Hinter der markanten schwarzen Front an der Torstraße verbirgt sich das „Mani". Im Restaurant prägen seit Neuestem Franziska Weigl und Angelo Sini als Chef-Duo die Küche mit israelisch-französischem Schwerpunkt.
Es schaut uns an, und man weiß noch nicht so genau, ob es uns oder das Fleisch von unserer Grillplatte fressen will – das große, gelbe Krokodil im „Mani". Auf der großen Tafel uns gegenüber hat es sich zu lebensgroßer, träger Schönheit ausgebreitet. Nur wir haben keine Ahnung, ob die sieben Tage, die es ungefähr braucht, bis ein Krokodil nach dem letzten Fressen wieder hungrig wird, gerade erst begonnen haben oder schon wieder beendet sind. Egal. Wir lassen uns jedenfalls nicht von einem Tafelaufsatz erschüttern. Wir zweckentfremden das gelbe Krokodil als Fotomotiv und machen uns unbeeindruckt und entspannt über unser Essen her.
Was soll uns schon geschehen, wenn Küchenchefin und Küchenchef mit am Tisch sitzen? Franziska Weigl und Angelo Sini bilden das Duo, das vor drei Monaten die Oberhoheit in der kleinen offenen Küche übernommen hat. Sie zeichnen für den israelisch-französischen Stil verantwortlich, dem das „Mani" allerdings schon deutlich länger anhängt. „Das ist noch ganz frisch", sagt Franziska Weigl über den Wechsel an der Küchenspitze. Sie selbst kennt das Lokal an der Torstraße schon länger. Deshalb fassen wir uns ein, zwei, drei, vier Chuzpeles, wie die mittelgroßen Portionen irgendwo zwischen Vorspeise und kleiner Mahlzeit, genannt werden.
Gar so viel Chuzpe, mutige und leicht unverfrorene Gewitztheit brauchen wir glücklicherweise nicht, um uns auf die Rote-Bete-Stücke mit Orangenchip auf einer Schafskäse-Ingwer-Creme zu stürzen. Na gut, für den Pulpo mit Mandarinenglasur auf Rauchkartoffelcreme mit fermentiertem Knoblauch bräuchte ich schon etwas Überwindung. Weder Tintenfisch noch Raucharomen sind meins. Aber wozu habe ich meine Begleiterin? Die ist sehr angetan, macht man ihr mit einem zarten, aufgekringelten Oktopusbein doch immer eine große Freude. Die hausgebeizten Lachs-Dreiecke auf Teller zwei sind aber auch untadelig und mehr meine Baustelle. Buttrig und sanft schmelzen sie im Mund nur so weg, konzentrieren sich ganz auf sich selbst. Dillmayo pusht die Cremigkeit. Nur helle und schwarze Sesamkörnchen als Lachsmantel sagen kurz mit nussigem Gegengewicht: „Stopp". „Das ist ein ganz einfaches Gericht, mit dem du aber ‚Boom‘ im Mund machen kannst", sagt Angelo Sini. Genau.
Da macht es „Boom" im Mund
Eingeschwenkt auf einen schönen und späterhin innerhalb der Fashion Week auch vollen Abend in dem 90-Plätze-Lokal hatten wir uns mit einem Ruinart Rosé im Glas. „Champagner geht immer", meint Restaurantleiter Côme Mourlet. Er muss das von Haus aus sagen, stammt er doch aus der Champagne. Mich muss man nicht lange davon überzeugen. Ich bin Fan von Champagner als durchgängigem Essensbegleiter. Den Rosé erlebe ich als ausgesprochen ausgewogen und harmonisch. Er geht sowohl mit den Chuzpeles als auch später mit markanterer Grillplatte und Beef gut einher. Mit feinem Pritzeln hält er dem präsenten Fleisch und den allgegenwärtigen ausdrucksstarken, wenn auch nicht übergewichtigen Gewürzen der Levante unaufgeregt stand.
Mourlet ist Herr über eine Auswahl von 40 Weinen, die aus Israel, Deutschland und Frankreich stammen. „Wir Franzosen sind da sehr liberal", flötet er uns entgegen, als er der Begleiterin sogleich einen Chablis aus der französischen Ecke empfiehlt. Der macht sich schon gut, als die Begleiterin vom Brotbrett bei den Aufstrichen und Oliven zugreift. Die „Muhamara", ein stückiger Dip – aus in diesem Falle gelber, sonst üblicherweise roter im Ofen gegarten und nach dem Abziehen pürierten Paprika –, gerösteten Walnüssen und Petersilie löffelt sich milde weg wie nichts. Das aus der Papiertüte befreite, frisch gebackene und noch leicht warme Brot trägt seinen Teil dazu bei, dass nichts von den Dips wieder zurückgeht.
