Warum Busse und Bahnen schon jetzt viel umweltfreundlicher sind als das Auto und wie sie noch grüner werden, erläutert Ingo Wortmann, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).
Herr Wortmann, neben der Energiewende ist zunehmend von einer Verkehrswende die Rede. Wie kann der Verkehr in den Städten umwelt- und klimafreundlicher werden?
Da gibt es eine ganze Reihe möglicher und sinnvoller Maßnahmen. Aus Sicht unserer Branche gelingt das vor allem dadurch, dass man Verkehr – sowohl für Güter als auch Personen – auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger verlagert. In Städten ist das neben dem Fahrrad vor allem der öffentliche Personennahverkehr. Denn wir erbringen heute schon über 80 Prozent unseres innerstädtischen Verkehrs elektrisch und befördern eben viele Menschen gleichzeitig in unseren Fahrzeugen. Damit sind Busse und Bahnen in Sachen Emissionsbelastung pro Kopf unschlagbar im Vergleich zu anderen motorisierten Verkehrsmitteln. Insofern muss es das Ziel sein, den Marktanteil des ÖPNV in den Städten deutlich zu erhöhen.
Hat der ÖPNV nur in den Großstädten eine Chance? Oder kann er auch auf dem Land mit dem Auto mithalten?
Kommt darauf an, was Sie unter „mithalten" verstehen. Der ÖPNV hat, egal ob städtisch oder auf dem Land, ein klares, durch Politik und Gesellschaft definiertes Ziel: Er muss dafür sorgen, dass den Bürgerinnen und Bürgern überall ein Grundangebot an bezahlbarer Mobilität zur Verfügung steht. Dieser Daseinsvorsorge nachzukommen ist gerade in den ländlichen Regionen, in denen nicht so viele Menschen leben, eine Herausforderung. Aber wir sehen auch hier, wie durch kluge und wirtschaftlich tragfähige Konzepte zum Beispiel der regionale Busverkehr in mehreren Gebieten wieder deutlich an Fahrgästen gewinnt. Dieses „PlusBus-System" ist nur ein Beispiel dafür, dass ÖPNV auch auf dem Land ein wichtiger Mobilitätsanbieter für gewisse Zielgruppen sein kann. Dazu gehört aber immer auch eine funktionierende Schienenanbindung für die weiteren Strecken, zum Beispiel zur Arbeit in die nächste Stadt. Deshalb setzen wir uns als VDV auch gerade verstärkt für die Reaktivierung von Eisenbahnstrecken ein. Denn wir stellen fest, dass die Menschen überall dort, wo das Angebot attraktiv genug ist, den Nahverkehr auch nutzen.
ÖPNV gilt als umweltfreundlicher als der Autoverkehr. Aber auch Bahnen und Busse stoßen Dieselabgase aus und erzeugen CO2. Wie kann denn der ÖPNV selbst „grüner" werden?
Der ÖPNV gilt nicht als umweltfreundlicher als der Autoverkehr, er ist es. Und zwar egal, ob man sich nur die Dieselbusse anschaut oder alle, also auch die elektrischen Angebote. Das liegt alleine schon daran, dass pro Fahrzeug bei uns viel mehr Menschen unterwegs sind, womit pro Kopf der Schadstoffausstoß nur minimal ist. Bei modernen Fahrzeugen ist er pro Fahrgast kaum noch messbar. Und trotzdem gehen wir als Branche den Weg unserer Flottenerneuerung konsequent weiter. Damit werden wir als Branche die vorgegebenen Emissionsminderungsziele der Bundesregierung für den Verkehrssektor bis 2030 erreichen. An Bussen und Bahnen liegt es nicht, dass der Verkehr seit Jahren seine Klimaschutzziele verfehlt.
Wie hat sich denn die grüne beziehungsweise Klima-Bilanz des ÖPNV in den vergangenen Jahren überhaupt entwickelt?
Das Ziel der Europäischen Union und der Bundesregierung für die CO2-Minderung im Verkehrssektor lautet minus 40 Prozent bis 2030. Der ÖPNV hat das quasi schon erreicht. Selbst wenn man nur den Busverkehr nimmt, haben wir dort seit 1990 bis heute den CO2-Ausstoß bereits um 32 Prozent reduziert. Und das trotz steigender Fahrgastzahlen und mehr Fahrzeugen. Diese Zahlen belegen noch mal eindrucksvoll, warum zur Erreichung der Umwelt- und Klimaschutzziele an einer Stärkung des ÖPNV und der Eisenbahnen kein Weg vorbeiführt.
