler Bunker", in dem die wirklichen „Feinde Europas" säßen. Im November ließ die österreichische FPÖ erkennen, dass sie sich Salvini als Spitzenkandidat der Rechten für die Europawahl vorstellen könnte, zumindest aber als „das Gesicht des Wahlkampfs". Jörg Meuthen, derzeit einziger AfD-Vertreter im Europaparlament, erklärte, er könne sich gut vorstellen, „dass Salvini eine tragende Rolle in europäischen Institutionen übernimmt".
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hatte sich schon im Oktober mit Salvini über eine rechte Allianz ausgetauscht. Anfang Januar traf sich Salvini mit Polens PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, um eine Allianz rechtspopulistischer Parteien für die Europawahl auszuloten. Das Ziel könnte eine europakritische-rechtspopulistische Fraktion im künftigen Europaparlament sein, natürlich unter der Führung der Lega Nord. Eine solche Allianz könnte durchaus einflussreiche Fraktionsstärke gewinnen. Ob das funktioniert, ist aber noch nicht ausgemacht. Zwar gibt es weitgehend Übereinstimmungen in der Migrations- und Flüchtlingspolitik, aber beim Verhältnis zu Russland scheiden sich die Geister. Mit einem wie Kaczynski ist da nicht gut Kirschen essen. Salvini hat dagegen schon im Koalitionsvertrag in Italien Wert darauf gelegt, Russland als bedeutenden Partner anzusehen. Immerhin hat Salvini geschafft, sich in vergleichsweise kurzer Zeit mindestens auf Augenhöhe mit den bekannten Größen zu bewegen.