Die Tomaten-Schafskäse-Creme gefällt nicht weniger – insbesondere zu den Brotchips. Die grünen Nocellara-Oliven picken wir nebenbei weg. So einige Aromen des östlichen Mittelmeers wehen uns aus den schwarzen Schälchen an und zeigen, was die neuzeitliche israelische Küche prägt: betonte Gewürznoten und Einflüsse aus aller Herren und Damen Länder.
Der „Boom" in der Küche geht gegen 20 Uhr los. Die Gäste strömen einer nach dem anderen herein – größere Gruppen ebenso wie zwei, vier, sechs Personen für einen Tisch. „It’s a gym!", hatte Angelo Sini über die doch recht kleine, aber offene Küche gesagt. In der machen an Abenden wie diesem bis zu fünf Köche ihre kulinarischen Übungen an Pfannen, Garern und Töpfen und rufen sich leise auf Englisch, Französisch oder Deutsch mit manchmal osteuropäischem Akzent gegenseitig zu. Das Team wirbelt auf allen Posten und an allen Tischen. Selbst als sich herausstellt, dass ein für vier Personen reservierter Tisch nicht ins System gebucht wurde und nun nichts mehr frei ist, findet Côme Mourlet mit Charme und Chuzpe eine Lösung, die den Gästen schließlich besonders viel Spaß zu machen scheint. Kurzerhand werden zwei Tische aus dem Hof hineingetragen, einige Stühle mit den pflanzenartig rankenden Lehnen hervorgezaubert und eine Extra-Tafel in einer Nische der Lounge im vorderen Teil aufgebaut. Die Vierergruppe hat im Entree vom „Amano"-Hotel in jedem Fall den besten Überblick über das Geschehen auf der Torstraße und auf den Umtrieb im Hotel – Showtime am Rande der Fashion Week und zugleich mittendrin im Trubel der mittigsten Mitte nahe dem Rosenthaler Platz.
Grillplatte à la Tel Aviv
Den nächsten sportlichen Auftritt hat der Grillteller „Mani Style" als Hauptgang auf unserem Tisch. Entrecôte, Maishähnchen, Lammfleisch, Merguez und mit Za’atar gewürzte Kartöffelchen möchten verspeist werden. Wir wundern uns – nicht über den stimmigen Geschmack der verschiedenen und passend unterschiedlich lang gegrillten Fleischlichkeiten, sondern über den „Style". Ist das israelisch? Oder irgendwie französisch – mit scharfen Lammbratwürstchen? Nein, genauso ist es original israelisch, und genauso muss es auch sein, erfahren wir. Eine Grillplatte, so wie sie gerade in den angesagten Restaurants in Tel Aviv serviert wird.
Ebenso wie das Rinderfilet, das mit einem Tick Soße übergossen und mit Süßkartoffelchips bekrönt auf einer fluffigen Scheibe einer Art Serviettenknödel thront. Mit grünem Pfeffer abgeschmeckt und mit der intensiv einreduzierten Soße erweist sich das Türmchen als Wohlfühl-Gericht. Die Karte empfiehlt vegetarische Chuzpeles dazu. Den Blumenkohl mit Salzzitrone, Knoblauch-Beurre-Blanc und Mandeln könnte ich mir sofort vorstellen. Den wilden Brokkoli mit Skordalia, Schafskäse und Za’tar-Gewürz ebenso.
Wir verzichten aber lieber. Denn uns erwarten noch ein Rotweinkuchen mit weißer Ganache und Kirschen sowie eine Espresso-Crème-Brûlée mit Maracuja und Baiser. Auch dabei macht sich der Rosé-Champagner vorzüglich, und ohne Süßspeise zum Abschluss könnten wir ohnehin kein Restaurant verlassen. Das gelbe Krokodil hat bis zu unserem Abschied jedenfalls keinerlei Appetit erkennen lassen. Es war wohl doch gerade vor unserem Eintreffen gefüttert worden. Sehr zum Gefallen unseres vierbeinigen Gefährten, der uns andernfalls unter Einsatz seines Lebens verteidigt hätte.
Der kleine Hund der Freundin hat im Laufe des Abends ebenfalls eine eindeutige Meinung zum „Mani" entwickelt. „Ihm haben die Brotchips geschmeckt", übersetzt die Begleiterin von unten nach oben. Das Maishähnchen auch, konnte ich beobachten, als ihm ein kleines Stückchen an seinen Platz unterm Tisch gereicht wurde.
Gutes Essen und Trinken, das macht Hund und Mensch zufrieden und mehr braucht es nicht für einen gelungenen Abend – ganz gleich ob in Berlin oder Tel Aviv.