Berlin will nun 28 Milliarden Euro in den ÖPNV investieren. Wird in anderen Städten auch so viel zusätzlich investiert?
Für die großen Investitionen in den ÖPNV, also zum Beispiel neue U- oder Straßenbahnstrecken oder neue Fahrzeuge, sind nicht die Städte, sondern Bund und Länder zuständig. Insofern kann man das nicht allein zwischen einzelnen Städten vergleichen. Fakt ist allerdings, dass wir bundesweit einen riesigen Nachholbedarf bei der Sanierung unserer ÖPNV-Infrastrukturen haben, wir gehen hier von einem Sanierungsrückstau von etwa fünf Milliarden Euro aus. Hinzu kommen gerade in den wachsenden Großstädten und Ballungsräumen nötige Aus- und Neubaumaßnahmen. Allen voran bei den U-Bahn-Systemen müssen wir kräftig investieren, denn vielfach sind dort heute schon Kapazitätsgrenzen erreicht. Und das hat am Ende negative Auswirkungen auf ein mögliches Fahrgastwachstum und auf die Qualität. Bund und Länder sind daher gemeinsam gefordert, die entsprechenden Finanzierungsinstrumente nachhaltig in den Haushalten zu verankern. Da gibt es vor allem auf Länderebene noch einiges zu tun, damit kein Flickenteppich in der ÖPNV-Finanzierung entsteht.
Was ist eigentlich mit elektrischen Bussen? Strom ist ja doch etwas grüner als Diesel. Gibt es da bereits erfolgreiche Versuche? Reicht die Batterie für einen ganzen Tag, auch im Winter?
Eines dazu vorneweg: Zurzeit gibt es unter wirtschaftlichen und betrieblichen Gesichtspunkten noch nichts besseres als den modernen EURO-VI-Dieselbus. Diese Busse halten beziehungsweise unterschreiten im Übrigen auch alle geforderten Grenzwerte bei der Luftreinhaltung. Trotzdem sind wir als Branche gerne bereit, auch neue Technologien wie batteriebetriebene Elektrobusse zu testen und sukzessive einzuführen. Man muss dabei aber immer auf die Verhältnismäßigkeiten achten. Über Nacht oder in kurzer Zeit wird das flächendeckend nicht funktionieren. Dazu fehlt es an ausreichender Stückzahl bei den verfügbaren Elektrobussen; es fehlt an Ladeinfrastruktur, und es fehlt auch noch an der betrieblichen Zuverlässigkeit von mindestens 90 bis 95 Prozent. Außerdem müssen wir auch erstmal unsere Betriebshöfe und Werkstätten so umbauen, dass wir dort Elektrobusse vernünftig warten und aufladen können.
Gibt es vielleicht ein Revival des Trolley-Busses?
Der Trolley-Bus ist dort, wo er funktioniert, ein gutes und etabliertes Verkehrsmittel. Und sicher wird man hier und da, wo die bereits vorhandene Straßenbahnoberleitung dies zulässt, das System nutzen können, um E-Busse mit Strom zu versorgen. Ich glaube allerdings nicht, dass in Städten nur wegen Luftreinhaltung neue Oberleitungen gebaut werden, die einzig dem Busverkehr dienen.
In Luxemburg gibt es ab 2020 ÖPNV kostenlos. Ist das ein Modell für Deutschland? Kann das funktionieren?
Nein, das wäre wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen, denn wir sprechen hier über zwei in allen wesentlichen Aspekten komplett unterschiedliche Länder. In Luxemburg wird der ÖPNV im Übrigen auch bislang schon zu 90 Prozent öffentlich gefördert. Daraus dann 100 Prozent Förderung mit Steuergeldern zu machen, ist kein ganz so großer Schritt mehr. In Deutschland erwirtschaften die Verkehrsunternehmen ihre Betriebskosten aber zu rund 75 Prozent selber, also über Ticketeinnahmen etc. Würde das komplett der Staat übernehmen, bräuchten wir jährlich zusätzlich mindestens zwölf Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt. Und das alleine, um das jetzige Angebot aufrechtzuerhalten, also keine Ausbauten oder Qualitätsverbesserungen. Die müssten noch mal extra finanziert werden. Das halte ich für absolut unrealistisch.