Seit Langem wird darüber gestritten, welche Symbole auf Lebensmittelpackungen kommen sollen, damit Kunden „Dickmacher" leichter erkennen können. Zwei Hersteller haben sich jetzt für „Nutri-Score" entschieden. Steht 2019 eine politische Klärung an?
In vielen Supermärkten sollen sie in diesem Jahr nach und nach auftauchen: kleine, farbige Aufdrucke auf manchen Joghurts und Tiefkühlkost. Die neuen Logos eröffnen die nächste Runde im Ringen um deutlichere Nährwert-Kennzeichnungen für Fertigprodukte. Es geht um gesündere Ernährung und weniger Übergewicht nicht nur bei Kindern. Verbraucherschützer fordern dafür schon lange Farbsymbole, die auf einen Blick erkennen lassen, wie viel Zucker, Fett und Salz in Milchspeisen, Müslis oder Tiefkühlpizzen stecken. Ebenso lange wehrt die Lebensmittelbranche das scharf ab. Gibt es nun Bewegung?
Die Spannung steigt. Denn zur Zukunft solcher Kennzeichnungen soll bis zum Sommer ein Modell auf dem Tisch sein, das den Nährwertgehalt „gegebenenfalls vereinfacht visualisiert". So haben es Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart. Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hat schon Vorschläge in Aussicht gestellt, macht aber auch keinen Hehl aus ihrer Skepsis gegen „vereinfachte" Kennzeichnungen mit den Ampelfarben. Da bringt es Dynamik in die Diskussionen, dass zwei Branchengrößen vorlegen: Danone und Iglo wollen noch Anfang 2019 erste Produkte mit dem neuen Farb-Logo in die Kühlregale bringen.
Verbraucherschützer machen sich für Nutri-Score stark. Die französische Regierung unterstützt das System, auf freiwilliger Basis sind dort bereits 90 Hersteller dabei. Es sei das beste Modell auf dem Markt und biete die Chance, aus den „Schützengräben der Vergangenheit" herauszukommen, sagt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (Vzbv), Klaus Müller. „Wir appellieren an die Lebensmittelwirtschaft, hier ihren destruktiven Widerstand aufzugeben." Das Logo sei auch einfacher als die britische „Ampel" – diese umstrittene Kennzeichnung hat mehrere separate Symbole in rot, gelb oder grün für Zucker, Fett und Salz.
Nutri-Score mache dagegen negative wie positive Elemente in einem einzigen Wert erkennbar, erläutert Müller. Dafür wird – jeweils für 100 Gramm – beides mit Punkten bewertet und verrechnet: einerseits der Gehalt an Kalorien, Zucker, Fett und Salz und andererseits empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe, Proteine, Früchte oder Gemüse. Das Ergebnis ist dann im aufgedruckten Logo auf der Vorderseite der Packung zu sehen – in einer fünfstufigen Skala von „A" auf dunkelgrünem Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes „C" bis zu einem roten „E" für die ungünstigste. Das zutreffende Feld wird hervorgehoben, etwa ein hellgrünes „B" für Naturjoghurt oder ein orangenes „D" für einen Joghurt mit Karamellsauce und Knusperflocken.
Foodwatch will Kennzeichnung, die Vergleich erlaubt
Bei der deutschen Lebensmittelwirtschaft hält sich die Begeisterung in Grenzen – auch wenn das Modell mit fünf Farben differenzierter ist als nur mit drei. Durch Ampelfarben werde automatisch eine subjektive Bewertung vorgenommen, moniert der Spitzenverband Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Wie sie genau zustandekommt, mache das Logo nicht ersichtlich. Überhaupt werde es wissenschaftlichen Grundlagen nicht gerecht, wenn alles Rötliche mit „Stop" verbunden werde und alles Grüne mit ungehemmtem Genuss. Es komme auf die gesamte individuelle Ernährungsweise an und wie man sich bewege. Es sei aber anzuerkennen, wenn einzelne Unternehmen mit ihren Kunden freiwillig in Testphasen eintreten möchten.
Die beiden Nutri-Score-Vorreiter in Deutschland setzen darauf, dass das neue Logo auch Kunden hierzulande anspricht. Es sei unabhängig, wissenschaftlich abgesichert, leicht verständlich und habe bereits den Praxistest bestanden, heißt es beim Lebensmittelkonzern Danone. Dieser will sein Joghurt-Sortiment damit kennzeichnen. Geplanter Start ist in Kürze. Der Tiefkühl-Anbieter Iglo will auch bald loslegen und betont, es gehe um eine Verbraucher-Orientierung, die die Gesamtheit der Nährstoffe abwäge, ohne einzelne Stoffe wie Zucker oder Salz zu verteufeln. Beide Unternehmen haben im Blick, dass auch in Belgien und Spanien ähnliche Modelle kommen könnten.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch drängt, dass weitere Anbieter in Deutschland folgen müssten. Die Idee sei ja, verschiedene Produkte im Supermarkt vergleichen zu können. Dafür brauche es eine einheitliche und verpflichtende Ampel-Kennzeichnung für alle Hersteller. Vorerst können solche nationalen Logos im EU-Markt freiwillig und als ergänzende Kennzeichnung organisiert werden. Vorgeschrieben sind seit 2016 europaweit einheitliche Nährwerttabellen mit 100-Gramm-Angaben.
Das sei ja eine neutrale und objektive Darstellungsform, argumentiert der BLL. Dagegen meint Verbraucherschützer Müller, diese Angaben, die meist kleiner auf der Rückseite der Packungen stehen, würden ja auch niemandem weggenommen: „Jeder, der gern als Hobbymathematiker unterwegs sein möchte, findet alle Informationen."