Seit ein seltsames Ufo im Oktober 2017 gesichtet wurde, versuchen Wissenschaftler weltweit Erklärungen für den aus einem fremden Sonnensystem stammenden Flugkörper mit dem Namen „Oumuamua" zu finden.
Schon verwunderlich, dass sich der Schweizer Alien-Verfechter Erich von Däniken bislang kaum öffentlich zu einem Phänomen geäußert hat, das die angesehensten Astronomen und Astrophysiker dieser Welt seit dem 19. Oktober 2017 in Atem hält. Denn damals wurde mittels eines hochmodernen Teleskops namens „Pan STARSS" auf Hawaii ein Himmelskörper entdeckt, der den Wissenschaftlern seitdem jede Menge Rätsel aufgibt und bislang kaum zufriedenstellende Erklärungsergebnisse erlaubt hat. Nur eines ist sicher: Es handelt sich bei „Oumuamua" oder „Oumumamua", wie das Ufo auf Hawaiianisch getauft wurde, während der offizielle astronomische Name „1/I/2017 U1" lautet, um den erstmals gesichteten Besucher aus einem fremden Sonnen- oder Sternensystem. Oumuamua lässt sich als „Kundschafter", „Bote", „Botschafter" oder „Pfadfinder" übersetzen, was schon ziemlich nach Science-Fiction klingt, weil das Wort zu implizieren scheint, dass es sich um ein künstliches, von außerirdischer Intelligenz entwickeltes und auf die Reise in unser Sonnensystem geschicktes Flugobjekt handeln könnte.
Eigentlich eine Steilvorlage für von Däniken. Doch der beließ es im November 2018 in typischer Trump-Manier bei einem knappen Twitter-Tweed: „Alle Welt schreibt über das interstellare Objekt Ounuamua und rätselt, ob es künstlich sei. Was denn sonst, ihr Flaschen? Am Rande: Ich berichtete schon vor zwei Jahren darüber." Dafür erntete er viele höhnische Kommentare, nicht nur weil er den hawaiianischen Namen falsch geschrieben hatte, sondern
auch weil er das Ufo schon entdeckt haben wollte, bevor es überhaupt aufgetaucht war.
Damals 33 Millionen Kilometer entfernt
Allerdings hat von Däniken für seine berühmt-berüchtigten Alien-Theorien unerwartet und ziemlich zeitgleich Unterstützung von einem der weltweit renommiertesten Astrophysiker erhalten. Der israelische Forscher Prof. Abraham „Avi" Loeb, Leiter der Astronomieabteilung der Harvard University und Direktor des dortigen Instituts für Theorie und Computation, ist gemeinsam mit seinem Kollegen Shmuel Bialy, einem Nachwuchsforscher, mit der These vorgeprescht, dass es sich bei Oumuamua womöglich um ein Alien-Sonnensegel oder gar eine von Außerirdischen konstruierte Weltraumsonde handeln könnte. Mit diesem Erklärungsansatz steht er aber bislang in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft ziemlich alleine da. Die meisten Kollegen sind immerhin bereit, über diese mit Abstand unwahrscheinlichste These nachzudenken. Sie halten diese zwar für falsch, aber sind sich durchaus darüber im Klaren, dass ihre eigenen Deutungen des Ufos als Kometen oder Asteroiden auch jede Menge nicht zu übersehende Schwachpunkte enthalten.
Das grundlegende Problem war, dass Oumuamua erst gesichtet wurde, als der Flugkörper, 33 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, bereits wieder dabei war, unser Sonnensystem zu verlassen. Er hatte den erdnächsten Punkt seiner Umlaufbahn bereits hinter sich gelassen und entfernte sich wieder von der Sonne. Den Wissenschaftlern blieb daher wenig Zeit, Daten mithilfe der besten weltweit verfügbaren Teleskope über den Besucher aus den Tiefen des Alls zu sammeln. Bevor er dort wieder mit einer Geschwindigkeit von rund 300.000 Kilometern pro Stunde verschwand, konnte er letztmals am 2. Januar 2018 lokalisiert werden. Die Oberflächenfarbe wurde als rötlich erkannt, was für eine organische Substanz oder das Vorhandensein von Eisen spricht. Bei der Form konnte man sich nicht einigen, es werden seitdem wahlweise Zigarre, Gurke, plattgedrücktes Ei oder auch Pfannkuchen in Erwägung gezogen. Auch bezüglich der Größe, Masse und Dichte gehen die Meinungen der Wissenschaftler auseinander.
300.000 Kilometer pro Stunde schnell
Allerdings steht außer Frage, dass es sich um einen vergleichsweise kleinen Himmelskörper handelt, die Angaben variieren zwischen 200 Metern und einem Kilometer Länge. Aus einem ständigen Helligkeitswechsel, wodurch die rötliche Färbung in von der Erde abgewandten Zonen in ein Dunkelgrau überging, schlossen die Wissenschaftler auf eine Rotation des Ufos um die eigene Achse, für eine volle Umdrehung brauchte der Flugkörper zwischen sieben und achteinhalb Stunden. Auch ein chaotisches Taumeln auf der Flugbahn konnte festgestellt werden. Oumuamua bewegte sich daher trudelnd-rotierend. Ein großes Rätsel war auch die Bahnform des Ufos. Es trat fast senkrecht in die Bahnebene unserer Planeten ein und bewegte sich dann nicht etwa kreisförmig um die Sonne, seine Flugbahn war auch nicht elliptisch, sondern geformt wie eine Hyperbel. Allein schon aus der hohen Geschwindigkeit und der ungewöhnlichen Flugbahn haben die internationalen Forscher den Schluss gezogen, dass das Objekt aus einem anderen Sonnensystem stammen muss. Deshalb ist Oumuamua als erstes nachgewiesenes interstellares Objekt in die Geschichte eingegangen.
Direkt nach der Entdeckung hatte man Oumuamua für einen Kometen gehalten, diese Klassifizierung aber schon nach einer Woche zugunsten der Einstufung als interstellaren Asteroiden aufgegeben. Die typischen Merkmale eines Kometen, nämlich ein Schweif und eine Koma (eine mit einem Durchmesser von Tausenden Kilometern den Kometenkern umhüllende Gasschicht), konnten nicht festgestellt werden. Das gravierende Problem der Asteroiden-Klassifizierung war eine unerklärbare, durch Messungen bestätigte Beschleunigung, die das Ufo vor allem in Sonnennähe erfahren hatte. Diese Beschleunigung konnte allein durch die Gravitationskraft von Sonne, Planeten sowie weiteren Körpern in unserem Sonnensystem nicht plausibel gemacht werden. Sprich: Oumuamua war schneller unterwegs, als es die Gravitationskräfte im All eigentlich erlaubt hätten.
Es lag nahe, dass neben der Schwerkraft noch ein weiterer Impuls im Spiel gewesen sein musste. Das konnte ein Forscherteam um den Astrophysiker Marco Micheli vom „Near Earth Object"-Koordinationszentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Frascati im Juni 2018 nachweisen. Laut Micheli soll der seiner Meinung nach teilweise aus Eis bestehende Flugkörper Oumuamua einem Kometen ähneln und wie dieser seinen zusätzlichen Antrieb dem Verdampfen des Eises bei hohen Temperaturen in Sonnennähe zu Gas verdanken. Der Rückstoß des freigesetzten Staubes und Gases hat demzufolge dem Ufo einen zusätzlichen raketengleichen Schub verliehen. Die logische Frage, warum diese Kometenaktivität durch die Teleskope nicht beobachtet werden konnte, wurde allerdings nur relativ unbefriedigend beantwortet. Möglicherweise seien nur relativ kleine Mengen an Gasen, Staubpartikeln oder dem für Kometen typischen Molekül Cyanid freigesetzt worden. Die Mehrzahl der internationalen Forschergilde scheint Micheli zu folgen, weshalb die Kometen-Hypothese derzeit wieder die meisten Anhänger hat. Selbst Spekulationen über die Herkunft von Oumuamua, gewissermaßen dem fernen Heimatstern, wurden von einem Team um Coryn Bailer-Jones vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie schon angestellt – und gleich vier mögliche Zwergsterne zur Auswahl gestellt.
Kometen-Hypothese hat die meisten Anhänger
Die Theorie, das es sich um ein Raumschiff gehandelt haben könnte, hatten im Februar 2018 erstmals Forscher rund um die von dem russischen Milliardär Yuri Milner ins Leben gerufene und von Facebook-Chef Mark Zuckerberg sowie dem legendären Physiker Stephen Hawking geförderte „Breakthrough Listen Initiative" in den Diskussionsring geworfen. Aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem eigennützigen Hintergedanken, schließlich hat sich das Unternehmen das Ziel gesetzt, eine ganze Flotte von mit Sonnen- oder Lichtsegeln versehenen Sonden zum fernen Sternsystem Alpha Centauri zu schicken. Vor diesem Hintergrund dürfte es den Verantwortlichen von Breakthrough gefallen haben, Oumuamua quasi als Paradebeispiel für die Umsetzbarkeit ihrer ambitionierten Pläne präsentieren zu können. Rein zufällig mischt auch der schon genannte Prof. Abraham Loeb bei Breakthrough mit. Daher dürfte es wenig überraschen, dass er im November das Flugobjekt ausgerechnet als Sonnen- oder Lichtsegel deklarierte, dass von einer außerirdischen Intelligenz ins All geschossen worden sei. Bei einem Kongress in Berlin, der renommierten Falling Walls Conference, war Loeb sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hatte von einer Sonde gesprochen, „bewusst zur Erde geschickt durch eine außerirdische Zivilisation". Und im Gespräch mit der auf Weltraum- und Astronomiethemen spezialisierten Onlineplattform „Universe Today" gab er noch zum Besten: „Oumuamua könnte ein Stück Alien-Technologie sein, mit dem unser Sonnensystem erforscht werden soll ‒ genauso wie wir Alpha Centauri erforschen möchten."